Kultur, Geschichte & Management
Eine Domäne der wissensdurstigen Kulturmanager: 15 Jahre Kulturmanagement Network

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der vielleicht dazu gereicht, einen Mythos für die Zukunft zu spinnen - sollte man meinen.
In unserem Netzwerk könnte man eher von Zufall sprechen, denn dass man das Kulturmanagement Network im Internet unter einer Netzwerk-Adresse „.net“ findet, hatte ursprünglich weniger mit einer genialen Idee als vielmehr mit den damaligen Preisen für Websites zu tun.

Die frühzeitig gesicherte Domain Kulturmanagement.Net kostete einst mit 200 DM jährlich gerade mal ein Drittel einer deutschen Adresse. In der Studienzeit 1996 wäre der Aufpreis von 400 Mark nicht finanzierbar gewesen – erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass zunächst eine kommerzielle Nutzungsabsicht gar nicht bestand. Vielmehr ging es darum, die einst betriebene Website nicht länger auf einer schwer zu merkenden Universitätsadresse zu speichern. Diese enthielt beispielsweise eine sog. Tilde, die ich (Dirk Heinze Anm. d. R.) selbst heute noch nicht auf Anhieb auf meiner Tastatur finde. Die Inhalte dieser Internetpräsenz waren bunt zusammengestellt: einerseits enthielt es eine Sammlung von Fachliteratur, Beiträgen und Links zum Thema Kulturmanagement - das Fach also, das ich gerade nach meinem Erststudium an der Weimarer Musikhochschule erlernen wollte. Daneben fanden sich aber auch die Porträts zahlreicher Künstler, die ich als junger Konzertagent vertrat. Nachdem die Agenturtätigkeit aber nicht die erhofften Früchte tragen wollte, verwarf ich 1996 kurzerhand meine Pläne für eine Zukunft als Musikagent und verbannte die Inhalte der Künstleragentur vom Server. Fortan galt alle Konzentration den Kulturmanagementinhalten.

Von einem Netzwerk konnte man zunächst wahrlich nicht sprechen, eher von einer Spielwiese, auf der man die neuen Möglichkeiten im Internet in Kombination mit interessanten Inhalten testen konnte. Doch dieses Ausprobieren eignete sich gut in einer Zeit, in der die berufliche Perspektive noch nicht klar formuliert war und das Internet seinen Siegeszug auch in Europa erst anzutreten begann. Während ich in der Musikhochschule Weimar die Kunst erlernte, Kultur zu ermöglichen (Prof. Hermann Rauhe), machte ich mich autodidaktisch mit den Grundlagen der Programmiersprache HTML vertraut und erforschte die Quelltexte gut gemachter Internetportale. Als Gasthörer der Bauhaus-Universität hatte man zudem vielfältige Gelegenheiten, sich mit den Möglichkeiten des Internets besser vertraut zu machen. Die neu gegründete Fakultät Medien war bereits damals ein Vorreiter und bestens ausgestattet - sowohl was das Lehrpersonal als auch die technische Infrastruktur betraf. Wenn man zu Hause froh sein konnte, mit einer Modem-Geschwindigkeit von 56 Kilobyte pro Sekunde zu surfen und dies an einem Macintosh Performa 5200, der zwar für damalige Verhältnisse erstaunlich multimedial, aber rechnerisch eher ein gemütlicher Geselle war, konnte man an der Universität neueste Technik - angeschlossen an das schnelle Deutsche Forschungsnetz - genießen.

Drei Jahre später war das Diplom in der Tasche. Die Website war 1999 angereichert mit einer Fülle an Informationen - auch dank vieler aufgebauter Kontakte zu anderen Kulturmanagern, die die Grundlage für das sich entwickelnde Netzwerk bildeten. In diesem Jahr stieß auch Dirk Schütz, damaliger Leiter des Studiengangs Kulturmanagement in Weimar, dazu und stellte mit seinen Vorstellungen die Weichen zu einem weiteren strategischen Ausbau der Inhalte und Angebote. Ganz dem Motto verpflichtet, dass man gemeinsam stärker ist, betrieben wir fortan die Website gemeinsam, bauten die bestehenden Kontakte zu KulturmanagerInnen, Verbänden und Kulturorganisationen weiter aus und fingen an, das Netzwerk systematisch zu vergrößern und das gewissermaßen in einem permanenten Brainstorming. Die Idee zum Aufbau eines Portals verdichtete sich immer mehr und so wurden die Inhalte besser strukturiert und diversifiziert. Der Zugang zu allen Inhalten war frei, und auch die Kontakte zu den Lesern wurde genutzt, diese konsequent auszubauen. Die Website wuchs schließlich auf über 700 einzelne HTML-Seiten an, wobei wir immer den Anspruch hatten, diese stets aktuell zu halten und damit die Attraktivität für die Nutzer zu erhöhen. Noch gern erzählen wir uns heute die Anekdote, dass unser ganzes Universum, also die gesamten Dateien, Kontakte und E-Mail-Nachrichten, auf einer ZIP-Diskette gespeichert waren, die täglich zwischen Homeoffice und Computerpool hin und her getragen wurde. Das damalige Netzwerk konnte man also einfach in einer Hand tragen und - wie man sieht - ziemlich verdichtet sein. Und so erinnert die Geschichte eher an die kleine umkämpfte Galaxy im Film „Men in Black“, die sich in der kleinen Kugel am Halsband einer Katze befand. In der Zeit der dot.com-Krise, in der fast jegliche Idee im Zusammenhang mit dem Internet mit Geld überschüttet wurde, hielten wir uns aus dem Hype heraus, suchten bewusst keine Venture-Capital-Investoren, die unser Herzblut-Projekt ausschließlich nach Investment-Kriterien begutachtet hätten und verdienten unser Gehalt anderswo: Dirk Heinze als Chormanager und Buchverkäufer, Dirk Schütz als Pressesprecher der Medienfakultät der Bauhaus-Universtität und Dozent. Die Nähe zur Universität brachte letztlich den entscheidenden Impuls. Auf der Suche nach Gründungsfördermittel für seine Studenten, stieß Schütz auf das Technologie orientierte Gründerprogramm „EXIST SEED“. Nach erfolgreicher Bewerbung wurden wir als eines der ersten Projekte des neuen Gründerzentrums der Bauhaus-Universität vom Bundesforschungsministerium gefördert. 12 Monate lang bezogen wir einen kleinen Büroraum in der „neudeli-Gründerwerkstatt“, arbeiteten an einem Businessplan, testeten verschiedene Erlösmodelle und bauten das weiter anwachsende Netzwerk von Kontakten aus. Die Fördermittel flossen in wichtige Hardware, die uns den weiteren Zugang zu nationalen und internationalen Quellen und Netzwerk-Punkten sichern sollte, in ein Content Management System, zur Erleichterung der journalistischen Arbeit und Veröffentlichung der Inhalte und in Weiterbildungsreisen, die nicht nur unseren Wissenshorizont sondern auch unsere internationalen Kontakte erweitern und festigen sollten. Hier war uns vor allem klar, dass ein erfolgreiches Netzwerk permanente Informations-, Wissens- und Energiezuflüsse schaffen muss. Lernen für alle Netzwerkteilnehmer zu ermöglichen, ist also ein wesentlicher Bestandteil von Netzwerken und für deren Weiterentwicklung unerlässlich. Dies führte uns u.a. in die USA, nach Kanada, Singapur und Australien. Hier kam uns das bereits engmaschige Kontaktnetzwerk mit KulturmanagerInnen aus aller Welt zugute, das auch durch die Etablierung des englischsprachigen Arts Management Network im Jahr 2000 weiter ausgebaut wurde.

„Von den Besten lernen und Impulse für den eigenen Kulturbetrieb erhalten“ lautete die Devise - der praxiserprobte fachliche und wissenschaftliche Vorsprung im Kulturmanagement der besuchten Länder war z.T. beträchtlich. Allein die Nordamerikareise führte uns zu 18 Einrichtungen in 14 Tagen, darunter an führende Kulturmanagement-Studiengänge der Carnegie Mellon University in Pittsburgh oder der Columbia University in New York, zum Kanadischen Kulturrat und Cultural Human Resources Council (schon damals gab es strategische Tools und wissenschaftliche Untersuchungen zum Human Resources Development) oder ins Kennedy Center for the Arts nach Washington. In Canberra, Australien, nahmen wir 2002 am Kongress der australischen Kulturmanager teil. Eigentlich müsste man ja vom Kongress der Kulturmanagerinnen sprechen, denn im damals hochrangig besetzten Podium von Führungskräften der größten Kultureinrichtungen und Festivals war der einzige Mann der Moderator der Diskussionsrunde – in Deutschland undenkbar. Zudem sprach man in Australien bereits vom Post-Audience-Development, während man im deutschen Kulturbetrieb teilweise noch die Grundlagen des Kulturmarketings einzuführen suchte. Durch unsere gemeinsamen Auftritte waren wir spätestens seit diesem Zeitpunkt in der globalen Community der Arts Manager nur noch als "The Two Dirks" bekannt. Von den damaligen Besuchen, Gesprächen und Kontakten profitieren wir noch heute, was zudem einen enormen immateriellen Wert des Netzwerkes ausmacht. Gerade in der Gründungsphase waren diese Benchmarks ungemein hilfreich, ein geeignetes Geschäftsmodell zu finden.
Während wir mit dem Arts Management Network seit vielen Jahren den internationalen Austausch pflegen, internationale Entwicklungen verfolgen und Trends für unsere internationalen und deutschsprachigen Leser aufspüren, hat sich auf Basis des deutschen Portals hierzulande ein Kultur-Unternehmen mit einer regen Geschäftstätigkeit entwickelt, das konsequent zum Zentrum aller Netzwerktätigkeiten ausgebaut wurde. Mit unserem Hauptsitz in Weimar und den Redaktionsbüros in Wien und Winterthur bilden wir quasi das WWW des Kulturmanagements ab. Eine der wichtigsten Grundlagen für funktionierende Netzwerke sind dementsprechend auch Knotenpunkte und Koordinationszentralen, die wir mitten in Zentren des kulturellen Lebens errichtet haben. Hier laufen nicht nur redaktionelle Prozesse zusammen, sondern unterhalten wir wichtige Kontaktpunkte für Leser, Kunden und Autoren, sind vor Ort näher an spannenden Entwicklungen dran und immer direkt ansprechbar. Zudem können wir durch den direkten persönlichen Kontakt die Netzwerke weiter ausbauen, festigen und persönliche Beziehungen pflegen. Mittlerweile zählt das deutschsprachige Portal mit seinem Schweizer Schwesterportal heute allein 22.000 registrierte Nutzer. Ein Privileg dieser engen Vernetzung ist u.a., dass wir bereits unzählige Biografien in diesem spannenden Berufsfeld begleiten konnten: angefangen mit der Suche nach einem geeigneten Aus- oder Weiterbildungsangebot in unserem Studienführer, über die Recherche auf unserem Portal zu aktuellen Artikeln – auch im monatlichen KM Magazin - und zu wichtiger Literatur und von der Bewerbung auf Praktika oder den ersten Job mit Hilfe unseres Kulturmanagement Stellenmarktes bis hin zum Erklimmen höherer Karrierestufen. Viele KulturmanagerInnen haben wir früher oder später auf Tagungen, Seminaren oder bei Konferenzen persönlich kennengelernt. Ein reines Online-Unternehmen sind wir daher längst nicht mehr. Das Netzwerk lebt gerade durch diese persönlichen und virtuellen Kontakte gleichermaßen und schafft damit langfristige und nachhaltige Bindungen. Kulturmanagement-Punkt-Net birgt auf der Grundlage dieses stabilen Netzwerkfundaments noch viele Entfaltungsmöglichkeiten.

Das Ende ist noch längst nicht geschrieben. Und so ist es wichtig, dass man als lebendiges Netzwerk selbst immer wieder Anreize zum Lernen und zum bewussten strategischen Weiterentwickeln im Rahmen aktueller Veränderungsprozesse schafft. So denken wir das Kulturmanagement Network täglich weiter und erfinden uns immer wieder neu, was der derzeitige Prozess zur Entwicklung einer neuen Corporate Identity und zum Relaunch der bestehenden Online-Portale zeigt. Auch die neuen Geschäftsbereiche wie die Tagungen KM Konkret zum Personalmanagement, die Weiterbildungsangebote wie das beliebte ‚Online-Webinar’ kmtreff-Treffpunkt Kulturmanagement oder der neue Service KM-Apps für mobile Internetanwendungen unterstreicht dies eindrucksvoll. Blickt man auf die Anfänge vor 15 Jahren zurück, gibt es darin aber einen roten Faden: es ist eine Domäne und Netzwerk für KulturmanagerInnen und Führungskräfte in der Kultur, die sich einsetzen für einen lebendigen Kulturbetrieb mit Zukunft.


Header-Foto: Dirk Heinze und Dirk Schütz mit Sarah Gardner beim „Australia Council for the Arts“ in Sydney/Australien.
Kultur-Port.De dankt Dirk Heinze und Dirk Schütz für die Überlassung des Textes. Dieser wurde im Kulturmanagement-Magazin, Nr. 62, Ausgabe 12/2011 veröffentlicht.

Weitere Informationen: www.kulturmanagement.net

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