Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die heute an der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Dr. Robert Habeck, u.a. teilnimmt, erklärt:
„Der 27. Januar markiert die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz heute vor 80 Jahren. Dieses Datum steht stellvertretend für die Vielzahl anderer Orte der Qual und des Todes, es steht für das Menschheitsverbrechen des Holocaust. Orte, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg von der Roten Armee und den Alliierten befreit oder entdeckt wurden. Diese Orte – viele von ihnen heute Gedenkstätten – sind wichtige Zeugen der Verbrechen, die in ganz Europa von dem nationalsozialistischen Deutschland begangen wurden. Es ist wichtig, dass heute in Auschwitz vor allem die Überlebenden zu Wort kommen, die dieses Grauen selbst erleben mussten – und die mit ihrer Zeitzeugenschaft einen so wichtigen und wertvollen Beitrag für das Erinnern geleistet haben und leisten.
Auschwitz steht auch für die Besetzung und brutale Unterdrückung Polens durch das nationalsozialistische Deutschland. Die deutsche Besatzungsherrschaft in ganz Europa ist in ihrem ganzen Ausmaß der Verbrechen bislang immer noch zu wenig bekannt hierzulande und sollte viel stärker Teil der kollektiven Erinnerung werden.
Unsere Erinnerungskultur steht vor fundamentalen Herausforderungen: Die Zahl der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen wird immer geringer und mit ihnen ihre mühevolle, oft schmerzhafte Arbeit des Mahnens und Erinnerns. Die sozialen Medien bieten Chancen für niedrigschwellige Bildungsangebote und Austausch. Gleichzeitig erleben wir, wie Desinformationen, Verschwörungstheorien und Hassrede jetzt nahezu grenzenlos in wichtigen sozialen Medien um sich greifen können. Das ist umso bedenklicher, da es in der Verwendung von Begriffen und Gesten, die historisch mit der Zeit des verbrecherischen nationalsozialistischen Deutschlands verbunden sind, derzeit eine rasant fortschreitende Relativierung und gezielt betriebene Geschichtsvergessenheit gibt.
Umso mehr brauchen wir klare Grenzen, die auch im Bereich der sozialen Medien eingehalten und durchgesetzt werden müssen. Von der EU-Kommission wie auch den Regulierungsbehörden in den Mitgliedsstaaten. Die bestehenden Regulierungsvorgaben, wie etwa den Digital Services Act und die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, werden wir überprüfen und wenn nötig auch nachschärfen müssen.
Umso wichtiger ist die Arbeit der NS-Gedenkstätten, deren Arbeit zukunftsfähig aufgestellt werden und gestärkt wie auch entschieden geschützt werden muss. Genau daran arbeiten wir mit meinem Haus mit den Gedenkstätten. Die tätlichen und verbalen Angriffe auf Gedenkstätten, jüdische Einrichtungen und Ort des Erinnerns nehmen immer weiter zu. Diese müssen noch viel entschiedener verfolgt und aufgeklärt werden.
Es ist ein wichtiges Zeichen, dass mit Roman Schwarzmann ein Vertreter des jüdischen Regionalverbandes aus Odesa bei der Gedenkstunde im Deutschen Bundestag sprechen wird. Die Treffen mit Roman Schwarzmann in Odesa, zuletzt im Oktober des vergangenen Jahres, haben mich in besonderer Weise beeindruckt und berührt: Mit großem Engagement setzt er sich für die Tradition des jüdischen Lebens in Odesa, das vor der Besatzungsherrschaft die Hälfte der Stadt geprägt hat, und für das Erinnern an die brutale Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen und Juden in der Zeit der deutschen Besatzungsherrschaft ein. Aus diesem Erinnern erwächst für Deutschland heute eine ganze besondere Verantwortung, die Ukraine bei ihrem Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung zu unterstützen, aus diesem Erinnern erwächst eine Verpflichtung für Deutschland, sich für ein starkes, gemeinsames, demokratisches Europa einzusetzen, ohne Abstriche und Einschränkungen, gerade jetzt.
Der im Artikel 1 des Grundgesetzes als wichtigste Aufgabe aller staatlichen Gewalt beschriebene Schutz der unveräußerlichen Würde des Menschen ist eine direkte und klare Antwort auf das unvergleichliche Menschheitsverbrechen des Holocaust.
Dieser Schutz der Würde aller Menschen verpflichtet uns alle gemeinsam für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für innere und äußere Sicherheit und ein friedliches Zusammenleben aktiv einzutreten - und ganz klare Grenzen zu Demokratiefeinden und Rechtstaatsverächtern zu ziehen.“
Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA)
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