Erland Cooper: &bdquo;Folded Landscapes&ldquo;

: Geschrieben von Claus Friede - Montag, 17. April 2023 um 08:03 Uhr

Die 70 Inseln des Orkney-Archipels gehören zu Schottland und liegen im äußersten Norden Europas. Aus Stromness, der zweitgrößten Ortschaft – eingezwängt zwischen Meer und Hügeln –, kommt der Komponist, Produzent und Multi-Instrumentalist Gawain Erland Cooper.

Er singt, spielt Klavier und Gitarre und kennt sich mit elektronischer Gerätschaft bestens aus; kaum eines seiner Stücke, dass nicht Konzentration erfordern würde. Ein bisschen Max Richter steckt in ihm, denn seine narrativen Fäden und gesprochenen/gelesenen Texte sind nicht um ihrer selbst willen existent, sondern wegen ihrer Inhalte. Das gilt in besonderer Weise für sein neu angekündigtes Album Folded Landscapes.

Cooper wagt sich an die ganz großen aktuellen Themen wie Zeit, Klimawandel, Temperaturveränderungen und Umwelt- und Naturschutz und das jedoch auf geradezu unschuldige und ästhetische Art und Weise. Ihn musikalisch einzuordnen ist nicht einfach, er changiert zwischen Neoklassik, Alternative, Electronica und Ambient.

Cooper ist direkt nach Ostern nach Hamburg und Berlin gekommen, um seine Movements vorzustellen – so nennt er die Stücke durchnummeriert auf dem neuen Album. Ein kurzes Appetizer-Konzert im Nachtasyl in Hamburgs legendärem Thalia Theater, denn das Konzeptalbum-Projekt wird erstmalig vollständig und live erlebbar – mit der Großbritannien-Premiere – im Barbican in London am 11., 12. und 13. Mai 2023 uraufgeführt. Anschließend geht es in den September hinein über die Britische Insel.

Der Auftritt beginnt in Hamburg von der Bandmaschine, mit Tierstimmen und einem Orchester, das sich wiederum einstimmt. Daraus entwickelt er live einen Klavierpart und auf Folded Landscapes Streichersentenzen, die von Musikern des in Glasgow ansässigen Kammerorchesters Scottish Ensemble aufgeführt werden. In Hamburg hat Cooper drei junge Streicher (Violine, Bratsche, Violoncello) auf der Bühne. Die Leichtigkeit und Zartheit des Spiels und des melodischen Klangs, ist ihnen allen zu eigen und berührend. Man versteht sich mit dem Publikum und einander.

ERLAND COOPER FOLDED LANDSCAPES COVER Der schottische Komponist ist ein musikalischer Erzähler, nicht allein deswegen weil er Zitate von unterschiedlichen Protagonisten einspielt: Features des britischen Poeten Simon Armitage, neben weiteren Special Guests, darunter Klimaaktivistin Greta Thunberg, Grafikkünstler Norman Ackroyd und die vielfach ausgezeichnete Autorin und Umweltaktivistin Dara McNaulty, die eine Schar weiterer Stimmen anführen, sondern auch in der Art und Weise wie er mit Noten und Rhythmen erzählt und erzählen lässt.

Es ist eine ruhige, unaufgeregte Art, mit der sich Erland Cooper dem Themenkanon nähert und sich auseinandersetzt; so ganz gegenteilig zur Hysterie vieler der sogenannten Letzten Generation. Seine Verbindung zur Natur und Landschaft und den Lebewesen darin ist geprägt durch den Rand Europas, durch die Schönheit und Einzigartigkeit der Natur, durch Beobachten und Hinhören und durch eine glaubwürdige Ehrlichkeit. So gibt er bei dem Konzert in Hamburg zu, dass er Vögel eigentlich nicht mag, aber deren Stimmen immer wieder in die Tonträger verarbeitet und er sich einen Morgen ohne sie gar nicht vorstellen kann.

Erland kommentiert: „Ich schreibe oft mit der Natur als meiner Verbündeten, ob nun mit der Erde, dem Boden oder den Elementen, mit Vogelgesang oder lediglich mit einem Gedanken von einem Ort im Kopf. Die Erde als Co-Urheber ist sogar noch mehr, ein gleichberechtigter Produzent eines neuen Werks, das ist für mich eine vollkommen angemessene Höflichkeit. Hier schwingt natürlich ein poetischer Beigeschmack mit, aber er ist gekoppelt an eine selbstauferlegte Pflicht, eine Art von Verantwortung zu übernehmen und definitiv eine Möglichkeit, die Natur gleichzeitig zu feiern und schützen.“

Die Vorstellungen zu Vorgängen, wie vom Entstehen und Vergehen, zyklischen Abläufen, die Permanenz von Veränderung und die Natürlichkeit von Wechsel in Lebensrhythmen sind über das gesamte Album gestreut. Das fertige Werk taut bildlich und wortwörtlich über alle Sätze (Movements genannt) hinweg auf, denn Cooper ließ die Musiker des Scottish Ensemble in einer alten Industriehalle bei Minusgraden und ohne Heizung spielen. Der Komponist wollte die widrigen Umstände in die eis- und eingefrorene Musik so deutlich wie nur möglich erlebbar machen. Eine Steigerung erfahren Album, Aufnahmeorte und Temperatur im Sechsten Movement, im Edinburghs Castle Studio wurde sukzessive die Temperatur so erhöht, dass am Ende nur noch das Wort Hitze formuliert werden konnte. Auf jene Temperatur, die am heißesten Tag Großbritanniens aller Zeiten mit 40,9 Grad Celsius im Juli 2022 herrschte. Da tauen nicht nur Töne auf, sondern da schmilzt auch alles andere.

Simon Armitage war so begeistert von der rhythmischen Orchestrierung, dass er zustimmte, seine poetischen Texte selbst zu lesen, ein Glanzstück der CD. „Es hat einfach gepasst. Erland ist ein Dichter, der mit der Sprache der Musik arbeitet, er findet und faltet seine Worte in die Landschaften und die Geografie könnte im Schlaf singen, so würde es klingen“, erklärte der Lyriker.

[…] Don’t waste plastic, don’t waste food […] don’t waste of any kind wiederholt sich mit Kinderstimmen im 9. Satz. Das klingt auf dem Album – Gott sei Dank – gar nicht kitschig, obwohl die Gefahr ins Süßliche abzudriften hierbei immens groß gewesen wäre. Auch hier schafft der Künstler Vertrauen und Würde, in einer ihm eigenen Natürlichkeit. Die Zuhörerschaft glaubt, was da zu hören ist.

Erland Cooper ist sogar so konsequent, dass er einen prozentualen Anteil der Einnahmen, die er über Copyrights generiert, an Brian Enos Earth / Percent-Organisation leitet.