Reeperbahn Festival: Newcomer-Bühne und urbane Kunst
- Geschrieben von Mirjam Kappes -
Dieses Jahr hat das Reeperbahn Festival mit seinen über 400 Veranstaltungen in Sachen Musik, Kunst, Literatur, Film und Digital Media ein so dickes Programmheft wie noch nie.
Im Fokus stehen dennoch die musikalischen und künstlerischen Newcomer.
Von der ehemals lokalen Konzertreihe hat sich das Reeperbahn Festival längst zu einem der wichtigsten Groß-Events Hamburgs entwickelt. Neben den zahlreichen Live-Musikauftritten in den Clubs von St. Pauli können Besucher an den mittlerweile vier Veranstaltungstagen Kunstausstellungen, Performances, Installationen und Filme anschauen – angesetzt sind rund 350 Konzerte und mehr als 60 Kunst-Programmpunkte, so viele wie nie zuvor.
Gleichzeitig hat sich das Reeperbahn Festival durch sein drittes Standbein, den Branchen- und Business-Treffs, nun auch stärker als Fachmesse etabliert. Dadurch ist das Club-Festival zum wichtigen Standortfaktor der Stadt Hamburg geworden, die das Event auch dieses Jahr wieder mit mehreren hunderttausend Euro fördert. Dennoch: Statt kommerziellem Massentourismus-Spektakel versteht sich das Reeperbahn Festival immer noch als Newcomer-Sprungbrett und Entdeckerplattform – und diesem Konzept bleiben die Veranstalter auch in diesem Jahr treu.
Für den Bereich Musik gilt: Bis auf wenige Ausnahmen, darunter der Ballarden-Sänger James Blunt, die britische Singer-Songwriterin Birdie oder die Hamburger Jungs von Kettcar, sind die meisten der erwarteten Bands hierzulande noch vergleichsweise unbekannt. Lokalpatrioten dürfen sich unter anderem über die ‚Alin Coen Band’ – diese begeisterte bereits im Mai beim Elbjazz Festival – Y’akoto und Fuck Art, Let’s Dance freuen. Aus Berlin kommen die Rap-Poeten von Käptn Peng und die Tentakel von Delphi wieder einmal nach Hamburg. Ebenso erwartet wird der Auftritt vom bisherigen Geheimtipp ‚Gloria’, bestehend aus TV-Moderator Klaas Heufer-Umlauf und ‚Wir sind Helden’-Gitarrist Mark Tavassol. Die Übersicht zeigt: Musikalisch ist das Reeperbahn Festival jung (einige Bandmitglieder haben erst gerade ihr Abitur hinter sich gebracht), international (Vertreter aus knapp 30 Ländern stehen dieses Jahr auf den Kiez-Bühnen), und vielseitig. Das musikalische Spektrum reicht von Pop, Rock, Indie, Folk, Electro bis zu HipHop, Soul und Jazz. Entsprechend der Zielgruppe setzt das Reeperbahn Festival dieses Jahr verstärkt auf Digital- und Social Media: Persönliche Grußbotschaften der Bands können auf eingebetteten YouTube-Videos angeschaut werden, über das Festivalkunstmotiv wird auf Facebook abgestimmt, und für Unentschlossene gibt es eine persönliche Line-Up-Empfehlung auf der Website des Festivals, die in Abstimmung mit den eigenen Musikinteressen erstellt wird.
Ganz ähnlich kommt auch der Bereich „Art“ daher, der ganz im Sinne seines musikalischen Geschwisterteils auf Projekte, Installationen, Ausstellungen und Kunstwerke abseits des Mainstreams setzt. Dabei stammt ein Großteil der Arbeiten aus einer jungen Underground-Kunstszene: Mit dabei sind Slam Poetry-Größen wie Patrick Salmen, Andy Strauß und Jan Off, es gibt einen Comic-Battle, bei dem um die Wette gezeichnet wird, diverse Graffit- und Street-Art-Projekte sowie die interaktive Computerspiel-Ausstellung „Independent Games“, bei dem bis zu 300 Personen gegeneinander antreten können. Bereits großer Popularität erfreut sich das in Hamburg gegründete Projekt „A Wall Is A Screen“, das man unter anderem vom Internationalen KurzFilmFestival Hamburg kennt: Während einer nächtlichen Führung werden dem Publikum Filme gezeigt, die an verschiedene innerstädtische Gebäudefassaden projiziert werden – die urbanen Flächen werden so zur Kinoleinwand.
Außerdem steht gerade der Veranstaltungsort St. Pauli bei vielen Künstlern im Mittelpunkt ihrer Arbeiten: Zum Beispiel hat Künstler Lasse-Marc Riek eine urbane Klangkarte des Stadtteils erstellt, die er nun im Konzert „St. Pauliscapes“ präsentiert. Bei der „Türsteherlesung“ werden skurril-anekdotische Geschichten aus dem Kiez-Nachtleben vorgetragen, und die Ausstellung „Romy, ich bin krank“ präsentiert Arbeiten des Beatles-Fotografen Jürgen Vollmer. Apropos Fotografie, Stefan Malzkorn, nicht fortzudenken aus der Musikfotografie, stellt ab 25. September im Nochtspeicher erstmals sein Oeuvre unter dem Titel „Malzkorn’s Rock’ N Roll“aus.
Und für nicht ganz so begeisterte Museumsbesucher gibt es beim Kunstbereich des Reeperbahn Festivals auch viel zum Mitmachen: Bei der interaktiven Ausstellung „Inside and Outside“ zum Beispiel werden die Besucher bei Abnahme eines im Raum installierten Telefonhörers automatisch mit einem öffentlichen Telefon im Außenraum verbunden – sobald ein vorbeiziehender Passant den Anruf annimmt, kann ein Gespräch zwischen zwei völlig Fremden entstehen. Das ist zwar alles andere als ein neues Konzept, aber unter bestimmten Voraussetzungen zumindest kommunikativ lustig. Auch eine Siebdruckwerkstatt und verschiedene thematische Stadtführungen durch das Kiez-Viertel und auf die Dauerbaustelle Elbphilharmonie stehen mit auf dem Programm.
Deutlich wird: Der Idee eines urbanen Festivals auf lokal begrenztem Raum, wie es sich das Reeperbahn Festival seinerzeit beim „South By Southwest“-Festival in Austin/Texas abgeschaut hat, bleiben die Veranstalter trotz deutlich erweitertem Programm und steigenden Publikumszahlen immer noch im Kern verhaftet. Angesichts des großen Erfolgs bleibt ein dicker Wehmutstropfen, dass viele Veranstaltungsorte viel zu schnell überfüllt sind – da bleibt nur, früh am Ort sein, und zur Not Alternativen parat haben.
Reeperbahn Festival, vom 25.-28. September 2013 an verschiedenen Veranstaltungsorten in Hamburg. Nähere Informationen zu allen Events gibt es hier: www.reeperbahnfestival.com
Festival-Tickets kosten zwischen 34 bis 70 Euro.
Fotonachweis: Alle © Reeperbahn Festival
Header: Spielbudenplatz bei Nacht. Foto: Stefan Malzkorn
Galerie:
01. Reeperbahn Festival-Logo
02. James Blunt
03. Kettcar
04. Alin Coen Band
05. Y’akoto
06. Käptn Peng und die Tentakel von Delphi. Foto: © Martin Dost
07. Gloria. Foto: © Erik Weiss
08. Comic Battle
09. St. Pauliscapes. Foto: A. Schultz
10. A Wall is a Screen
11. Malzkorn’s Rock’n’Roll
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