Musik

In der rundum gelungenen Inszenierung von Stephen Lawless feierte Wagners Oper „Tristan und Isolde“ im Musiktheater Lübeck Premiere. Das Publikum war von dieser Aufführung ebenso begeistert wie von Lawless vorausgegangener Inszenierung „Semele“.

 

Von Anfang an hingerissen folgte das Publikum dieser musikalischen Erzählung von Tristan und Isolde bis zum tragischen Ende. Es ist eine Geschichte, die von Liebe und Tod erzählt, von Lust und Leid, von schuldloser Schuld. Es geht um eine Liebe, die vom Leben in den „süßen“ Tod führt. Es geht auch und vor allem um die Sehnsucht nach etwas, das größer ist als das Leben selbst und ohne die das Leben keinen Sinn macht.

 

Es ist eine tragische Geschichte: Im Kampf ermordet Tristan Isoldes Verlobten und lässt sie unerkannt seine eigenen Wunden heilen. Geheilt kehrt er nach Hause zurück. Bald darauf besucht er Isolde noch einmal. Diesmal im Auftrag von König Marke, in dessen Namen Tristan um ihre Hand anhält. Was allerdings nicht vorgesehen war bei diesem Vorhaben: Zwischen Tristan und Isolde scheint etwas zu schwelen. An der Grenze zwischen Liebe und Hass entfacht sich ein Brand, der nicht zu löschen ist. Isolde plant, sich und Tristan umzubringen. Doch Isoldes Dienerin Brangäne tauscht das Gift gegen einen Liebestrank aus – der Moment des bevorstehenden Todes wird zur Geburt einer alles überschreitenden Liebe.

 

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Tristan und Isolde begeben sich in das dunkle Reich der Nacht. Hier können sie eine Liebe leben, die am helllichten Tag nicht möglich ist. Die Liebe hat die Vernunft besiegt – und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis die beiden Liebenden alle Menschen um sich herum mit sich in den Abgrund reißen. Wagners Musik sprengt alles bisher Dagewesene: Sie kennt keine Auflösung mehr, wird zu einem ewigen Sehnen nach Erlösung, ob in Liebe oder Tod. Mit „Tristan und Isolde“ reißt Richard Wagner auch das Publikum in den Strudel der Liebe, diese alle Grenzen überwindende Kraft und zerstörerische Urgewalt.

 

Der Zauber der unendlichen Melodie

Nicht jedem Anfang wohnt ein sogartiger Zauber inne, aber diesem: mit dem Liebeston a, mit diesem Liebesintervall, mit diesem einzigartigen Wagnerschen Sehnsuchtsakkord, dieser kleinschrittigen Sehnsuchtsleiter gepaart mit Leidenschaft und Energie begann dieser ausgezeichnete Premierenabend von „Tristan und Isolde“ im Großen Haus des Lübecker Theaters. Dieser anfängliche Zauber blieb den ganzen Abend über erhalten. Das liegt an vielem: zunächst einmal natürlich an der großartigen Musik Richard Wagners, zum anderen an dem stimmigen Konzept von Regisseur Stephen Lawless, an den ausgezeichneten Sängern, an den hochmotivierten Instrumentalisten und last but not least an deren Dirigenten Stefan Vladar.

 

Vladar beginnt den Abend langsam, verhalten; schon die erste Pause scheint unendlich gedehnt. Er belebt das Tempo, ohne zu eilen; ihm gelingt es, Tempo und Dynamik so organisch zu steigern, dass der Zauber der unendlichen Melodie den Raum erfüllt und die Balance zwischen Wagnerscher Forderung nach weichem Übergang und gleichzeitiger Durchhörbarkeit der Partitur hergestellt wird. Trotz genau ausmusizierten kleinsten Notenwerten erreicht Vladar einen ausgewogenen Gesamtklang. Das Orchester folgt diesem leidenschaftlichen, klugen Dirigat, bringt trotzdem auch eigene Impulse ein. Es ist eine helle Freude, die Lübecker Philharmoniker in ihrem Können und ihrer Spielfreude zu erleben: Mal donnert das Schlagwerk, dann kracht´s im Blech, dann blitzt es in den Streichern. Bravo auch dem hirtigen Englischhorn auf der Bühne und dem seligen Geigensolo im Graben!

 

Welch Wonne zu wähnen, was Bühnenkunst kann

Schon mit der ersten aufsteigenden Chromatik hebt sich kurz der Vorhang, um einen Moment aus der Vorgeschichte zu enthüllen. Später dann präsentiert sich das ganze Bühnenbild als das Innere eines Schiffsbauches – wie von Wagner gefordert mit aufsteigender Treppe – in Himmel-Wasser-Blau getaucht, dies nicht unbefleckt. Das Bühnenbild verleiht dem Abend eine entschieden dichte formale Einheit, auch wenn der rechte und linke Bühnenteil mitunter, jeweils entsprechend der dramatischen Ereignisse, durch einen Blitz-Graben in einen Tristan- und Isolde-Part geteilt sind. Dieses Bühnenbild, dieser offene Kubus bleibt uns über drei Aufzüge treu, wenn auch stets in neue „Ambiente“-Farben getaucht. So leuchtet der Schiffsbauch in den Liebesszenen von Wellen ummantelt in warmem, zärtlichem Rot. In anderen Szenen schillert das Meer im Hintergrund grünlich-wild-brausend, in wieder anderen harmonisch-blau.

 

TL Tristan und Isolde F ochen Quast

Tristan und Isolde. Foto: Jochen Quast

 

Ein weiterer geschickt erreichter Vorteil ist der durch den (an den Seiten geschlossenen) Kubus gewonnene Hallraum, der den Sängerinnen und Sängern eine angenehme Akustik bietet. Bewundernswert ist deren Durchhaltevermögen: netto 3,5 Stunden! Bis auf König Marke (Rúni Brattaberg), der als indisponiert angekündigt – der Kalauer sei erlaubt – „markieren“ muss, das aber durch geschickte Oktavierung und Schonhaltung der Stimme so geschickt macht, dass das Publikum ihm später anerkennend applaudiert.

 

Schlanke, schöne Spitzentöne

Tristan (Ric Furman) teilt seine kräftezehrende Partie klug ein, beginnt lyrisch-liedhaft, mit schlanken, schönen Spitzentönen, bis er sich im letzten Aufzug in die dramatische Heldenhaftigkeit seiner Rollenführung hineinsingt. Liedhaft-lyrisch auch der Steuermann (Viktor Aksentijević) in schöner Anfangsanmutung. Herausragend Brangäne (Marlene Lichtenberg) in ihrer die Bühne von links nach rechts durchschreitende Warn-Szene, berührend-eindringlich! Kurwenal (Steffen Kubach) präsentiert sich in Hochform, technisch und musikalisch auf hohem Niveau, rhythmisch-klanglich großartig gestaltet, gesanglich und schauspielerisch kräftig zupackend.

 

Auf ein technisch beachtlich solides Fundament stützend, kann Isolde (Lena Kutzner) mit auch in Spitzentönen angenehmer, schöner Stimme alle seelischen Nuancen musikalisch-schauspielerisch eindringlich darstellen. Ihre frische Bühnenpräsenz bewahrt sie sich bis zum letzten Ton. Sehr beeindruckend und ein zukunftsweisender Auftritt: Lena Kutzner ist es durchaus zuzutrauen, dass sie sich und uns mit dieser ihrer Isolde-Interpretation den Weg nach Bayreuth bahnt und ergo sogar bei den Beyreuther Festspielen zu erleben sein wird! Wünschenswert wäre es dieser sehr beeindruckenden Darbietung!

 

Begeisterter Applaus

Das Lübecker Musiktheater-Publikum applaudierte am Ende der Premieren-Vorstellung minutenlang stehend begeistert. Und wir kehren „aus des Weltatems wehendem All“ ein wenig wehmütig zurück in unseren vom World Wide Web umwehten All-Tag. Wir nehmen das Meer mit und den Wind, die liebkosenden und die aufbrausenden Wellen. Die Liebe. Die Nacht. Den Tod. Wir hören Isolde immer noch in ihrem Schlussgesang: „Wie sie schwellen, mich umrauschen… Soll ich schlürfen, untertauchen? … In dem wogenden Schwall, in dem tönenden Schall… ertrinken, versinken“… Und wir lauschen dem „Tristan-Akkord“, diesem „tönenden Schweigen“, dieser „unendlichen Melodie“ noch lange nach. Was für ein rauschhafter, schöner Abend!


Tristan und Isolde

Musikdrama in drei Akten von Richard Wagner

Musikalische Leitung: Stefan Vladar

Im Theater Lübeck, Großes Haus, Beckergrube 16, in 23552 Lübeck

 

Weitere Termine: 16.02, 17:00 Uhr, 02.03, 16:00 Uhr, 16.03, 17:00 Uhr, 06.04, 17:00 Uhr, 19.04, 17:00 Uhr, 25.05, 17:00 Uhr, 29.06, 17:00 Uhr,

Mit: Ric Furman (Tristan ), Rúni Brattaberg (König Marke), Lena Kutzner (Isolde), Steffen Kubach (Kurwenal), Noah Schaul (Melot / Ein Hirt / Ein junger Seemann), Marlene Lichtenberg (Brangäne), Viktor Aksentijević (ein Steuermann), 

Herren des Chores und Extrachores des Theater Lübeck, Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck

Inszenierung: Stephen Lawless | Bühne & Kostüme: Frank Philipp Schlößmann | Chor: Jan-Michael Krüger | Licht: Falk Hampel | Dramaturgie: Sören Sarbeck

Weitere Informationen (Theater Lübeck)

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