Die sechste Ausgabe des „Festival da Jazz“ in St. Moritz begeistert mit musikalischen Highlights und Höhenluft.
Das „Festival da Jazz“ in St. Moritz hat bereits am 11. Juli begonnen und gibt noch bis zum 11. August im Schweizer Engadin den Ton an. Dort findet man hochkarätige Musiker in exklusivem Wohlfühl-Ambiente. In diesem Jahr mit dabei: Dee Dee Bridgewater, Randy Crawford & Joe Sample, Chick Corea, David Sanborn & Bob James, Al Jarreau , João Bosco & Grupo und Take 6.
Während in der Winter-Saison das gängige Klischee von St. Moritz mit Ski-Fahrern, Jet-Set-Prominenz, Luxus und Partyleben bedient wird, geht es in den anderen Monaten vergleichsweise beschaulich zu. Seit 2008 bereichert der umtriebige Festivalgründer Christian Jott Jenny das sommerliche Kulturleben in St. Moritz mit Jazz. Er hat im Schweizer Engadin ein Festival gegründet, das inzwischen zu einem gesellschaftlichen Event hoch oben in den Bergen geworden ist. Angefangen hat das „Festival da Jazz“ mit fünf Konzerten, im vergangenen Jahr waren es bereits fünfzig. Zurzeit findet die sechste Ausgabe statt.
Exklusives Ambiente im „Dracula Club“
Die für das Festival engagierten internationalen Spitzenmusiker sind zwar auch bei anderen Festivals zu erleben – dort allerdings überwiegend in großen Konzerthallen und nicht im intimen Club-Rahmen. Der Pianist Chick Corea gehört zu den diesjährigen Highlights des „Festival da Jazz“. Er hatte schon in einigen Konzerthallen gespielt, bevor er in der dritten Juli-Woche in den „Dracula Club“ auf fast 2.000 Metern Höhe kam. Was für ihn den Unterschied zwischen Konzerthalle und Club ausmacht? „Konzerthallen sind nicht so flexibel wie kleine Clubs“, sagt Chick Corea. Er geht noch weiter und betont, dass Konzerthallen auch nicht für Jazz gemacht sind, sondern für klassische, sinfonische Musik. Jazz ist für ihn keine formelle Sache. Er freut sich, wenn er in einem Club spielen kann wie im „Dracula Club“ in St. Moritz. Corea stellte dort sein Projekt „The Vigil“ in erstklassiger Besetzung vor. Mit dabei waren der Saxofonist und Bassklarinettist Tim Garland, der Gitarrist Charles Altura, der Bassist Christian McBride, der Schlagzeuger Marcus Gilmore und der Perkussionist Luis Quintero.
Vierhändig am Klavier in der Bar des Kulm-Hotels
„In St. Moritz haben wir das beste von beidem“, sagt Chick Corea: „Zum einen die Schweizer Berge und zum anderen Leute, die wirklich am Jazz interessiert sind“.
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Er war nach seinem Konzert so entspannt, dass er sich zu später Stunde im luxuriösen Kulm-Hotel – also dort, wo die Musiker untergebracht sind – zum Bar-Pianisten setzte und mit ihm zusammen vierhändig „Autumn Leaves“ spielte. Sehr zur Freude der anwesenden Mitmusiker, Gäste und Fotografen in der Bar. Festivalmacher Christian Jenny, selbst ausgebildeter Opern-Tenor, weiß, dass die atemberaubende Lage des Ortes zum Gelingen seines Festival beiträgt: „Ich glaube, aufgrund der Reaktionen der Künstler und der Gäste – egal wer es ist – sagen zu können, dass uns die Natur und der Ort hier oben ganz viele Probleme von selbst abnehmen“.
Die Zugfahrt nach St. Moritz durch eine pittoreske Landschaft
Wer sich von Zürich aus mit der Rhätischen Bahn auf den Weg nach St. Moritz begibt, fährt auf einer pittoresken Strecke, die zum UNESCO Welterbe zählt. Viadukte, tiefblaue Seen, mit Schnee bedeckte Berggipfel, Wasserfälle und saftig grüne Wiesen. Mit diesen Bildern eingestimmt kann es mit dem Jazz in einer wunderbaren Umgebung zu Hochgefühlen kommen. Gerade im Sommer. Das weiß auch Christian Jenny. „Wenn jemand sauer in Zürich in den Zug steigt, ist er spätestens nach dieser Zugfahrt hier oben wieder mehr oder minder glücklich. Auch, wenn sie dreieinhalb Stunden dauert“, meint er. „Das merke ich immer wieder bei den Künstlern, wenn sie mal hier sind. Auch bei Chick Corea war das so, der war todmüde aus Italien angekommen, am nächsten Tag ist er um den See gelaufen und hat sich vor den Bergen fotografieren lassen“.
Dracula lebt
Das exklusive Ambiente des „Festival da Jazz“ in St. Moritz kann man sich dank großzügiger Sponsoren leisten. Die Musiker – überwiegend internationale Stars – kommen wegen der Umgebung, wegen der Unterkunft und wegen der Atmosphäre. Jeder der um die 180 Plätze im „Dracula Club“ ist mit ca. 80 Prozent so hoch subventioniert wie die in der Bayerischen Staatsoper, sagt der 34-jährige Festivalchef Christian Jenny. Knapp 100 der Plätze sind an die Geldgeber und Mitglieder der „Amis da Festival da Jazz“ vergeben. Die verbliebenen Plätze sind für jeden zugänglich. Eigentlich nicht viel Platz für den internationalen Jazz-Tourismus, der doch so ausdrücklich erwünscht ist. Hotelier Markus Hauser ist ein großer Jazzfan und einer der Festivalsponsoren. „Während der besten Zeit des Jahres, in der Hochsaison des Sommers, in der wir noch freie Zimmer haben, erhoffen wir uns hier eine Bereicherung und eine bessere Auslastung“, sagt er. „Ich finde es wichtig, dass das Festival in der Hochsaison im Sommer stattfindet und dadurch viele neue Gäste im Engadin anzieht, die wir gut gebrauchen können“. Gäste, die sich die Konzerte im „Dracula Club“ anhören, der allein wegen der Atmosphäre einen Besuch wert ist: Dracula-Bilder, Dracula-Symbole, selbst die Discokugel hat die Form einer Knoblauchknolle, das schummrig-rot-blaue Licht macht Stimmung. Ein großer Kamin bildet das Zentrum des in Holz gehaltenen Clubs, Geruch von verbranntem Holz liegt in der Luft und Vorfreude auf das Konzert des Abends.
Das Festival in St. Moritz – bezahlbar?
Die Ticketpreise für das „Festival Da Jazz“ erscheinen mit 85 Schweizer Franken für die kleineren Acts und 155 Schweizer Franken für die Stars erst einmal sehr hoch. Christian Jenny erzählt vom Beispiel eines ganz durchschnittlichen Besuchers, der für denselben Preis nach St. Moritz gefahren ist und dort übernachtet hat, als wenn er allein ein Konzertticket in Montreux bezahlt hätte. „Also, wenn man nur ein wenig guckt, gibt es auch hier Jugendherbergen, es gibt Drei-Sterne-Hotels, die sehr gut sind, es gibt zwei Sterne-Hotels. Man kann für 40 oder 50 Euro übernachten, aber das Internet muss man selbst anstellen“, sagt Christian Jenny.
"In some high cotton“
Auch der amerikanische Saxofonist David Sanborn hat im Juli beim „Festival da Jazz“ gastiert und zusammen mit dem Pianisten Bob James sein Projekt „Quartette Humaine“ vorgestellt, in dem der Schlagzeuger Steve Gadd und der Bassist James Genus spielen. David Sanborn brachte einen schönen Ausdruck für das luxuriöse Festivalambiente mit: "You’re in some high cotton now“.
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Der umschreibt das Gefühl, im Überfluss schwelgen zu können, während man das aufgrund seines Status eigentlich nicht kann. Wer noch bis zum 11. August zum „Festival da Jazz“ in die Schweizer Alpen reisen möchte, kann in St. Moritz weitere Konzerte mit beispielsweise Al Jarreau (31.08.), João Bosco & Grupo (07.08.) oder Take 6 (10.08.) erleben. Außerdem gibt es kostenlose Spät-Konzerte in der „Sunny Side Bar“ des Kulm-Hotels in St. Moritz oder die Sonntagsmatineen auf der Terrasse des Hauser-Hotels.
„Festival Da Jazz“ im Internet: www.festivaldajazz.ch
Fotonachweis:
Header: (v. l. n. r.) Bob James, David Sanborn, Steve Gadd, James Genus. Foto: Sarah Seidel
Galerie:
01. Plakat des Festivals
02. Chick Corea im Dracula Club, St. Moritz. Foto: Festival da Jazz
03. Yilian Canizares in der Sunny Side Bar. Foto: Sarah Seidel
04. (v. l. n. r.) Hiromi, Anthony Jackson, Steve Smith im Dracula Club. Foto: Sarah Seidel
05. Dracula Club, St. Moritz. Foto: Sarah Seidel
06. Dee Dee Bridgewater. Foto: Festival da Jazz
07. Ausblick vom Piz Nair. Foto: Sarah Seidel
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