Boris Becker? Gemeint ist nicht „Bobbele“ das Tennisidol, der einstige Sieger von Wimbledon. Gemeint ist der in Köln geborene und lebende Fotokünstler, der zunächst Fotografie an der Universität der Künste in Berlin studiert hat, bevor er Anfang der 80iger Jahre an die Kunstakademie Düsseldorf wechselte. Hier gehörte er zu den Studenten von Bernd und Hilla Becher, deren prominenter Meisterschüler er werden sollte.
Ganz in der Tradition der „Becher-Schule“, arbeitete er zu Anfang seiner Laufbahn mit Typologien von Wohngebäuden, Landschaften oder markanten Hochbunkern.
Seine zwischen 1984 und 1990 entstandene Serie „Hochbunker“ wird jetzt in einer Ausstellung in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, in Köln vorgestellt. Fotografiert in über 45 deutschen Städten, wurden die Luftschutz-Bunker als ehemalige Relikte des Zweiten Weltkriegs mehr und mehr in den städtischen Wohnraum integriert, bemalt, individuell umgestaltet und neuen, städtebaulichen Funktionen zugeführt. Im Verlauf der Nachkriegsjahre sind diese Betonklötze als architektonische Tarnungen in Form von Wohnhäusern, Wohntürmen, Scheunen und Kirchen „verschleiert“ worden. Heute sind die baulichen Nutzungen nur noch vereinzelt erkennbar.
Diese optischen Veränderungen der Bunker-Architektur erweckten das Interesse des jungen Fotografen, der sie in seinen Bildern eingefangen hat. Entstanden sind detailgenaue und authentische Momentaufnahmen, die Becker in einer künstlerisch und historisch bedeutenden Bildreihe dokumentiert.
Beckers Serie zeigt überdeutlich die enge Verbundenheit zu Bernd und Hilla Bechers dokumentarischen Schwarz-Weiß-Fotografien von Wassertürmen und Gasbehältern, von Kohlebergwerken oder Eisenhütten. Deren bauliche Sachlichkeit übernimmt er zwar in der eigenen Bunker-Serie, aber anders als bei der skulpturalen Aufnahmetechnik der Bechers – gleiche Standorthöhe, frontale Platzierung in der Bildmitte, trüber Himmel, keine harten Schatten und kein effektvolles, künstliches Licht – wechselt Boris Becker innerhalb seiner Serie den fotografischen Standpunkt und die Perspektive. Nicht die vergleichende Architektur der Bunkertypen ist für ihn relevant, sondern ihre ambivalente gesellschaftliche Funktion. Mittels Schwarz-Weiß-Fotografien und einigen farbigen Aufnahmen lichtet er die Bauten in ihrem städtischen Umfeld ab. Sein fotografischer Blick fängt Straßenzüge und angrenzende Häuser ein, parkende Autos oder Bepflanzungen. Er hält die unterschiedlichen Bauformen fest, Details von Bauornamenten und baulichen Strukturen. Eine bemerkenswerte Farbaufnahme zeigt die poppig-bunt bemalte Bunkerfront, in der Löwenstraße in Hamburg. Allerdings vermeidet er – wie seine Düsseldorfer Lehrmeister – menschliche Anwesenheit in den Bildern.
Im Gegensatz zu den inszenierten Kompositionen von Bernd und Hilla Becher, hat die Hochbunker-Serie ihres Schülers nicht nur eine architektonische, sondern auch eine zeitliche, soziale und gesellschaftliche Komponente. Die Ausstellung belegt zudem, wie Becker im Laufe der Jahre eine eigene Bildsprache entwickelte und sich von dem Vorbild seiner Lehrer löste. Während bei Bernd und Hilla Becher die bildgewordenen Architekturen in einem seriellen Zusammenhang stehen, kann jedes Bild aus der Bunker-Serie von Boris Becker einzeln betrachtet werden. Auch gehört zu jeder Fotografie die Angabe des Ortes, der Straßenname und der Zeitpunkt des Entstehens.
Ein weiteres Kriterium ist, dass der Fotokünstler seine Werke nicht am Computer bearbeitet, sondern die vorgefundene Realität in seine Bilder mit einbezieht. Er fügt keine Fotos durch digitale Manipulation zu einem neuen Bild zusammen, entfernt keine Details oder Inhalte aus den Aufnahmen, die seine kompositorische oder fotografische Wiedergabe in Frage stellen. Anders als seine berühmten Düsseldorfer Kollegen, Thomas Struth, Thomas Ruff und Andreas Gursky sowie Candida Höfer, macht Becker seine Fotos nur bei Tageslicht, ohne künstliches Licht, ohne jegliche Schattenbildung, um die Objektivität der Fotobilder zu gewährleisten.
Schöne Beispiele für diese realistische Fotokunst sind der Bunker in Düsseldorf, Mündrathweg, der eine Scheunenarchitektur übergestülpt bekommen hat oder der fensterlose Hamburger Bunker in der Marckmannstraße. An einen mittelalterlichen Burgturm erinnert dagegen der in Bremen am Hauptbahnhof stehende Hochbunker oder der 1942 im Stadtzentrum von Trier, Am Augustinerhof, errichtete Bunkerturm.
Die Kölner Ausstellung ist eine stilistisch nüchterne Fotoserie, die eine beeindruckende Vielfalt von Hochbunkern aus dem Zweiten Weltkrieg dokumentiert.
„Hochbunker. Photographien von Architekturen und Artefakten.“
Die Schau in der Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln, Im Mediapark 7, 50670 Köln, ist bis zum 9. Februar 2020 zu besichtigen.Die Öffnungszeiten sind täglich außer mittwochs von 14 bis 19 Uhr.
Weitere Informationen
Abbildungsnachweis:
Header: Blick in die Ausstellung „Boris Becker - Hochbunker. Photographien von Architekturen und Artefakten“, in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln; Foto: Janet Sinica, © Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, 2019
Galerie: © Boris Becker; VG Bild-Kunst, Bonn, 2019
01. Blick in die Ausstellung „Boris Becker - Hochbunker. Photographien von Architekturen und Artefakten“, in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln; Foto: Janet Sinica, © Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, 2019
02. Bunker, Kassel, Gräfestraße, 1986
03. Boris Becker: Bunker, Düsseldorf, Mündrathweg, 1985
04. Bunker, Hamburg, Marckmannstraße, 1986
05. Bunker, Hannover, Anderter Straße, 1988
06. Bunker, Hamburg, Löwenstraße, 1987
07. Kurmuschel, 2014
08. Bunker, Bremen Hardenbergstraße, 1987
09. Bunker, Leverkusen, Karlstraße, 1987
10. Bunker, Berlin, Pallasstraße, 1987
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