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Kant befand sich in einem philosophiehistorisch vermittelten Dreifachdilemma.

Das erste Dilemma ist das einer Ontologie, die aus reinen Begriffen Probleme zu lösen sich anschickte, die aus reinen Begriffen, so Kant, unlösbar sind. Bestenfalls liefert diese – metaphysische – Ontologie Begriffserläuterungen, indem sie, je nach vorweg eingenommenem Standpunkt, verkündet, was sie sich beispielsweise unter dem Begriff der Unendlichkeit, Gottes etc. zu denken vorgenommen hat. Und liefert nichts weiter als Leerformeln, indem von Gott unter anderem seine Allweisheit, Allgüte, Allgegenwart etc. prädiziert wird. Derart zugespitzte Abstraktionen – das steckt bereits in dem Präfix All drin – sagen, ihrer Unbedingtheit wegen, schlechterdings nichts Bestimmtes aus. Wer das Unbedingte oder Absolute prädiziert, prädiziert nichts. Ein Alles ist so wenig wie ein Nichts.

 
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Musikgeschichtliches Zwischenspiel: Der Wandel der Sinfonik im 19. Jahrhundert

Endgültig im Zentrum des musikalischen Schaffens steht die Sin­fonie seit Ludwig van Beethoven (1770-1827). Den Abschluss bildet Gustav Mahler (1860-1911). Zunächst hatte die Sinfonie, ähnlich wie die Ouvertüre, bei Konzerten den Stellenwert einer Einleitung. Mit den letzten drei Sinfonien Mozarts (1756-1791) beginnt die klas­sische Zeit der Sinfonien. Zentren sinfonischen Schaffens waren Mannheim und Wien. Die Norm der Viersätzigkeit setzte sich durch: Schneller Satz (Allegro), Langsamer Satz (Andante, Adagio), Menuett mit Trio, Schneller Satz (Finale). Nach diesem Muster komponierte bereits Haydn (1732-1809), ab ca. 1770 auch Mozart und schließlich vor allem Beethoven. Allerdings erreichte die Durchführung des 1. Satzes der fünften Sinfonie Beethovens eine motivisch-thematische Konzentration und Steigerung der Ausdrucksgewalt, die die Sinfonien Mozarts und Haydns weit überragte. Insgesamt charakteristisch für Beethovens Sinfonien sind drei Ge­sichtspunkte. 1. Musikalische Themen erfahren eine sich aus ihrer Anlage sinnfällig sich entfaltende Entwicklung; 2. Erweiterung der Ausdrucksfähigkeit des Orchesters; 3. Die Sätze werden nach Prin­zipien des motivischen Zusammenhangs geordnet.

 
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Wahlverwandtschaften

 
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Weil ich keiner falschen Erwartungshaltung Vorschub leisten will, präzisiere ich: Das Einst in der Überschrift bezieht sich auf die längst vergangenen Tage meiner Jugend- und Studienzeit. Als ich, Mitte der Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, das Studium der Philosophie und Germanistik an der FU Berlin aufgenommen habe. Zu einer Zeit also, als die Stadt noch geteilt war. Das Jetzt hat einen ganz konkreten Anlass: Meine in Leipzig Kulturwissenschaft studierende Tochter hat in Leipzigs unabhängiger Hochschulzeitung, kurz Luhze, einen Artikel veröffentlicht über das seit Oktober 2018 existierende Reclam-Museum.

 
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1. Mattes und wenig bedeutendes Denken faßt sich selten kurz. (…) Es muß dauernd um die Sache herumgehen, weil es die Sache (…) nicht trifft (…). Je länger das Geschwätz, desto dünner der Sinn (…). Dagegen gehört es zu einem großen Gedanken, daß er nötigenfalls größte Kürze verträgt, ja zu ihr besonders fähig ist. Der schlimmste Tag im Leben eines ungezielten, unnotwendigen (…) Denkers mag es sein, auf einer halben Seite sagen zu müssen (…), was er zustande gebracht hat. Da brechen die Verzierungen ab, da zeigt sich: zum Lakonischen gehört Mark.“

Bereits „der einzige Satz: Erkenne dich selbst“, macht „ein wichtiges Stück Hegel kenntlich (…).“ (Ernst Bloch, Subjekt-Objekt. Erläuterungen zu Hegel, st 12. 1972, S. 32)

 
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„Überhaupt mache ich die Anforderung, daß, wer sich mit meiner Philosophie bekanntmachen will, jede Zeile von mir lese. Denn ich bin kein Vielschreiber, kein Kompendienfabrikant, kein Honorarverdiener, keiner, der mit seinen Schriften nach dem Beifall eines Ministers zielt – mit einem Worte, keiner, dessen Feder unter dem Einfluß persönlicher Zwecke steht: ich strebe nichts an als die Wahrheit und schreibe, wie die Alten schrieben, in der alleinigen Absicht, meine Gedanken der Aufbewahrung zu übergeben, damit sie einst denen zugute kommen, die ihnen nachzudenken und sie zu schätzen verstehn (sic!).“

(Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung II, stw., 1986, S. 589)

 
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Ein Hauptwerk selbst zu erläutern, kann zumindest drei Gründe haben. Zum einen, wie im Falle Kants mit seinen Prolegomena, ist die Absicht die, einem eklatanten Missverständnis oder Nichtverstehen der Kritik der reinen Vernunft entgegenzuwirken. Zum anderen, wie im Falle Johann Gottlieb Fichtes mit seiner mehrmaligen Neu- und Überarbeitung der Wissenschaftslehre, mag ein systematisches Ungenügen hinsichtlich des jeweils Erreichten und doch noch nicht für wirklich adäquat Befundenen vorliegen.

Und schließlich ist, was auf Schopenhauer zutrifft, das Leiden unter einer flächendeckenden Nichtbeachtung ausschlaggebend dafür, dass der Versuch unternommen wird, per Selbstverdoppelung die Aufmerksamkeit zu erzwingen, von der dieser Philosoph zeitlebens überzeugt gewesen ist, dass sie ihm ganz und gar zu Unrecht vor allem von auf seine Leistung neidischen Universitätsphilosophen vorenthalten worden ist. Man habe ihn durch ein Ignorieren in den Orkus des Vergessenseins transferieren wollen, weil sonst zu befürchten gestanden hätte, dass die eigenen vergleichsweise mediokren Leistungen vor seiner geistigen Großtat als vernachlässigenswert dagestanden hätten.

 
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Imperfekt, Perfekt, Präsens, Futur I und II. Diese unterschiedlichen Zeitformen impliziert das Wort Verschwundensein. Und sie alle sind mit angedacht und thematisiert in dem 2016 in die Kinos gekommenen Film „Paula – Mein Leben soll ein Fest sein".
Die schweizerische Schauspielerin Carla Juri verkörpert in diesem emotional grandios auslotenden Film die im Alter von 31 Jahren verstorbene expressionistisch-naiv-naturalistische (ich charakterisiere sie auf diese kunsthistorisch etwas aus dem Rahmen fallende Weise) Malerin Paula Modersohn-Becker.

 
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Gemeinhin wird ein Genie dafür angesehen, dass es sich weit über ein wie auch immer festzulegendes Normalmaß hinausbegeben hat. Genauer: Es ist das zum Grenzübertritt willenlos Getriebene, dem sich zu widersetzen ausgeschlossen ist.

Etwas Monströses und ungebunden Halsbrecherisches, grade so wie eine unkontrolliert hereinbrechende Naturgewalt, scheinen die unverzichtbaren Ingredienzien eines von der Mitwelt mit Ehrfurcht angestaunten Ausnahmemenschen zu sein. So dass dem Genie das dynamische Erhaben-Sein wesentlich zuzurechnen ist.

 
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Schopenhauer und unbekannt?! Das passt, denken der Kenner und der gebildete Laie (generisches masculinum), nicht zusammen. Jedenfalls nicht für dieses und das letzte Jahrhundert. Denn zu Lebzeiten ist es um den Bekanntheitsgrad des pessimistischen Querdenkers nicht wirklich gut bestellt gewesen.

Der Quengler, Miesepeter und Misanthrop lebte über Jahrzehnte hinweg in geistig-intellektueller Isolation. Beherrschte das Unbeherrschtsein – die frustrierte Reaktion eines in seiner Bedeutsamkeit nicht erkannten philosophischen Bahnbrechers – wie kein zweiter seiner Zeitgenossen.

 
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So auch, wenn auch ganz anders, in der Mathematik. Der Physik. Oder der Chemie.

Kurz, in allen naturwissenschaftlichen Fächern. Gut. Grundlagenkenntnisse sind hier wie sonst unverzichtbar. Axiomatik, Dimensionenlehre, Protonen- und Neu­tronenzahlen, Kernbausteine, Anzahl der diversen Elektronen auf den Scha­len.

 
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Einstein liest Nietzsche… Bitte?! Die Nietzschephilologen und -forscher greifen sich an den Kopf. „Worauf soll das hier hinaus?“, mögen sie sich fragen. Das Inkommensurable kommensurabel zu machen, mag in der Mathematik ja noch hingehen.

Wenngleich…

 

Doch das steht auf einem anderen Blatt. Aber wenn behauptet wird, der Genius der theoretischen Physik habe den unzeitgemäßen Kultur- und Geschichtskritiker auch nur flüchtig zur Kenntnis genommen, sich gar ernsthaft mit ihm beschäftigt… Also nein! Wir lassen uns doch nicht verhohnepipeln, und das geht entschieden zu weit! Unwilliges Kopf- und selbst Fäusteschütteln macht sich breit. Unverhohlen ärgerliches Gemurmel erfüllt den Raum. Der Sturm der Entrüstung ist kurz davor loszubrechen.

 
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Die Geschichte ist schnell erzählt. Eine junge Frau aus einem Vorstadtwohnghetto in Stockholm, eine dem Alkohol verfallene Mutter und ein Freund, der in seiner treuherzigen Liebe und unbeholfenen Zuneigung zu der unter Aggressionsschüben leidenden 20jährigen anrührend wirkt – stets bemüht und stets überfordert – bilden den Lebenshintergrund eines Dahinvegetierens ohne jede vertretbare Perspektive.

 

Das ganz normale Leben in der Tristesse des städtebaulichen Verfalls und der Verwahrlosung, wie es heute am Rand der Ballungszentren weltweit längst Standard ist. Die typische No-Future-Generation. Zu der auch diese Katarina gehört.

 
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„Denn ausnahmslos bewährt sich jenes Unglück, daß alles verrostet werden kann mit betriebsamer Interessantheit, sich anpreisender Mode und ästhetischer Geschmäcklerei. Entgiftet, entspannt, vernichtet wird in dieser Zeit besonders gern durch Lob, das ist eine ausgezeichnete Taktik, wobei solche Bücher wie der Geist der Utopie, oder Das Prinzip Hoffnung (…) selbstverständlich keine Ausnahme darstellen können.“

(Gespräche mit Ernst Bloch, edition Suhrkamp, S. 164f.)