„Überhaupt mache ich die Anforderung, daß, wer sich mit meiner Philosophie bekanntmachen will, jede Zeile von mir lese. Denn ich bin kein Vielschreiber, kein Kompendienfabrikant, kein Honorarverdiener, keiner, der mit seinen Schriften nach dem Beifall eines Ministers zielt – mit einem Worte, keiner, dessen Feder unter dem Einfluß persönlicher Zwecke steht: ich strebe nichts an als die Wahrheit und schreibe, wie die Alten schrieben, in der alleinigen Absicht, meine Gedanken der Aufbewahrung zu übergeben, damit sie einst denen zugute kommen, die ihnen nachzudenken und sie zu schätzen verstehn (sic!).“
(Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung II, stw., 1986, S. 589)
Es ist ein merkwürdig Ding um die erläuternden Ergänzungen des zweiten Bandes. Es stellt sich nämlich heraus, dass, aller Wiederholungen der Kernaussagen der vier Bücher zum Trotz, sich auf diesen gut 800 Seiten Einsichten zusammenfinden, die, ihrer Pfiffigkeit wegen, den Vergleich mit dem Hauptwerk nicht nur aushalten, sondern dieses tatsächlich unter dem Gesichtspunkt des Geistreichen in den Schatten stellen.
Es gilt zu bedenken, dass Schopenhauer, wenn er beispielsweise über das Charakteristische des Genialen sich auslässt, natürlich nicht zuletzt auch von Eitelkeit nicht ganz freizusprechende Selbstaussagen tätigt. Diese Art der mehr als lediglich subkutanen Selbstcharakterisierung, die in ihrem Kern im übrigen auf eine Selbstentsagung hinausläuft, bezieht daraus ihre Legitimation, dass der schrullige Eigenbrötler sich in die Einsamkeit (vgl. u.a. a.a.O., S. 503), die für sein gesamtes Leben charakteristisch gewesen ist, ganz bestimmt nicht nur aus freien Stücken zurückgezogen und dort eingehaust hat. Eine seiner vielen über das Werk ausgestreuten Confessiones hebt auf das typisch Abnorme all derer ab, die es sich im Leben nicht leicht machen, die, wie Goethe, ewig in ihrem der Tätigkeit geweihten Leben den verfluchten und doch letztlich als unentbehrlich empfundenen Stein wälzen. Deren „wahrer Ernst nicht im Persönlichen und Praktischen, sondern im Objektiven und Theoretischen liegt, imstande, das Wesentliche der Dinge und der Welt, also die höchsten Wahrheiten aufzufassen und in irgendeiner Art und Weise wiederzugeben. (…) Einem solchen Menschen ist sein Bilden, Dichten oder Denken Zweck, den übrigen ist es Mittel. Diese suchen dabei ihre Sache und wissen in der Regel sie wohl zu fördern, da sie sich den Zeitgenossen anschmiegen, bereit, den Bedürfnissen und Launen derselben zu dienen: daher leben sie meistens in glücklichen Umständen; jener oft in sehr elenden. Denn sein persönliches Wohl opfert er dem objektiven Zweck: er kann eben nicht anders; weil dort sein Ernst liegt. Sie halten es umgekehrt: darum sind sie klein; er aber ist groß. Demgemäß ist sein Werk für alle Zeiten, aber die Anerkennung desselben fängt meistens erst bei der Nachwelt an; sie leben und sterben mit ihrer Zeit. Groß überhaupt ist nur der, welcher bei seinem Wirken (dieses sei nun ein praktisches oder ein theoretisches) nicht seine Sache sucht; sondern allein einen objektiven Zweck verfolgt.“ (A.a.O., S. 496)
Auf die Freiheit des Willens war Schopenhauer nicht nur schlecht zu sprechen, sondern er hielt diese Wortzusammenstellung für einen in der Sache begründeten Aberwitz. Weil der Wille in seiner völligen Bewusstlosigkeit des drang- und qualvollen Treibens weder Zweck noch Ziel, nicht Maß noch Raum, Zeit oder Kausalität kennt. Die einzig in der Vorstellungswelt den freilich im Kern irrelevanten Motivations-Takt an- und vorgeben. Sondern, einem Katarakt gleich, sich unaufhaltsam in seinem haltlos-wüsten Fallen in der Maß- und Gestaltlosigkeit der Aeternitas unentwegt selbst gebiert und verschlingt; im Sich-Verschlingen sich gebiert, im Sich-Gebären sich verschlingt.
Dennoch, auch Schopenhauer wusste um die Freiheit einer gegen jeglichen Zwang gerichteten „Bildung“. Und wie auch nicht?! Wem es, wie dem ‚Genie-Zitat‘ zu entnehmen ist, in seinem unentwegten Streben um einen objektiven Zweck zu tun ist, der verabscheut instinktiv jeglichen Zwang und jedes Gängelband. Wie es auch von seinem unmittelbaren Schüler Nietzsche in Selbstzeugnissen überliefert ist, der den militärischen Drill von Schulpforta als die drückendste Last seiner Jugend, kaum dass er dieser unsäglichen Zwangsanstalt entronnen war, von sich schleuderte. Nietzsche und übrigens auch Einstein (von dem im übrigen dieser Satz stammen könnte: „Die Quelle des Übels ist, daß durch die viele Handarbeit des Experimentierens die Kopfarbeit des Denkens aus der Übung gekommen ist“. (A.a.O., S. 409)), die Tübinger Stiftler Hegel, Hölderlin und Schelling und manch anderer, hätten dem folgenden Bekenntnis zu wahrer Bildung ganz sicher zugestimmt, die sich nicht zuletzt dadurch definiert, dass sie sich jeglichem externen Zwang auf Biegen und Brechen entgegenstemmt. „Eigentliche Bildung, bei welcher Erkenntnis und Urteil Hand in Hand gehen, kann nur wenigen zugewandt werden, und noch wenigere sind fähig, sie aufzunehmen. Für den großen Haufen tritt überall an ihre Stelle eine Art Abrichtung; sie wird bewerkstelligt durch Beispiel, Gewohnheit und sehr frühzeitiges, festes Einprägen gewisser Begriffe, ehe irgend Erfahrung, Verstand und Urteilskraft dawären (sic!), das Werk zu stören. So werden Gedanken eingeimpft, die nachher so fest und durch keine Belehrung zu erschüttern haften, als wären sie angeboren, wofür sie auch oft, selbst von Philosophen, angesehn (sic!) worden sind.“ (A.a.O., S. 94; vgl. ebenso 108) Denn „der Geist ist seiner Natur nach ein Freier, kein Frönling: nur, was er von selbst und gern tut, gerät. Hingegen erzwungene Anstrengung eines Kopfes zu Studien, denen er nicht gewachsen ist oder wann (sic!) er müde geworden (…), stumpft das Gehirn so ab wie Lesen im Mondschein die Augen.“ (A.a.O., S. 106f.; vgl. ebenso 120f., 241)
Musterschüler also? Nein, nichts weniger als das! Sondern die Rede ist von selbstbewussten Störenfrieden, die ihren Ehrgeiz in alles andere setzen, nur nicht dahinein, die von ihnen erwarteten, beziehungsweise erzwungenen Leistungen zu erbringen. Konformität ist das kompromisslos zu Bekämpfende. Freilich, wer stets gegen den Strom schwimmt, kann scheitern. Oder aber ihm gelingt es, ein Werk zu errichten, das den Maßstäben des schulisch Erlaubten und Verpflichtenden Hohn spricht. Des schulisch Erlaubten allein? Nein, denn auch an den Universitäten hat Schopenhauer deren eigentlichen Zweck darin dingfest gemacht, „den Studenten im tiefsten Grunde ihres Denkens diejenige Geistesrichtung zu geben, welche das die Professuren besetzende Ministerium seinen Absichten angemessen hält.“ (A.a.O., S. 211) Noch Nietzsche übrigens schmunzelte in kaum verhohlenem Ärger bei dem Gedanken an die ‚in ihren Staat vergnügten Universitätsprofessoren‘. – Und was hat es, erneut, mit sogenannten Musterschülern – den geistig besonders Anstelligen –, also der Elite in spe, auf sich? „Keineswegs aber lassen sich (…) aus den im Knaben sich zeigenden intellektuellen Fähigkeiten die künftigen prognostizieren: vielmehr werden die ingenia praecocia, die Wunderkinder, in der Regel (nicht zuletzt ihrer bieder-braven Anstelligkeit wegen, F.-P.H.) Flachköpfe; das Genie hingegen ist in der Kindheit oft von langsamen Begriffen und faßt schwer, eben weil es tief faßt.“ (A.a.O., S. 304)
Goethe sprach bekanntlich von der Pressfrechheit. Was damals noch keinen Sturm der Entrüstung zur Folge hatte. Und auch Schopenhauer hat ein gutes Argument parat, wenn er sich gegen den Journalismus, der damals freilich noch nicht so sensationslüstern, unbarmherzig-investigativ und anmaßend denunziativ gewesen ist zu Wort meldet. Und in diesen und einigen anderen unappetitlichen und unentwegt in die Tat umgesetzten Berufsbildcharakteristika nicht nur nicht auf angewiderte Ablehnung stößt, sondern exakt aus diesen Gründen Leser (generisches masculinum hier wie auch sonst) ohne Zahl an sich bindet. „Wer keiner neuen Gedanken fähig ist, will wenigstens neue Worte zu Markte bringen, und jeder Tintenkleckser hält sich berufen, die Sprache zu verbessern. Am unverschämtesten treiben es die Zeitungsschreiber, und da ihre Blätter vermöge der Trivialität ihres Inhalts das allergrößte Publikum, ja ein solches haben, das größtenteils nichts anderes liest; so droht durch sie der Sprache (und folglich den Gedanken, F.-P.H.) große Gefahr…“ (A.a.O., S. 163)
Eine Gefahr schließlich liegt auch darin, dass all Diejenigen, die sich im ‚Gänsetrott der Phrase‘, also dem unentwegten Wiederkäuen des öffentlich-rechtlich Vorgekauten, eingerichtet haben, gegen alle „Widerlegungen sanktionierter Irrtümer“ immunisiert sind. Denn „nicht leicht wird einer die Richtigkeit dessen einsehn (sic!), was ihn unglaublicher Gedankenlosigkeit überführt“. (A.a.O., S. 281f.) Darüber hinaus, nichts „ist verdrießlicher, als wenn man, mit Gründen und Auseinandersetzungen gegen einen Menschen streitend, sich alle Mühe gibt, ihn zu überzeugen, in der Meinung, es bloß mit seinem Verstande zu tun zu haben – und nun endlich entdeckt, daß er nicht verstehn (sic!) will; daß man also es mit seinem Willen zu tun hatte, welcher sich der Wahrheit verschließt und mutwillig Mißverständnisse, Schikanen und Sophismen ins Feld stellt, sich hinter seinem Verstande und dessen vorgeblichem Nichteinsehn (sic!) verschanzend. Da ist ihm freilich so nicht beizukommen.“ (A.a.O., S. 291f.)
Oder der, ein anderes Beispiel aus derselben Rubrik, eine Behauptung aufstellt und im selben Atemzug versichert, dass er sie für über jeden Zweifel erhaben, also für unumstößlich gewiss hält. Weil er sich dadurch von jeglicher Diskussion absolviert hat, ist es absolut überflüssig, diese Meinung überhaupt von sich gegeben zu haben. Denn: wem sagt er dies? In Wahrheit doch lediglich sich selbst im Sinne einer doktrinären Selbstbestätigung, die sich a priori von jedem Argument freigesprochen hat. Und sich der Gefahr einer argumentativen Widerlegung auf gar keinen Fall stellen oder aussetzen will. Es ist so, weil (!?) es so ist. Mehr ist nicht gesagt. Und dieses Nichts eines (Nicht-) Gesagten hätte man seinem Nicht-Gesprächspartner dann auch ersparen können … Weil ein Gespräch, ein Abgleich der Argumente, nie intendiert war, sondern zu einem in jederlei Hinsicht Überflüssigen per Dekret inthronisiert worden ist. Denn was ist selbstverständlicher als das, das mir das Selbstverständlichste überhaupt ist?! Nur, noch einmal kurz und bündig so repliziert: wen interessiert das?
Schopenhauer seinerseits repliziert auf das argumentlos-parteiliche Sich-Zurückziehen-auf-sich-selbst – ein praktisch motivierter theoretischer Schmollwinkel – wie folgt: „Was unserer Partei, unserm Plane, unserm Wunsche, unserer Hoffnung entgegensteht, können (und wollen, F.-P.H.) wir oft gar nicht fassen und begreifen, während es allen andern klar vorliegt: das jenen Günstige hingegen springt uns von ferne in die Augen. Was dem Herzen widerstrebt, läßt der Kopf nicht ein. Manche Irrtümer halten wir unser Leben hindurch fest und hüten uns, jemals ihren Grund zu prüfen, bloß aus einer uns selber unbewußten Furcht, die Entdeckung machen zu können, daß wir so lange und so oft das Falsche geglaubt und behauptet haben. – So wird denn täglich unser Intellekt durch die Gaukeleien der Neigung betört und bestochen.“ (A.a.O., S. 281)
Frankfurt am Main, Wallanlagen/Obermainanlage: Das Schopenhauer-Denkmal wurde im Jahr 1895 nach einem Entwurf des Frankfurter Bildhauers Friedrich Schierholz (1840-1894) geschaffen. Es erinnert an den deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer (1788-1860), der von 1833 bis zu seinem Tod in Frankfurt gelebt hatte. Das Denkmal besteht aus einem etwa zwei Meter hohen, rechteckigen Sockel aus anthrazitfarbenem Granit mit eingemeißeltem Schopenhauer-Namensschriftzug auf der Vorderseite, auf dem Sockel eine über-lebensgroße Bronzebüste des Philosophen. Foto: Frank Behnsen / GNU/CC3.0 (verfremdet und addiert mit Signatur)
Für Menschen, die sich in ihren neigungsunterlegten, jeder argumentativen Überprüfung standhaltenden, bzw. sich ihr stur widersetzenden Vorurteilen eingerichtet haben, ist darüber hinaus charakteristisch, dass sie, ihrer habituell gewordenen engstirnigen Gedankenlosigkeit halber, die Gegenwart eines denkenden Intellekts nicht aushalten. „Weshalb Lichtenberg ganz richtig bemerkt: ‚Gewissen Menschen ist ein Mann von Kopf ein fataleres Geschöpf als der deklarierteste Schurke‘ (…); dementsprechend sagt Helvétius: Mittelmäßige Menschen haben einen sicheren und hurtigen Instinkt, Leute von Geist herauszufinden und zu meiden. (…) Dieserhalb also isoliert große geistige Überlegenheit mehr als alles andere und macht wenigstens im stillen verhaßt.“ (A.a.O., S. 294f.; vgl. ebenso 547) Woraus außerdem die Retourkutsche folgt: „Jeder wählt, durch einen geheimen Zug bewogen, zu seinem nähern Umgange am liebsten jemanden, dem er an Verstande ein wenig überlegen ist: denn nur bei diesem fühlt er sich behaglich.“ (A.a.O., S. 294)
Wem das Behagliche des gedanklichen Ruhekissens aber kein erstrebenswertes Ziel ist, und zu denen hat sich Schopenhauer ganz eindeutig und wie selbstverständlich gerechnet, der sucht sich eine andere Gesellschaft und nicht immer bloß diejenige, die ihn unentwegt darin bestätigt, auf jeden Fall das Konvenable zu tun, wenn er im Gänsetrott der Phrase zum Wiederkäuer gangbarer, gängiger, weithin verbreiteter scheinbarer Selbstverständlichkeiten und des Sich-von-selbst-Verstehenden aus konform-affirmativer Engstirnigkeit geworden ist. Denn leider gilt, dass nur derjenige, „wer selbst viel Geist hat, (…) den Geistreichen zu seiner Gesellschaft wünschen“ wird. (A.a.O., S. 300) All diejenigen aber, denen „das Denken (…) unerträglich“ ist, gleichen denen, die für „das Heben einer Last“ einen zu „schwachen Arm“ haben: „daher beide eilen niederzusetzen“. (A.a.O., S. 377)
Ein letztes Beispiel für eine sich in Vorurteilen einnistende Armut des Gedankens ist das Aushecken von Methoden, und zwar vor jeder Befassung mit irgendwelchen Gegenständen. Umgekehrt, man denkt sich beliebig eine Herangehensweise aus und traktiert mit dieser anschließend dann die vermeintlich zur Untersuchung vorliegende Sache. Kenntlich sind diese zirkulären Produkte der gedanklichen Selbstexplikation des vor jeder Befassung Explizierten unter anderem daran, dass in der Überschrift mit der Konjunktion als operiert wird: Die Politik als Ringen um Kompromisse; Sport als Vorbildfunktion; E-Mobilität als Selbstfindung (als die sie in den Werbesequenzen der Automobilindustrie bar jeden Realbezuges präsentiert wird) usw.
Dabei hat bereits Kant gewusst, dass Methodenüberlegungen allenfalls am Ende, also im Anschluss an eine gedankliche Verarbeitung von irgendwas, einen halbwegs nachvollziehbaren Sinn machen. Dann freilich genau genommen auch unterbleiben können, weil sich die sachkonforme Methode in ihrer Sachkonformität ja bereits im argumentativen Verlauf bestätigt hat. Vor der Untersuchung aber sich unter der Vielfalt möglicher Methoden eine, ganz nach Belieben, auszusuchen oder womöglich – was an den Universitäten, als die Leistung schlechthin des akademischen Nachwuchses, in allerhöchstem Ansehen steht – eine neue, noch nie dagewesene, auszuhecken, ist für den schlauen Fuchs vom Königsberge eine gedankliche Monstrosität unter anderem auch deswegen gewesen, weil die Form der Untersuchung von ihrem jeweiligen (Nicht-) Gegenstand getrennt gehalten wird. Was im Umkehrschluss zweierlei bedeutet: Sie ist ihm fremd, und er kommt nur als ihr von vornherein Angepasster, folglich gar nicht oder lediglich als verfälschter, in Betracht.
Was, und unter anderem darin ist Schopenhauer tatsächlich das, wofür er sich dann immer wieder auch irrtümlicher Weise gehalten hat, ein hundertprozentiger Kantianer, sich bei dem Frankfurter Eremiten dann launigerweise so liest: „Wollte ein Philosoph damit anfangen, die Methode, nach der er philosophieren will, sich auszudenken; so gliche er einem Dichter, der zuerst sich eine Ästhetik schriebe, um sodann nach dieser zu dichten (Gottsched ist ja, wie bekannt, exakt so vorgegangen, F.-P.H.) (…): Regel und Anwendung (hingegen, F.-P.H.), Methode und Leistung müssen wie Materie und Form unzertrennlich auftreten. Aber nachdem man angelangt ist, mag man (wie bei Kant in seinen drei Kritiken, vor allem jedoch in der Kritik der reinen Vernunft, geschehen, F.-P.H.) den zurückgelegten Weg betrachten. Ästhetik und Methodologie sind ihrer Natur nach jünger als Poesie und Philosophie; wie die Grammatik jünger ist als die Sprache, der Generalbaß jünger als die Musik, die Logik jünger als das Denken.“ (A.a.O., S. 158; vgl. ebenso 181)
Formallogiker und Wissenschaftstheoretiker sehen das freilich bis auf den heutigen Tag genau andersherum, wenn sie der Meinung anhängen, ohne ihre Apriori-Konstruktionen sei wissenschaftliches Forschen ein Ding der Unmöglichkeit. Da es sich doch genau umgekehrt verhält: Mit ihren vorurteilsschweren Konstruktionen verunmöglichen sie aus Prinzip jegliche Form wissenschaftlicher Arbeit.
Denn was ist das Charakteristikum wissenschaftlichen Arbeitens? Ich erteile, diesen Vierteiler beschließend, Schopenhauer das Wort: „Aber da kommt die Wissenschaft: sie sondert das unzählbar Viele aus, sammelt es unter Artbegriffe und diese wieder unter Gattungsbegriffe, wodurch sie den Weg zu einer Erkenntnis des Allgemeinen und (!, F.-P.H.) des Besonderen eröffnet, welche auch das unzählbare Einzelne befaßt, indem sie von allem gilt, ohne daß man jegliches für sich zu betrachten habe (!, F.-P.H.).“ (A.a.O., S. 563) Dieser Satz – Achtung Ironie! – könnte auch von dem Antipoden Schopenhauers, also von Hegel, zu Papier gebracht worden sein…
Lesen Sie: Der unbekannte Schopenhauer. Teil 1 / Teil 2 / Teil 3
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