Was passiert, wenn sich befreundete Musiker abseits der üblichen Tour-Routine begegnen? Das European Guitar Quartet ist ein gutes Beispiel dafür: Zwei jeweils befreundete Musiker, keiner hatte zuvor mit dem anderen gespielt.
Aus einer Laune heraus entstand bei einem langen Festival-Ausklang die Idee eines Trios, das bald zum Quartett werden sollte. Es ist ein Herzensprojekt, um die Freundschaft auch musikalisch zu füllen – und nicht zuletzt, um einen Grund für die nicht enden wollenden gemeinsamen Abende zu haben.
Die „Geburt eines neuen strahlenden Sterns am Konzerthimmel“ schrieben die Dresdner Neueste Nachrichten nach dem Debüt-Konzert des European Guitar Quartet im Frühjahr 2012. Es folgten das Album Danza im Mai 2014 und mehr als sechzig Konzerte in siebzehn Ländern über die nächsten Jahre, darunter in bedeutenden Spielstätten wie dem Concertgebouw Amsterdam, der Kaufmann Concert Hall in New York und der Tschaikowski Hall in Moskau, sowie bei Festivals wie dem Bergen Music Festival (N), dem Ravinia Festival Chicago (USA), dem Monterrey Guitar Festival (MEX) oder der Calcutta Central Hall in Indien.
Zehn Jahre nach dem letzten Album veröffentlichen die vier vielbeschäftigten Gitarristen Zoran Dukic aus Kroatien, Pavel Steidl aus Tschechien, sowie Thomas Fellow und Reentko Dirks aus Deutschland am 25.10.2024 ein zweites Album. Es trägt den mehrdeutigen Namen „Fourtune“, in dem das Quartett mit Facetten von „Vierklang“, „Glück“ und musikalischem „Reichtum“ spielt. Auch an die vier charakterlich unterschiedlichen Musketiere muss man unweigerlich denken, wenn die Musiker, ohne Kompromisse zu machen und mit ‚beaucoup de fortune‘ die Musik von Frank Zappa und Harry Belafonte in abgedrehte Konzertmusik verwandeln und dabei vergessen machen, dass es sich um Musik auf klassischen Instrumenten handelt.
Stets mit einem verschmitzten Grinsen ob der gewollten Überraschungen und Wendungen in ihrer Musik und der puren Freude, wenn sie eine ihrer seltenen musikalischen Begegnungen zelebrieren können, gehen die vier ihrer selbstgesetzten Aufgabe nach, die konzertante Tradition des Instruments mit den expressiven, dynamischen Klängen der Moderne zu verbinden. Ein Gipfeltreffen der Gitarrenmusik, bei dem zwei Legenden der klassischen Gitarre und zwei Fingerstyle-Virtuosen Grenzen überschreiten und aufheben.
So wirbeln die musikalischen Charakterköpfe in erstaunlicher Eintracht durch die insgesamt elf Tracks des Albums, welche unterschiedlicher kaum sein könnten. Es gibt betörend hingebungsvolle Klänge in „Porthos“, die geballte Energie von 24 Saiten bei Zappas „Father O‘Blivion“ und Sternenklang im „Choral de uma nota“.
Originalkompositionen kamen von Carlo Domeniconi, Pavel Steidl („Pictures of Moravia“), Reentko Dirks („Fuga non Fuga“) und von Thomas Fellow, der sich nach einer längeren Tournee mit den anderen drei durch die USA und Indien so einsam ohne sie fühlte, dass er jedem, inklusive sich selbst, ein Stück schrieb. Da die „Vier Jahreszeiten“ schon vergeben waren, blieben die drei Musketiere plus D’Artagnan, ergänzt durch eine Tarantella, die unter den besonderen Umständen ihrer Entstehung hier „Coronella“ heißt.
In den letzten Zügen des Albums kam noch eine Partitur ins Haus geflattert, die zunächst hauptsächlich Stirnrunzeln hervorrief. Wo findet man schon als Spielanweisung etwas wie: „die einzige normal klingende Gitarre ist Gitarre eins ab Takt soundso“? Vorher sollte der Musiker nur Obertongesang erklingen lassen. Obertongesang und „unnormale“ Gitarrenklänge? Wenn das nicht mal ein passendes Stück für dieses Album ist – „Choral de uma nota“.
Fourtune liefert zeitgemäße Umarmungen von Konzertmusik, globaler Musik und Jazz. Es wird gescattet, gesprochen und Obertöne werden gesungen, und mit allerlei Zubehör unerhörte Klänge auf die Gitarren gezaubert. Und zwar immer genau dort, wo es passt. Am Ende des Albums steht Harry Belafontes „Turn the World Around“, das mit seiner Aussage nicht nur perfekt in unsere heutige Zeit passt, sondern auch noch einen sehr persönlichen Bezug für einen der Musiker hat: der Titel tauchte in der einzigen Fernsehsendung auf, die Reentko als Kind schauen durfte (Die Muppets) und ist damit das perfekte Ziel für eine Reise zu den Anfängen.
Der Zusammenklang von zwei ausgewiesen klassischen Solisten und zwei Musikern, die sich den modernen Wegen der Gitarre verschrieben haben, sucht nach der perfekten Schnittmenge.
Die Auswahl der Musik ist folgerichtig. Grenzgänger auf der einen und anderen Seite. Musiker, die für etwas ganz Neues, ganz Eigenes standen. Innovatoren wie Piazzolla oder Zappa, oder wie Bogdanovic oder Domeniconi in der Welt der Gitarre. Diese Musik in eigenen Bearbeitungen der „Band aus Individualisten“, die viel Platz für die Freiheit eines jeden Spielers lässt. Und eigene Kompositionen, den Musikern auf den Leib und in die Finger geschrieben. Oder wie es Thomas Fellow formuliert: „Wo es zuvor um die Einheitlichkeit des Klanges ging, suchten wir nach der Vielfalt. Jeder von uns spielt gewissermaßen ein anderes Instrument oder eine andere Rolle. Oder noch besser mehrere gleichzeitig…“.
European Guitar Quartet: Fourtune
Label: Doctor Heart Music / Vertrieb: In-Akustik
CD, digital
EAN CD: 707787101820
VÖ: 25.10.2024
Weitere Informationen (European Guitar Quartet)
Tourdaten:
31.10.2024 Ravensburg / Gr. Festsaal Weißenau
01.11.2024 Ravensburg / Masterclasses
12.11.2024 CZ- Prag / Doupe
13.11.2024 CZ-Prag / Doupe
16.11.2024 Wernigerode / Konzerthaus
14.03.2025 Einbeck / Esel
15.03.2025 Bad Rodach / Gitarrenfestival
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