Dorothee Oberlinger und das Ensemble 1700 präsentiert mit „L’Huomo“ eine weitere Opernentdeckung. Anfang Mai wurde die „Barockoper mit fürstlicher Ironie“ im Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth vorgestellt.
In den letzten Jahren holte Dorothee Oberlinger mit beeindruckender Regelmäßigkeit und stets preiswürdig vergessene Opernperlen des Barocks wieder ans Tageslicht.
Mit der Festa Teatrale „L’Huomo“ von Andrea Bernasconi (1706–1784) stellt sie am 7. Juni 2024 ein Werk von besonderer Formenvielfalt als Weltersteinspielung vor. „L’Huomo“ wurde 1754 anlässlich des Besuchs Friedrichs II. im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth uraufgeführt; mehr als zweihundert Jahre später und nach jahrelanger intensiver Recherche hat Dorothee Oberlinger mit ihrem Ensemble 1700 und einer exzellenten Solistenbesetzung die Oper 2023 in Bayreuth und Potsdam wieder aufgeführt, aus denen nun die Anfang Juni veröffentlichte Einspielung des Werkes hervorgeht.
Wilhelmine von Bayreuth, die Schwester Friedrichs des Großen II. von Preußen, ist Librettistin von „L'Huomo" (dt.: [doppeldeutig] Mensch oder Mann) und beauftragte den damaligen Münchener Vizekapellmeister Andrea Bernasconi den französischen Text zu vertonen und zu einer tragikomischen Festoper werden zu lassen.
Der wohl in Marseille geborene und in München verstorbene italienische Komponist arbeitete zunächst an der Musikschule Ospedale della Pietà in Venedig, bevor er 1753 nach München kam und Vize-Kapellmeister (ab 1755 Kapellmeister) des Kurfürsten Maximilian III. wurde.
Die Handlung von „L’Huomo“ erkundet das Zusammenspiel guter und böser Kräfte, welche durch die Protagonisten Animia und Anemone, die weibliche und die männliche Seele, ausgedrückt werden.
Dass sie füreinander geschaffen sind wie Adam und Eva, spüren Anemon und Animia instinktiv. Aber im Paradies wartet immer schon die Schlange und lockt: Da draußen ist noch mehr! So müssen Sie und Er sich erst verlieren, um sich selbst zu finden, und zur Vernunft kommen, um in Liebe Eins zu werden. Dabei ist die weibliche Hälfte der männlichen meist einen Schritt voraus.
Die Oper zeichnet sich durch große Formenvielfalt aus – mit dramatischen begleiteten Rezitativen, großen Ensembletableaus und Arien zwischen Barock, galantem Stil und Empfindsamkeit. So kontrastiert sie auf wunderbare Weise tragische und humoristische Elemente. Zusätzliche wurden Tänze aus Carl Heinrich Grauns „Armida“ eingefügt, die eigens an Stelle der verschollenen Tänze rekonstruiert und eingefügt wurden.
Wilhelmine ließ sich vom philosophischen System des Zarathustra (dem altiranischen Religionsstifter) anregen – in ihrer Bibliothek befand sich auch eine Ausgabe von Jean Philipp Rameaus Oper „Zoroastre“. So entstand eine, wie Dorothee Oberlinger es ausdrückt, „Art frühe Zauberflöte“.
Weiter sagt sie: „Die französisch-italienische Mischform einer „Festa teatrale“ macht diese einaktige Oper schon musikalisch ungemein vielfältig. Neben einigen großen „Arie di bravura“ (gleich zu Beginn zieht uns die virtuose Arie des Buon Genio „Soffre talor del vento“ mit großen Koloraturen in ihren Bann) wechseln sich tändelnd-liedhafte und lyrische Arien, Cavatinen, große Chöre, dramatische Accompagnati und üppig besetzte instrumentale Märsche ab. Im Wechselspiel mit den eingefügten und rekonstruierten Balli aus der Oper Armida von Carl Heinrich Graun (1704–1759) zeigt sich ein buntes Tableau des „gout melé“, des damals modernen „vermischten Geschmacks“.
Foto: Stefan Glöde. . Musikfestspiele Potsdam Sanssouci
Sängerisch glänzen Philipp Mathmann (Anemone), Maria Ladurner (Animia), Alice Lackner (Negiorea), Francesca Benitez (Buon Genio), Florian Götz (Cattivo Genio), Simon Bode (Amor), Anna Herbst (Volutà) und Johanna Falkinger (Incosia).
Andrea Bernasconi (1706–1784): „L’Huomo“
Libretto von Luigi Stampiglia nach einer französischen Vorlage von Wilhelmine von Bayreuth
Ensemble 1700, Dorothee Oberlinger
Label: deutsche harmonia mundi/Sony
3-CD-Set/digital, Booklet
VÖ: 7. Juni 2024
- Weitere Informationen (Ensemble 1700)
- Weitere Informationen (Regiekonzept von Nils Niemann)
- Weitere Informationen (Forschung der Universität Bayreuth)
Video des Bayerischen Rundfunks:
Barockoper L'Huomo vom 06.05.2023 ∙ BR-KLASSIK im TV ∙ BR Fernsehen (2:39:47 Min.)
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