In München hat Anfang Mai nach vier langen Jahren das Lenbachhaus mit einem Erweiterungsbau wieder eröffnet.
Seitdem bekannt wurde, dass die alteingesessene Institution mit exquisiter Sammlung einer Modernisierung bedurfte, ist das die Renovierung in aller Munde gewesen.
Die Planungsphase mit dem Stararchitekten Sir Norman Foster füllte die Feuilletons und das Ergebnis, von vielen als eine Verlegenheitslösung bezeichnet wurde und wird heiß diskutiert.
Die Architekten mussten sich nicht nur mit den veränderten Bedürfnissen eines modernen Museums beschäftigen, sondern auch mit dem besonders umfangreichen Denkmalschutz der ehemaligen Künstlervilla auseinandersetzen. Die historischen Gebäude, der Garten und auch die originalen Räume Lenbachs durfte nicht angetastet werden, trotzdem musste vor allem die Eingangssituation verändert werden. Nicht nur, dass der bis über den Garten führende Weg in das Museum den steigenden Besucherzahlen nicht mehr gewachsen war, sondern vor allem die mangelnde Barrierefreiheit war ein großes Manko des alten Lenbachhauses.
Während des Umbaus diente der „Kunstbau“, ein schlauchförmiger langer Raum im Sperrengeschoß der U-Bahnhaltestelle Königsplatz als Ersatz für das Haupthaus. Doch der Kunstbau reicht auf Dauer nicht als einzige Ausstellungsmöglichkeit für die weltberühmten Werke der Sammlung aus. Weder von der Größe, noch von der Qualität der Ausstellungsfläche.
Nun ist das neue Lenbachhaus also etwa seit vier Wochen neueröffnet. Statt durch die unauffällige Luisenstraße erreichen die Besucher den Eingang, sowie Sonnenterasse und Museumscafé über einen großzügigen Platz, direkt hinter den Propyläen am Königsplatz.
Der Villa im toskanischen Stil mit ockerfarbener Fassade ist ein knallmoderner Kasten angegliedert, der mit messingfarbenen Metallstäben verkleidet ist. Messing und Ocker, die Farbkombination passt nicht für jeden und ist einer der großen Kritikpunkte der Diskussion um den Neubau. Auch bleibt die Frage, ob die Stadt München nach dem Museum Brandhorst gleich noch einen Museumsbau mit Stäbchenfassade gebraucht hat.
Auf dem neuen Eingang des Lenbachhauses wird bereits von ferne durch Thomas Demands metallene Schriftskulptur „LENBACHHAUS“ (2011/2012) hingewiesen. In blauen Lettern steht der Name des Museums nicht in Form eines Reliefs, sondern als elf plastisch geformte Einzelskulpturen auf der Fassade. Für die Ausarbeitung seines Werkes hat sich der Künstler mit der Gestaltung sämtlicher Textwerke seit den Anfängen des Hauses beschäftigt.
Denn zur Museumsgründung im Jahr 1929 verwendete man die Schrift „Antiqua“, welche die Grundfläche der Demand Buchstaben bestimmt, dann wachsen die Letter nach vorne hin schmaler in modernere Buchstaben der Schrift „Grotesk“, welche die heute genutzte Schriftart darstellt. Raumwirkung entsteht durch ein starkes Spiel mit Licht und Schatten, resultierend aus den keilförmigen Stegen, die beide Ebenen miteinander verbinden.
Nun findet der Besucher mit Hilfe von Thomas Demand in den neuen Eingangsbereich. Um eine der drei Kassen zu erreichen, die etwas versteckt in die Wand gleich rechter Hand des Eingangs liegen, müssen fünf Stufen überwunden werden.
Im Atrium empfängt den Besucher ein weiteres extra für das neue Lenbachhaus entworfenes Kunstwerk. Statt eines Kronleuchters hängt hier Olafur Eliassons spektakuläre Glas- und Metallskulptur "Wirbelwerk“ (2011/12). Innen beleuchtet strahlt die Skulptur als Leuchte und projiziert wie ein Kaleidoskop farbige Lichtflecken auf die umliegenden Wände.
Mit sieben Metern Durchmesser und einer Länge von über acht Metern reicht das Werk aus poliertem Metall und farbigem Glas von der Decke bis dicht über die Köpfe der Besucher herab. Ein spiralförmiger Wirbel bestehend aus 450 bunten Glasdreiecken windet sich in immer breiter werdenden Bahnen, geführt von schmalen Metallbögen, von einer Spitze zu einem breiten Kreis an der Decke.
Der Künstler setzt sich auch in diesem Werk mit einer physikalischen Kraft der Natur auseinander. „Wirbelwerk“ steht die sogenannte Corioliskraft Pate, die bei zwei sich unterschiedlich rotierenden Massen, wie zum Beispiel bei Luft- und Wasserströmen, oder etwa Wirbelstürmen wirkt.
Über schmale Treppen gelangt man direkt vom Atrium in den ersten Stock in den Bereich Kunst nach 1945 oder in den zweiten Stock zum Blauen Reiter, oder ebenerdig in die historischen Räume Lenbachs, denn der Neubau integriert einfach einen Teil Lenbach Villa in den Bereich des Erdgeschosses.
Arbeiten des zeitgenössischen Künstlers Erwin Wurm verbinden den neuen und alten Gebäudeteil, hängen flach an den Wänden und seine Figuren „bewohnen“ Nischen, oder stehen fast beiläufig im Treppenhaus. Dann eröffnet der Rundgang mit Landschaften des 19. Jahrhunderts. Gemälde aus dieser Zeit bilden den Grundstock der Museumssammlung, den Kern bilden die privaten Bilder des einstigen Hausherren Franz von Lenbach.
Bis zum Eingang und noch im ersten Raum dominiert im Haus die Wandfarbe Weiß, nun beginnt das viel besprochene neue Farbkonzept des Museums. Werke von Beispielsweise Johann Georg von Dillis, Wilhelm von Kobell oder Karl Rottmann hängen auf gedämpftem Minzgrün, Hellblau oder Graugrün. Im letzten hell weiß getünchten Raum bricht Richard Serras Skulptur „Gate“ (1987) die Chronologie. Die zeitgenössische Stahlskulptur besteht aus zwei sich in die Architektur einfügenden Stahlträgern und bildet einen starken Kontrast zu den heimeligen Landschaftsbildern, denn diese hängen in gedämpftem Licht, bei kleinen Formaten gar in Salonhängung übereinander.
Ein hereinkommendes Besucherpaar blickt sich im Serra-Raum fragend um und sie sagt zu ihm „Da ist ja gar nix?!“. Die gewünschte Störung der klassischen Hängung scheint also erreicht, der Betrachter ist kurzfristig irritiert, stellt Fragen.
Der Weg zurück zu Treppenhaus führt nun wieder durch farbige Räume und präsentiert die Schule von Barbizon mit Théodore Rousseau und Werke von Gustave Courbet.
Den wundervollen Kreide-Rötel-Wolkenstudien Johann Georg von Dillis’ ist sogar ein ganzer Raum gewidmet.
Der zweite Teil der Sammlung 19. Jahrhundert befindet sich im zweiten Stock links. Es reihen sich farblich unterschiedlich gestaltetet Räume aneinander, gezeigt wird auch hier viel Landschaft, außerdem Portrait. Auf dunkelgrauen, grüngrauen und braunen Wänden werden dem Besucher Darstellungen Carl Spitzwegs, Gabriels von Max, Max Slevogts und Lovis Corinths, sowie des Leibl-Kreises präsentiert. In einem weißen Raum mit anthrazitfarbenem Bodenbelag stehen sich auf zwei hohen Sockeln zwei Bronzeköpfe gegenüber. Wie im Erdgeschoß wird auch hier die chronologische Hängung im letzten Raum mit einer zeitgenössischen Arbeit aufgebrochen: In einem hellen weißen Raum befinden sich abstrakte Arbeiten Gerhard Richters.
Die Kunst nach 1945 hat ihren Platz im ersten Stock rechts eingenommen. Das Spiel mit den Wandfarben ist erst bis auf weiteres unterbrochen und weicht einer ausgeklügelten Lichtkomposition, die in diesem Sammlungsbereich besonders zur Geltung kommt. Auf die neue Beleuchtung des Hauses wird im folgenden Absatz noch genauer eingegangen. So macht beispielsweise eine Video- und Klanginstallation eines Mitglieds der Young British Artists, Angela Bulloch (Z Point, 2005) in gedämpftem Licht den Anfang, während der nächste, grell beleuchtete Raum von Monica Bonvicinis Sado-Maso-Installation „Never again“, 2005 bespielt wird, oder ein schwarzgetünchter und kaum beleuchteter Raum Thomas Demands neunteiliger Serie „Embassy“, 2007 gewidmet ist. Räume mit weißen Wänden stellen in der folge in diesem Abschnitt wesentliche nationale und internationale Tendenzen und Künstler des internationalen zeitgenössischen Kunstgeschehens vor.
Den Anfang der Sammlung nach 1945 machte im übrigen der Ankauf von Joseph Beuys „Zeige Deine Wunde“, 1979. Der Installation ist ein von jeher ein Raum im Museum gewidmet. Mit dem Ankauf bedeutender Beuys Werke aus der Sammlung des Verlegers Lothar Schirmer ist der Künstler mit einer ganzen Anzahl an bedeutenden Werken vertreten.
Besonders stolz ist man im Lenbachhaus auf die extra entwickelte hochmoderne Beleuchtungstechnik. Entstanden ist das neue System, dessen Gesamtkosten sich auf vier Millionen Euro belaufen, in einer Zusammenarbeit der Firma Osram und dem österreichischen Lichtkünstler Dietmar Tanterl. Das gesamte Haus wird von fünf unterschiedlichen LED Typen erhellt(Natürlich mit Ausnahme der Historischen Räume). Um jedes Kunstwerk optimal auszuleuchten, können die Techniker jede Lichtfarbe fast unsichtbar, von warm bis kalt erzeugen und sogar einzelne Rot-, Blau- oder Grüntöne beimischen, ohne dass die Lichtquellen als Strahler oder ähnliches sichtbar werden.
In der Sammlung Kunst nach 1945 werden die unterschiedlichen Lichtstimmungen, wie bereits oben erwähnt, besonders deutlich. Strahlen mal gleißend kühl oder dämmerig für eine Installation oder weich gedämpft für Fotografien.
Als letzter und wohl bekanntester Sammlungsteil des Lenbachhauses, wird nun im Obergeschoß der Blauer Reiter präsentiert. Das Lenbachhaus besitzt Dank des Nachlasses Gabriele Münters die weltweit größte Sammlung der Künstlergruppe.
Die farbenprächtigen Bilder werden mit bunten, teils überraschenden Wandfarben und ungewöhnlichen Wandbespannungen zusätzlich zum leuchten gebracht, künstliches- und Tageslicht werden gemischt.
Auf zarten Flieder hängen dramatische Gemälde Franz von Stucks mit frühen Werken Wassily Kandinskys in einem dem Jugendstil gewidmeten Raum und Bronzeskulpturen von Stuck stehen auf schmalen Sockeln in der Mittelachse des Raumes. Strahlendes Gelb für Gabriele Münter und August Macke, sowie helles Grau für einen Raum voller Neue Sachlicher Kunst lassen ein durchdachtes Farbkonzept erkennen. Franz Marcs bunte Tiere leuchten noch stärker als sonst auf eisblauem Hintergrund, Murnauer Landschaften auf Himmelblau und Hellgelb ist der Raum für den Vorgänger des Blauen Reiters, den Künstlerverein München gestrichen.
Vier besonders mutige Wanddesigns sind hier hervorzuheben: Anthrazit mit Glitzerpartikeln dient als Grund für Bilder Münters, Kandinskys und Alexej Jawlenskys, Schlammfarbe mit Glitzer für Jawlensky und Paul Klee. Zwei Räume sind mit schwarzem bzw. Anthrazitfarbenem, changierendem Stoff bespannt und dienen Kandinsky, Klee und Jawlensky als Hintergrund.
Über die Fassade oder auch die Vereinigung des alten und neuen Teils der Städtischen Galerie im Lenbachhaus wird weiterhin konträr diskutiert aber über die entstandenen Räumlichkeiten und die Bespielung dieser sind sich fast alle Münchner einig: Eine Sammlung mit Weltruhm wird nun endlich standesgemäß präsentiert.
Die teils gewagten Wanddesigns fügen sich mutig und harmonisch mit der neuen Beleuchtungstechnik zu einer tollen Präsentation von Kunst. Das neue Lenbachhaus bezaubert mit dieser herausragenden Sammlung von Meisterwerken des 19. Jahrhunderts, des Blauen Reiters bis zur gut sortierten Sammlung von Kunst nach 1945.
Städtische Galerie im Lenbachhaus
in der Luisenstraße 33, 80333 München .
Öffnungszeiten: bis 30. September 2013:
Di-So 10 - 20 Uhr
Kunstbau bis 18 Uhr
Die historischen Räume werden aus Sicherheitsgründen bei Einbruch der Dämmerung geschlossen.
Ab 1. Oktober 2013:
Di-So 10 - 18 Uhr. Heiligabend geschlossen
Weitere Informationen www.lenbachhausmuenchen.de
Fotonachsweis Galerie:
01. Lenbachhaus München, Blick von der Luisenstraße.
© Städtische Galerie im Lenbachhaus München
02. Olafur Eliasson
Wirbelwerk, 2012
Stainless steel, coloured glass, HMI lamps
810,5 cm
ø 812,6 cm
Photographer: Studio Olafur Eliasson
© 2012 Olafur Eliasson
03. Das Neue Lenbachhaus - Raumansichten DER BLAUE REITER
Wassily Kandinsky, Studie zu einem Wandbild für Edwin R. Campbell Nr. 2, 1914
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
© VG Bild-Kunst Bonn, 2013
- Paul Klee, Rhythmisches Strenger und Freier, 1930
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
- Paul Klee, Waldbeere, 1921
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
- Robert Delaunay, Formes Circulaires, Lune No.1, 1913
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
04. Das Neue Lenbachhaus - Raumansichten DER BLAUE REITER
Adolf Erbslöh, Märzsonne, 1909
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
- Adolf Erbslöh, Grosser Park in Calenberg, 1912
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
In der Durchsicht:
- Alexej von Jawlensky, Bildnis des Tänzers Alexander Sacharoff, 1909
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
- Erma Bossi, Interieur mit Lampe, 1909
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
Erma Bossi, Zirkus, 1909
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
05. DAS NEUE LENBACHHAUS – Raumansichten Sammlung 19. Jahrhundert
Raumansicht
- Carl Schuch, Stilleben mit Porree, um 1886/88
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
- Johann Sperl, Apotheker Wimmers Garten in Kraiburg, um 1883
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
- Johann Sperl, Wiese vor Leibls Atelier in Aibling, 1893
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
- Wilhelm Leibl, Tierarzt Reindl in der Laube, um 1890
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
- Wilhelm Trübner, Kartoffelacker bei Wessling in Oberbayern, 1876
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
- Gerhard Richter, Abstraktes Bild, 2004
Sammlung KiCo
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
© Gerhard Richter, 2013
06. Raumansicht 11, Das Neue Lenbachhaus, Sammlung Kunst nach 1945:
Thomas Demand, Embassy VI -VII (8-teilig), 2007.
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus, München
KiCo Stiftung.
VG Bild-Kunst Bonn, 2013
07. Raumansicht 3, Das Neue Lenbachhaus, Sammlung Kunst nach 1945: Isa Genzken, Leonardos Katze, 2006.
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
Sammlung KiCo.
© Isa Genzken, 2013
08. EG Raumansicht 4, Das Neue Lenbachhaus, Sammlung Kunst nach 1945: Erwin Wurm, Ohne Titel, 2008.
Foto: Lenbachhaus
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
KiCo Stiftung.
© VG Bild-Kunst Bonn, 2013
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