Kultur, Geschichte & Management

Diese Malerei hat das Lebensgefühl einer ganzen Generation geprägt: Groß, grell, wütend, Punk und HipHop zweidimensional. Ein irrer Mix aus figurativen Elementen, Farbfeldern, Schriftzügen und Zeichen, der nachts heimlich an Flächen im öffentlichen Raum entstand. Nicht gemalt, sondern gesprüht.

 

Im Museum für Hamburgische Geschichte wird nun das spannende Kapitel Hanseatischer Graffiti Geschichte 1980-1999 aufgeblättert: „Eine Stadt wird bunt“.

 

Was der Titel verspricht, hält die Ausstellung nur zum Teil. Eine regelrechte Farbenflut hatte man erwartet. Allüberall großformatige Pieces (allgemeine Bezeichnung für ein gesprühtes Bild) voller Character (häufig comicartige, figürliche Darstellungen in Graffiti) an den Wänden, den einen oder anderen Burner (Bezeichnung für ein besonders qualitätvolles Graffiti) und natürlich Tags (Signaturkürzel an Graffitis) en Masse.

 

Eine Stadt wird bunt B Base Gewinner eines Graffiti Wettbewerbs der S Bahn von 1989 F Werner Mr.W Skolimowski

Eine Stadt wird bunt: B Base-Gewinner eines Graffiti-Wettbewerbs der S-Bahn von 1989. Foto: Werner Mr. W Skolimowski

 

Tatsächlich ist „Eine Stadt wird bunt“ eine wissenschaftlich anmutende, umfängliche Dokumentation von rund 500, überwiegend kleinformatigen Relikten aus jener Zeit. Mit Interviews damaliger Protagonisten, Skizzenbüchern, Zeitungsausschnitten, Spraydosen, Kleidungsstücken, Schallplatten und Accessoires. All jener Zeugnisse über „Sachbeschädigung“ und jener Utensilien, die die Sprüher benutzten, die sich in jener Zeit mit Bahnaufsichten und Polizei ein zum Teil lebensgefährliches Katz-und-Maus-Spiel lieferten.

 

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Der Sinnesrausch jedenfalls bleibt aus. Stattdessen viel Lesestoff und das Gefühl, hier ein kulturelles Phänomen zu betrachten, das bereits historische Weihen erlangt hat. Ist ja auch klar: Die Wände aus dem öffentlichen Raum kann man schlecht ins Museum transportieren, zumal etliche der Graffiti, die hier dokumentiert werden, längst schon übermalt sind oder deren Trägerwände abgerissen. Aber etwas mehr Subkultur-Feeling von damals, übertragen ins Heute, wäre schon schön gewesen.

 

Regelrecht verschenkt wirkt der lange Gang vor dem Ausstellungsraum. Er hätte sich hervorragend für Graffiti geeignet. Stattdessen: Eine schick-designte Karte grau auf Weiß nach Vorbild der U-Bahn-Pläne mit der Übersicht aller früheren Spots (explizit ausgewählte Graffiti-Orte) auf der einen Seite - und auf der anderen ein ausführliches Glossar eben jener Insider-Begriffe dieser, fast ausschließlich männlichen Szene. Man fragt sich unwillkürlich, ob das Kuratoren-Team, Oliver Nebel, Frank Petering, Mirko Reisser und Andreas Timm, nicht wollte oder nicht konnte.

 

Im hinteren Teil der so brav inszenierten Schau versprühen immerhin zwei knallige Riesenbilder auf Leinwand (von ArtOne, Mikel UZI und jbk, Barry Künzel), die umwerfende Kraft und Aggressivität von Graffiti. Und auch ein paar alte U-Bahnsitze, flankiert von großformatigen Projektionen, führen vor Augen, was für ein künstlerisches Chaos man im Hamburger Streckengebiet beim Blick aus dem Fenster zu sehen bekam. Hervorragend gelungen ist die originalgetreue Rekonstruktion eines Jugendzimmers der späten 1980er und frühen 1990er Jahre.

Mit dem damals kultigen (TV) außerirdischen Kuscheltier ALF auf der rot-weißen Coca-Cola-Bettdecke, Plakaten von „Rocky“ Silvester Stallone, dem „Terminator“ Schwarzenegger an der Wand und einer vorsintflutlich anmutenden Playstation in der Ecke, wird die 1970er-plus-Generation hier sicher ein kollektives Flashback erleben.


„Eine Stadt wird bunt“ – Hamburg Graffiti History 1980-1999

Zu sehen bis 31. Juli 2023 im Museum für Hamburgische Geschichte, Holstenwall 24 in 20355 Hamburg

Öffnungszeiten: Mo 10 - 17 Uhr, Di geschlossen, Mi 10-17 Uhr, Do 10-21 Uhr (freier Eintritt ab 17 Uhr), Fr 10-17 Uhr, Sa+So 10-18 Uhr

Kuratorenführung jeden Donnerstag 18-19 Uhr, Eintritt frei.

Weitere Informationen (Museums Homepage)


Begleitet wird die Ausstellung von einer multimedialen Web-App, die die Ausstellung als partizipative Plattform digital erweitern und die Präsentation im Museum mit realen Orten im Stadtraum verbinden soll.

 

Ein 360°-Rundgang durch die Sonderausstellung lädt zu einer virtuellen Tour durch

die Anfänge und Ursprünge der Hamburger Graffiti-Geschichte ein.



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