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Das Museum für Kunst und Gewerbe eröffnet am 28. Januar eine umfangreiche Fotografieausstellung, die es aus den Beständen der Sammlung Fotografie im Münchner Stadtmuseum übernommen hat. Mit gut 850.000 Fotografien gehört die Münchener Sammlung zu einer der größten in Deutschland.
Obwohl die Struktur der Sammlungen des Münchner Stadtmuseums und des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg (MKG) sich ähneln, fehlt in der Hansestadt jener Teil, mit dem die bayerische Landeshauptstadt sehr gut ausgestattet ist: Die Aktfotografie. Sabine Schulze, die Direktorin des MKG kolportierte, dass die Hamburger augenscheinlich höher verschlossen seien als die Bayern.
Die Schau gibt mehr als einen Einblick in die unterschiedlichen Vorstellungen und Abbildungen des unverhüllten menschlichen Körpers. In sieben Kapiteln arbeitet sich der Besucher durch knapp 250 original Vintage-Prints, Bücher und Mappenwerke von der Zeit um 1850 bis heute. „Von Fotografien aus dem 19. Jahrhundert, die sich an Vorbildern der Antike und Renaissance orientieren, bis zu surrealistischen Experimenten und der Mode- und Lifestyle-Fotografie. Die Ausstellung illustriert den Wandel von Schönheitsidealen und Moralvorstellungen und offenbart einmal mehr die stetige Gratwanderung zwischen Aufklärung, Anregung und Schaulust“, heißt es in der Ankündigung.
Dem Besucher begegnen namhafte Werke von Pionieren der Fotografie wie Eadweard Muybridge im Kapitel ‚Akademien und Exotik im 19. Jahrhundert’, und seinen berühmten Serienaufnahmen des menschlichen Bewegungsablaufs. Max Koch & Otto Rieth, deren merkwürdige, teilweise skurrilen Aufnahmen von verdrehten Akten auf stürzenden Kanapees oder Kaminsimsen durchaus Vorbild gewesen sein könnten für die Fotowerke von Bernhard Johannes und Anna Blume. Einen derartig humorvollen Umgang mit den Nackt-Sein erwartet man nicht unbedingt aus dem Jahr 1893.
Im Kapitel ‚Kunstfotografie um 1900’, liegt der Fokus dann überwiegend auf dem weiblichen Akt, leicht romantisch und verklärt, am Meer sitzend, in tänzerischen Posen oder gestellten, fast filmstillartigen Darstellungen. Nur in den Aufnahmen von Marianne J. Leissl glaubt man an eine natürliche Haltung der abgelichteten Frauen.
Die ‚Avantgarden der 1920er und 30er Jahre’ zeigen das, was auch in anderen künstlerischen Feldern gemacht wurde: Man experimentiert, setzt den menschlichen Körper in Beziehung zu Architektur, spielt mit Licht, Schatten und Projektionen. So tauchen in diesem Kapitel dann auch bekannte Künstlernamen auf wie WOLS, Man Ray, André Kertész und Herbert List.
Die ‚Künstlerischen Positionen nach 1945’ beginnen mit dem großen Otto Steinert, der Generationen von Fotografen an der Essener Folkwang-Schule in seinen Bann zog und ausbildete. Das entkleidete Menschenbild wird bereits in den 1950er Jahren sichtbar befreit gezeigt. Immer mehr Aufnahmen werden nicht mehr in den Ateliers geschossen, sondern im öffentlichen Raum und in der Natur. Lucien Clergue aus dem französischen Arles ist mit einer Reihe von Aktfotografien aus den Jahren 1953 und 1956 vertreten, die Gänsehaut in Meeresbrandung zeigen. Der Stuttgarter Fotograf Robert Häusser ist mit einer Serie vertreten, die den menschlichen Körper wie eine sich verändernde Skulptur auf einem Tisch behandelt. Aus der Distanz wirken diese wie Fotos der Steinskulpturen des Bildhauers Karl Prantl. Das die Aktfotografie in den 60er Jahren deutlich einhergeht mit der sexuellen Befreiung und gesellschaftlichen Bewusstseinsveränderung im Umgang mit dem eigenen Körper und der Geschlechtlichkeit, zeigt sich in den Fotos von Dennis Oppenheim, Charles Gatewood und Stefan Moses.
Die Bilder des Niederländers Jaap De Graaf der Performances des Künstlerduos Ulay und Abramovic aus den 70ern, wirken wie ein roter Faden durch die Ausstellung, denn immer wieder zeigt sich wie dicht die verschiedenen Kunstgenres sich kommen.
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