Bülent Kayaturan ist Moderator, Sprecher und DJ. Aber bekannt ist er unter dem Namen Bedo.
Seit 1998 moderiert der 1976 in der Türkei geborene und in Hamburg lebende Bedo kulturelle Bühnenveranstaltungen. Seine Medienkarriere begann er mit "Oriental Evenings" beim Offenen Kanal Hamburg. Die Radiosendung wurde zweisprachig, deutsch und türkisch geführt.
Von 2000 bis 2003 war er für die tägliche Morgensendung "Oriental Sabah" verantwortlich. Danach wechselte er zum Fernsehen. Seit dem 1. September 2003 moderiert er die Samstagabend-Show „Oriental Night“ beim Regionalsender Hamburg1 Fernsehen die auch bei TVBerlin ausgestrahlt wird.
Claus Friede, sprach im Hamburger Schanzenviertel mit Bedo über dessen Arbeit, seine Ziele, über kulturelle Identitäten und Migrationsthemen.
Ein deutscher Kopf und ein türkisches Herz
Claus Friede (CF): Erinnerst du dich, wie alles angefangen hat, als du ein Kulturprogramm für türkischstämmige Deutsche und Migranten beim Offenen Kanal in Hamburg im Radio namens „Oriental Sabah“ machtest?
Bedo: Ja, daran kann ich mich sehr gut erinnern!
CF: Gab es eine Initialzündung dafür?
Bedo: Ja! Die Initialzündung waren die permanenten Beschwerden von vielen Menschen aus meiner Umgebung, weshalb es keine Sendung für Türken und Deutsch-Türken, weder in Hamburg, noch in Deutschland gab. Weder eine im Radio noch im Fernsehen. Wir mussten uns türkisches Fernsehen aus der Türkei anschauen oder im Internet türkisches Radio hören. Es ist natürlich etwas anderes, wenn Sendungen für Deutsch-Türken aus Deutschland kommen und nicht aus der Türkei. Ich habe gemerkt, dass sich zwar viele darüber beschweren, aber keiner machte was dagegen. Von meinen Eltern habe ich eine Erziehung genossenen die lautete: Rede nicht so viel und beschwere Dich nicht, tue etwas! Und ich erinnere mich, ich bin dann einfach damals zum Offenen Kanal gegangen, hab gesagt: „Ich bin Bedo und möchte Radio machen“. Darauf hatte ich dann auch richtig Lust. So hat es angefangen.
CF: War es denn ein Antrieb mehr von Außen, von den Leuten aus deinem Umfeld, oder wolltest auch du selbst etwas bewegen?
Bedo: Na klar! Und ich hab dann gleich gemerkt: Hey, ich bin der Erste der so etwas umsetzen kann und war auch stolz darauf. Die Pionierarbeit ist die schwierigste Arbeit, aber das mache ich gerne. Ich mag auch schwierige Arbeiten. Also, die Beschwerden der Leute und auch mein eigener Antrieb haben es zu dem Punkt gebracht: „Mach es, quatsch jetzt nicht lang rum, tu was.“ Und ich glaube bis heute, dass die Themen und Sendungen nach wie vor Potential haben.
CF: Beschweren sich die Menschen aus deinem Umfeld immer noch?
Bedo: Ja, das tun sie immer noch. Jetzt sagen sie: „Es könnte mehr sein!“. Es reicht nie.
Beim Radio sind wir ja zunächst wöchentlich und unregelmäßig „on-air“ gewesen, als „Springer“, das heißt, es gab keinen festen Sendeplatz. Wenn die Sendung fertig geschnitten war musste man sich anmelden, es wurde im Kalender geschaut wann ein Sendetermin frei war und dann sendete der Offene Kanal an dem eingetragenen Datum. Das konnte mal ein Mittwoch sein und danach ein Freitag. Das lief dann zwei Jahre lang so und schließlich habe ich dann einen festen Sendeplatz erhalten, jeden ersten Mittwoch im Monat, etwas später dann jeden ersten und dritten Mittwoch, dann jeden Mittwoch, bis ich letztlich jeden Tag eine Sendung machte.
Aber das war für viele immer noch nicht genug!
CF: Und wie waren die Reaktionen auf die Inhalte?
Bedo: Wir haben sehr viele Reaktionen bekommen. Bei der wöchentlichen Sendung klingelte das Telefon oft alle fünf Minuten. Wir haben in der täglichen, zweistündigen Sendung manchmal 100 Anrufer gehabt. Da kamen dann Liederwünsche, sehr oft Gratulationen, es haben Leute angerufen, die dann nur sagten: „Ich wollte Dir zu der Sendung gratulieren, ihr macht das supertoll.“ Und viele wollten dann auch gar nicht ihre eigene Stimme on-air hören, sondern sagten: „Ne, ne, ich wollte Dir nur meine Sympathie bekunden – Mach weiter so!“
CF: Gab es auch kritische Äußerungen?
Bedo: Oh ja, viele Deutsche wissen gar nicht wie heterogen die türkische Gesellschaft ist. Die Türkei ist immer noch ein Vielvölkerstaat. Das zeigt sich auch daran, dass es in der Türkei sehr viele unterschiedliche politische, kulturelle und religiöse Strömungen gibt. Da gab es dann zunächst schon Angriffe und viel Ärger. Ich hab beispielsweise Musik gespielt die passte dem einen nicht, dann hab ich auch einmal andere Musik gespielt, die war dann den anderen nicht recht. Ich habe versucht, meine Neutralität zu wahren. Und auch da gab es dann Hörer, die meinten, ich müsse klar und eindeutig Farbe bekennen und die eine oder andere Haltung vermitteln. Ich habe mir das aber nie zu Herzen genommen. Vielmehr habe ich eins festgestellt und auch oft mit meinem Vater darüber gesprochen: Wenn dich alle kritisieren, die Linke und die Rechte, Konservative und Liberale, dann machst du es richtig. Wenn dich nur eine Seite kritisiert, stehst du automatisch auf der anderen! Das wollte ich nicht. Daran hab ich mich gehalten und entsprechend weiter gemacht.
CF: Haben denn nur Türkischstämmige angerufen?
Bedo: Nein, auch Deutsche, auch viele von anderen Nationen, die auch so eine Sendung für ihren Kulturkreis haben wollten. Meine Zuhörerschaft war sehr bunt gemischt. Der Offene Kanal Hamburg stand für eine multikulturelle Stadt!
CF: Gab es Themen, bei denen du dich gescheut hast, diese aufzugreifen?
Bedo: Bis heute! Ja. Es gibt drei Themenbereiche, die leider immer noch sehr heikel sind. Ich will nicht sagen, dass ich mich nicht traue, aber ich habe Hemmschwellen. Alle Themen über Sexualität und Homosexualität, religiöser Glaube und extreme polarisierende politische Themen gehören dazu. Es geht mir nicht darum, diese nicht aufzugreifen, aber ich mag es nicht, wenn dann extreme Positionen bei mir und an meinem Namen haften bleiben. Es heißt dann sofort: "Bei Bedo wurde das und das gesagt...". Die Zuhörer sagen ja nicht, dieser Gast hat etwas gesagt, sondern bei Bedo wurde gesagt...
Ich hatte einmal das Kopftuch-Thema bearbeitet und unterschiedliche Gäste eingeladen, da war das genau so der Fall mit den teilweise sehr extremen Positionen. Und am Ende stehst du da und Zuhörer, Pressevertreter und Politiker fragen dich dann danach, wieso und warum, und ich habe moderiert und versuchte, einfach nur viele unterschiedliche Meinungen zu sammeln, aber am Ende bleibt nur: „Bei Bedo wurde gesagt...“. Ich werde dann mit der Meinung von anderen in Verbindung gebracht, die ich gar nicht teile. Und dann muss man sich ständig verteidigen.
Auch bei Themen wie AIDS bin ich vorsichtig. Es gibt so extrem konservative Kräfte, denen ich nicht gewachsen bin und weiß, da kann ich noch nichts bewirken. Unsere Community hier ist dafür noch nicht offen und bereit - aber das wird noch kommen. Das dauert noch eine Weile. Ich würde da gerne etwas bewirken, aber das ist offensichtlich noch zu früh. Bei religiösen Themen traue ich mich seit fünf Jahren schon mehr. Ich habe eine Sendung über den Ramadan gemacht mit sehr unterschiedlichen Positionen.
CF: Versucht du auch, über die Community hier in Hamburg in die Türkei hineinzuwirken, oder ist der Schuh zu groß?
Bedo: Nein, das würde ich mir schon wünschen, dass wir auch von hier aus etwas bewirken können. Aber dies ist dann mehr Aufgabe und hat auch eine höhere Erfolgschance durch türkischstämmige EU-Politiker, die auch diese Themen in der Türkei nach vorne bringen können. Aber viele dort sprechen nicht einmal die Worte aus und glauben es gäbe zum Beispiel keine Schwulen und Lesben oder AIDS in der Türkei.
CF: Lass uns noch etwas über deutsch-türkische Kulturidentitäten sprechen. Wo befruchten sich die Kulturen einander, wo reiben sie sich und wo tauchen sie gemeinsam gar nicht auf?
Bedo: Ich pauschalisiere mal ein wenig. Auch hier gibt es, wie eben bei den problematischen Themen, drei Gruppen von Migranten. Es gibt jene, die super offen sind, liberal, eine interessante Mischung aus deutsch und türkisch sind. Die zweite Gruppe ist extrem konservativ, will nichts mit den Deutschen zu tun haben und will auch nichts von der türkischen Kultur geben. Und die dritte Gruppe will nichts mit der Türkei zu tun haben, die wollen nur deutsch sein. Wir haben also den Deutschen, der war einmal Türke, wir haben den Deutschtürken und wir haben den Türken. Ich zähle mich zu den Deutschtürken und versuche auch bei Workshops, die ich in Schulen mache, den Kindern mit migrantischem Hintergrund folgendes zu vermitteln und sage ihnen: „Ihr seid die Reichsten in diesem Land“. Ich sage den Schülern, dass sie mehr in sich tragen als „rein“ deutsch und „rein“ türkisch. Das ist ein Wert. Sie kennen zwei Kulturen und Sprachen – vorausgesetzt sie sprechen beide richtig – das ist aber noch ein anderes Problem, dass viele Jugendliche keine der beiden Sprachen richtig beherrschen. Ich glaube wirklich, dass die Mitte die beste Lösung ist. Die Konservativen haben immer die Angst, sich zu öffnen, weil sie glauben sie würden etwas verlieren. Anstatt zu merken, dass sie etwas gewinnen.
Ja, wo treffen sich die Kulturen? Die grundsätzliche Frage ist für mich die nach der Identität, das bewegt mich seit Jahren! Ich fühle mich wie folgt und das durch und durch: Ich bin Europäer mit zwei Herzen, einem deutschen und einem türkischen. Oder wie ein Freund zu mir einmal sagte: „Bedo, du hast einen deutschen Kopf, aber ein türkisches Herz.“ Das hat mir gefallen und machte mich stolz! Und das türkische Herz fehlt mir manchmal bei den Deutschen, diese positive Grundeinstellung, das warme Gefühl. Hier sind doch die meisten sehr zurückhaltend und gehen selten aus sich heraus – vor allem hier im Norden.
Die deutsche und die türkische Kultur sind so unterschiedlich, dass es schon wieder einfach sein sollte, miteinander zu kommunizieren. Wenn sich zwei Kulturen sehr ähnlich sind, dann gibt es, glaube ich, noch viel mehr Reibungspunkte, dann geht es um solche Fragen, wie: Wer hat den Zaziki erfunden, die Griechen oder die Türken?
Nein, weil die beiden Kulturen hier so weit auseinander liegen, ist das vorteilhaft in der Kommunikation und es macht es einfacher sich für die Mitte zu entscheiden, in einer Symbiose zu leben und etwas von hier und etwas von dort mitzunehmen.
CF: Es gibt aber doch immer - und das auf beiden Seiten - die Angst vor dem Verlust von Identität oder von aufgeweichten Mustern...
Bedo: ...Ja, aber das hat etwas mit Unkenntnis zu tun. Mittlerweile komme ich in Schulen, da sind 50% und mehr Kinder mit einem Migrationshintergrund. Und wovor haben jetzt Teile der deutschen Gesellschaft Angst? Davor, dass schon ein erheblicher Prozentsatz Migranten sind? Davor, dass die U21 Fußball-Stammelf neun ausländische Spieler hat. Und Odonkor, Özil und so weiter sind Deutsche, nach dem Pass. Ich find das cool..., neun Ausländer im deutschen Team...
CF: ...es sind neun Inländer...
Bedo: ...Ein Kumpel von mir sagt immer: „Wir sind die Deutschen“ - und er meint damit die Deutschtürken – „und die anderen sind die Bio-Deutschen.“
Es gibt, meine ich, nur einen Punkt an dem wir uns wohl nie verstehen werden: Die Bio-Deutschen sind ein Volk von Pessimisten und Nörglern. Wir Südländer sind positiv, gutlaunig, offen. Es wäre zu schön, wenn die Deutschen einmal anfangen würden, die Dinge positiv zu sehen und sich einmal richtig freuen und auch sagen würden, wie schön es hier ist. Aber nein, da ist Krise, Armut, Untergang. Dann denk ich: „Ihr wisst gar nicht, in was für einem Himmel ihr lebt“. Und was sag ich dann als Deutschländer? „Jungs, lebt einmal drei Tage im Osten der Türkei. Dann werdet ihr einiges anders sehen...“ Und ich gehe ja nur in die Türkei und nicht einmal nach Afrika! Da gibt es dann überhaupt keine Absicherung mehr. Positives Denken würde uns gut tun. Und da hätten wir die Hälfte der Probleme weniger in unserem Land. Vielleicht ist das auch alles zu einfach gedacht, aber so bin ich, positiv.
CF: Lass uns an dieser Stelle von den grundsätzlichen Dingen dieser Welt zurück kehren zu deinen biographischen Entwicklungen. Nach Ende deiner Radiosendung beim Offenen Kanal ging es für dich dann gleich nahtlos weiter zum Fernsehen?
Radiomachen ist ja etwas ganz anderes als Fernsehen...
Bedo: Ja, da bin ich ins kalte Wasser gesprungen und gleichzeitig geworfen worden. Am Anfang war ich mir total unsicher, ob ich das überhaupt kann. Die Kameras leuchten rot, okay, da musst du jetzt nicht nur reinsprechen, die zeichnet mich auch visuell auf. Ich wusste in den ersten Sendungen gar nicht wohin mit mir. Ich will nicht sagen, dass ich mich unwohl gefühlt habe, aber sehr ungewohnt.
Radio war mein Medium, da war ich voll in meinem Element. Dann kam die Zeit, im Juni 2003, als der Hamburger Senat beschloss, dem Offenen Kanal die Gelder zu streichen und ihn zu schließen. Oh, das war erst einmal ein Schock und wir haben dann gleich eine Unterschriftenkampagne gestartet. Wir waren auf der Straße, sind zu Unternehmen gegangen, haben versucht die Kulturbehörde auf unsere Seite zu bekommen und die Medien zu aktivieren, aber das hat alles nichts bewirkt. Aber was dann doch geblieben ist und das nenne ich Nachhaltigkeit, war eine enorme Aufmerksamkeit in der Stadt. Unsere Aktionen waren dann tagelang in den Zeitungen. Und wir bekamen viele Anrufe, Leute, die ebenfalls Unterschriften sammeln wollen. Allein meine Redaktion „Oriental Sabah“, hatte am Ende 18.000 Unterschriften gesammelt. Und das hat eine große Aufmerksamkeit auf die Sendung und auf mich gelenkt.
Und dann traf sich der Zufall, dass ich den damaligen Lokalchef (heute Politikchef, Anmerk. d. Red.) von Hamburg1 Fernsehen, Herbert Schalthoff, bei meinem Friseur in Altona kennen gelernt habe. Da fing die Idee vom Fernsehen für mich an. Wenn ich das heute erzähle, dann glauben viele, ich nehme sie auf den Arm, weil „Oriental Night“ bei meinen Friseur begonnen hat...
Ich hab mich erst gar nicht getraut Herbert Schalthoff anzusprechen, aber mein Friseur sagte dann immer: Hey, Bedo, red doch mal mit ihm, stell dich vor!
Ich dachte nur: „Was soll ich denn sagen? Ich bin Bedo, ich will Fernsehen machen?“ Ich sagte zu meinen Friseur: „Frag doch mal den Schalthoff, ob er meine Sendung beim Offenen Kanal überhaupt kennt und was er davon hält und ob er sich auf ein Gespräch mit mir einlässt – vielleicht mag er uns gar nicht...“. Und Herbert Schalthoff antwortete, er fände es traurig, dass der Offene Kanal geschlossen werde, das sei ein guter Sender, wo viele Kulturen zusammen gekommen wären. Und dann sagte er noch, er fände es furchtbar, dass die Sendung von dem Türken, auf dessen Namen er jetzt nicht käme, abgesetzt würde. Das war mein Zeichen! Dann bin ich also zu ihm hin, hab mich vorgestellt und wir kamen ins Gespräch und ein paar Tage später gab es dann ein weiterführendes Gespräch zwischen Hamburg1 und der Firma Öger Tours wie man eine solche Sendung finanzieren könnte. Und Vural Öger sagte dann gleich zu, sich finanziell daran zu beteiligen. Und Nina Öger, die Tochter, war auf meiner Seite und meinte, wenn einer die Sendung moderieren könne, dann Bedo. Und damit war der Kreis geschlossen und zwei Monate später ging es los. Und das ist die wahre Geschichte... (lacht)
CF: Der Start war dann am 1. September 2003. Ich bin übrigens auf die Sendung von meiner Frau aufmerksam gemacht worden, die sagte mir damals: Schau dir das einmal an, das wird dir gefallen... und das tat es dann auch!
Bedo: ...weißt du, dass das sehr häufig der Fall ist. Das habe ich schon so oft gehört, dass die Freundin oder die Frau ihre Männer auf meine Sendung aufmerksam gemacht haben. Woran mag das liegen?
CF: Vielleicht sind die Männer in ihren Sehgewohnheiten so eingeschliffen...
Okay, weiter, jetzt haben wir 2009, wenn du zurück schaust, was hat sich in der Zeit getan?
Bedo: Oh je, wo fang ich an? Also erst nach 5 Jahren Sendung hatte ich das Gefühl, jetzt sitzt „Oriental Night“ richtig und ich bin jetzt am Ende des 6. Jahres. Die Sendung ist reifer geworden, vor allem qualitativ von den Gästen her und auch thematisch. „Oriental Night“ ist genauer, präziser als früher. Im Anfang habe ich es nicht geschafft, jedes Mal hochkarätige Gäste einzuladen. Ich war neu und es fiel mir schwer, immer die Leute dazu zu bewegen zu mir zu kommen. Ich wollte, dass sie aus Überzeugung zu mir in die Sendung kommen und nicht weil ich sie lange dazu überreden musste. Wenn sie aus Überzeugung kommen, macht man `ne ganz andere Sendung. Heute ist „Oriental Night“ gefestigt, relativ bekannt und wenn einer mal nicht kommen kann, dann weil er oder sie keine Zeit hat.
Und ich bin im Laufe der Zeit lockerer geworden - und souveräner.
CF: Aber wie kommt es, dass du immer noch Pionier bist? Warum gibt es nichts Vergleichbares auf nationalen Niveau?
Bedo: Die Frage stelle ich mir auch. Ich weiß nicht warum! Die Frage sollte anderen gestellt werden, TV-Sendern, Produzenten, Intendanten. Ich weiß auch nicht warum und ich verstehe es auch nicht.
Vielleicht – nee, ich sag das nicht – oder doch, ich glaube vielleicht ist die Gesellschaft hier noch nicht reif dafür! Jetzt kriegen die Migranten auch noch eine eigene Sendung deutschlandweit!
CF: Für mich stellt sich da eher die Frage, ob die Entscheider nicht so weit sind oder wirklich die Gesellschaft. Ich hab die Erfahrung gemacht, dass die Leute, die Entscheidungen treffen, ängstlicher sind als die Gesellschaft. Die ist nämlich für vieles bereit!
Bedo: Du hast recht. Die Zuschauer sind nicht das Problem, sondern die Macher von Fernsehen. Weißt du, als ich damals einen neuen Sendeplatz für meine Radiosendung suchte, hat mir doch tatsächlich einer der Macher gesagt, er hätte Angst, dass ihm die Hörer davon laufen würden, sprich die Deutschen (gemeint sind die Bio-Deutschen. Anmerk. d. Red.). Ich glaub das nicht. Das Publikum ist längst reif für eine solche Sendung, vielleicht nicht die Massen, aber eine Menge. Und meine Sendung ist ja für alle gemacht und nicht nur für Deutschtürken. Ich bewege mich auch immer mehr weg von meinen Untertitel: Deutsch-türkisches Lifestyle-Magazin. Es ist ein Lifestyle-Magazin. Fertig. Ich sag nicht mehr „deutsch-türkisch“, das war für den Anfang wichtig. „Oriental Night“ ist Lifestyle und ein Teil der Kultur in diesem Land. Die Angst der Macher, mit ungewöhnlichen Sendungen scheitern zu können sitzt fest. Schau, die deutschen Sender machen doch alle das gleiche. Mit Moderatoren, die gleich reden, das gleiche anhaben und sich gleich geben. Sie stellen die selben Fragen, haben den gleichen Haarschnitt und bekommen auch noch die gleichen Lacher. Das ist immer dasselbe. Ganz ehrlich, die Moderatoren sehen doch alle gleich aus, es gibt einfach keine Moderatoren mehr, die anders sind, individuell und dann auch was anderes machen. Außer vielleicht der Gottschalk. Das ist nicht der Fehler der Moderatoren, sondern der Macher und Produzenten.
Für mich ist das, was ich tue anders. Das Format bin ich und ich bin nicht austauschbar. Ich bestimme Inhalte, Themen und ich moderiere auf meine Art. Das ist viel Aufwand, aber ich will das so. Damit schütze ich mich auch immer etwas selbst, wenn das Format gekickt wird, musst ich mit gekickt werden, weil es einander bedingt. Ich bin nicht austauschbar. Bei anderen Formaten wird der Moderator versetzt oder entlassen und schwups ist für das gleiche oder ein ähnliches Format ein anderer Moderator da, der das nahtlos weitermacht.
CF: Was glaubst du muss in den nächsten Jahren auf der Ebene von Kultur und Gesellschaft geschehen?
Bedo: Dass die Politik endlich dazu steht, dass wir hier ein multikulturelles Land sind. Ich frage mich manchmal, ab wann wir eigentlich ein Einwanderungsland sind. 6 Millionen Einwanderer scheinen jedenfalls nicht auszureichen, dass die Politiker dies so bezeichnen. Vielleicht bei 10 Millionen oder 15 Millionen? Und Gastarbeiter sind wir ja auch noch. Das höre ich tatsächlich heute auch noch von ein paar jungen Typen: „Dein Vater ist ja Gastarbeiter“. Und ich sag dann: „Junge, mein Vater lebt länger als Du in Deutschland“. Und ich bin deutscher als deutsch und bin eben gleichzeitig auch mehr Türke als die meisten. Wenn es drauf ankommt, dann verteidige ich Deutschland richtig, auch bei Freunden und Verwandten in der Türkei. Und in Deutschland verteidige ich dann genauso die Türken, da habe ich dann auch kein Problem mit. Egal von welcher Seite die Vorurteile kommen... Ich mag die Pauschalierungen und Stigmatisierungen überhaupt nicht.
CF: Hast du für dich persönlich ein Ziel? Fokussierst du das dann konkret an oder lässt du dich eher ein wenig treiben?
Bedo: Ich glaube es ist eine Mischung aus beidem. Man muss beides können. Wenn ich konsequent da weitermache wo ich seit Jahren dran arbeite, dann bekomme ich auch weitere Chancen. Es gibt den Spruch: Was man säht, das erntet man. Ich hab viel gewollt und gemacht und hab bislang die Ergebnisse bekommen. Aber in der Medienbranche muss man Marathonläufer sein. Man braucht einen sehr langen Atem, immer nach vorne und laufen, laufen. Wie Forest Gump - lauf Forest, lauf! Ich weiß, dass das so funktioniert und dann irgendwann bekomme ich meine nächste Chance. Das nächste Ziel ist, überregional etwas zu machen. Ich will das mir und allen anderen beweisen, dass dieses Land für ein solches Lifestyle-Magazin bereit ist. Es ist überfällig.
Mehr Informationen über Bedo und seine Sendung unter: www.orientalnight.tv
(Fotos: Bülent Kayaturan [Bedo], ... mit Cem Özdemir, ... mit Ali Güngörmüs, Chefkoch und Inhaber "Le Canard", ... mit Mittelgewichtsboxer Mahir Oral)
Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)
Kommentare powered by CComment