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Mit Carl Maria von Webers romantischer Oper „Der Freischütz“ begann 1951 die Geschichte der Eutiner Festspiele. Seitdem ist der Freischütz immer wieder ein Highlight im Programm.

Mehr als zweihundertmal wurde diese Oper hier aufgeführt, zuletzt 2016. Im Jahr 2024 wird der Freischütz neunmal zu sehen und zu hören sein.

 

Regisseur Pilavachi: „Es ist eine Reise durch die Nacht ins Licht“

Verantwortlich für die neue Inszenierung ist Regisseur Anthony Pilavachi. Er tritt mit dem Anspruch an, „etwas anders zu machen“. Etwas, das einerseits speziell auf diesen besonderen Ort ausgerichtet ist, andererseits aber auch ein neues, jüngeres Publikum anziehen soll. Kurz gesagt: Pilavachis Inszenierung bietet Gothic und Gespenster, ist eine Reise durch die Nacht ins Licht. Premiere hat „Der Freischütz“ am Freitag, 19. Juli, um 20 Uhr auf der neuen Seebühne im Eutiner Schlossgarten. Die musikalische Leitung hat Leslie Suganandarajah.

 

Die neue, rund 15,5 Millionen Euro teure Tribüne wird rechtzeitig zum Spielbeginn der Saison 2024 fertiggestellt sein, versprechen die Macher: „Wir sind gut im Zeitplan.“ Die neue Tribüne bietet Platz für 1945 Zuschauer (vorher: 1886 Sitzplätze). Alle Besucher haben einen guten Blick auf den grünen Hügel und die Bühne. Der Orchestergraben wurde vergrößert und lässt jetzt auch große Besetzung zu, erklärte Geschäftsführer Falk Herzog. Er stellte das diesjährige Festspielprogramm gemeinsam mit seiner Kollegin Anna Luise Hoffmann, Regisseur Anthony Pilavachi, Bühnenbildner Jörg Brombacher und Kostümbildnerin Cordula Stummmeyer vor.

 

Die Macher mit Plakat F Marion Hinz

Das Team mit Freischütz-Plakat. Foto: Marion Hinz

 

Bewährt habe sich die Mischung aus Oper, Konzert und Musical, berichtete Falk Herzog. Dieses Erfolgskonzept soll beibehalten werden: Neben dem „Freischütz“ steht das Musical „Jesus Christ Superstar“ auf dem Programm (Premiere: Freitag, 5. Juli, 20 Uhr), außerdem Konzerte mit u.a. „Alte Bekannte“ und der NDR Bigband mit Pablo Martin Caminero sowie zwei Galaabende unter dem Motto „Viva la Musica“.

 

Der diesjährige Galaabend ist Hilary Griffiths gewidmet, langjähriger Musikdirektor der Festspiele. Ausverkauft ist bereits das Konzert mit Bodo Wartke (6. September). Auch die Konzerte mit dem „Orchestra oft he Rocks“ (24. August) und „Söhne Hamburgs“ (31. August) werden in Kürze ausverkauft sein, teilte die Geschäftsleitung mit. Überhaupt ist man mit dem Vorverkauf höchst zufrieden: Fast 31.000 Karten sind bereits verkauft, insgesamt gelangen für die Saison 68.000 Karten in den Verkauf.

 

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Einblicke in seine Freischütz-Inszenierung gab Regisseur Anthony Pilavachi. Er will das Publikum überraschen, will Tradition und Moderne mischen. „Ich versuche, die Ideen in diesem Stück auf unsere heutige Gesellschaft zu übertragen. Ich werde aber keine Anspielungen auf die Ukraine, Israel, Palästina oder etwas Ähnliches machen, das braucht man nicht.“ Seine Interpretation ist in keiner Zeit verhaftet, ist universal gedacht, ist real und fiktiv zugleich. So wie Weber will auch Pilavachi der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten: „Negative Aspekte entstehen in den Blicken der Zuschauer. Diese Blicke sind der Spiegel der Gesellschaft.“

 

Die von Erzählungen und Märchen des Barocks und der Romantik inspirierte Handlung der Oper dreht sich im Kern um einen verzweifelten Menschen, der zu einem Pakt mit dem Teufel bereit ist. Am Ende siegt die Macht der Liebe über das Böse. Die Handlung beginnt Ende des 30jährigen Krieges, die Menschen sind traumatisiert. „Man stelle sich vor, ein Soldat, der im Einsatz in Afghanistan traumatische Erfahrungen gemacht hat, soll nach seiner Heimkehr in seinem Dorf ein Gewehr in die Hand nehmen und Treffsicherheit beweisen…“ Im Freischütz ist es Max (Marius Pallesen), der schießen und treffen muss. Andernfalls bekommt er seine geliebte Förstertochter Agathe (Ann-Kathrin Niemczyk) nicht zur Frau und erbt auch nicht die Försterei. Angesichts einer Pechsträhne im treffsicheren Schießen lässt er sich von seinem Kollegen Kaspar Thomas Weinhappel) überreden, nachts in der Wolfsschlucht Freikugeln zu gießen. Diese treffen jedes Ziel, doch die siebente Kugel wird vom Teufel – diesmal ist es ein androgynes Wesen (Nina Maria Zorn) – persönlich gelenkt.

 

Behandelt werden in dieser Inszenierung Fragen wie: Was bedeutet der deutsche Wald? Was bedeutet der Jäger, der Teufel? Was ist mit dem Glauben? Wie gehen die Menschen mit Neid um? Wofür steht Max? „Max ist ein Antiheld. Er hat Angst zu versagen, ist impotent – er kann nicht schießen. Und wer nicht schießen kann, ist kein Mann“, sagt Pilavachi. Versagensängste habe auch Weber zeitlebens gehabt. Weber sei nie ein politischer Mensch gewesen. Der Freischütz sei zur deutschen Nationaloper geworden, obwohl das Werk vollkommen unpolitisch sei. So jedenfalls sieht es Pilavachi und will daher keine politische Inszenierung liefern.

 

„Der Freischütz“, der 1821 seine umjubelte Uraufführung in Berlin feierte, sei ein Stück über Ängste, ein Versuch, Traditionen zu respektieren, denen man jedoch nicht mehr folgen könne, weil sie tot seien, so Pilavachi. Er will aktuelle Bezüge erkennbar machen, ohne sie direkt anzusprechen. Er will zudem die besondere Atmosphäre der Natur auf der riesigen Bühne am Großen Eutiner See nutzen, um „zusammen mit der Musik eine starke, emotionale Aussage zu schaffen“. Surreales steht in seiner Inszenierung neben Realem: „Was die Augen sehen, ist nicht unbedingt das, was man sieht.“

 

Der Chor (Leitung: Sebastian Borleis) wird aufgemalte Masken tragen (Kostüme: Cordula Stummeyer). Der Chor ist Masse und nicht Individuum. Der Einzelne bleibt unsichtbar. Natürliche und gewollte Szenerie/Kulisse tun ein Übriges: Es wird richtig gruselig, mit Gothic und Gespenstern. Im Zimmer von Agathe lauert an der Decke eine riesige Spinne im Netz. In der Wolfsschlucht erwarten uns (nach der Pause) zwanzig Särge mit Verstorbenen (Bühnenbild: Jörg Bombacher). Sie verbergen die Verdammten, allesamt verlorene Seelen. Im Hintergrund steht der schwarze Wald. Es ist dunkel geworden. Der Abend geht zu Ende. Ein Spektakel geht zu Ende mit dem Einsatz von viel Pyrotechnik in der Wolfschlucht. „Das wird eine Hölle, die man so schnell nicht vergisst. Wir bedienen den Voyeurismus, ohne das es in Richtung Karneval geht.“ Das Konzept klingt spannend und dürfte aufgehen. Zu wünschen ist dies den Machern und den Zuschauern.


73. Eutiner Festspiele vom 5. Juli bis 8. September 2024

Carl Maria von Weber: Der Freischütz

Dirigent: Leslie Suganandarajah | Regie: Anthony Pilavachi | Orchester: Kammerphilharmonie Lübeck (KaPhiL!)

Ab 19. Juli 2024

Weitere Informationen, Programm und Tickets (Eutiner Festspiele)

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