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Es ist das erste seiner Art. Ein „Kunstschutzgebiet“, das mehrere Quartiere in Hamburg neu zu definieren versucht.

Unweigerlich denkt man an Naturschutz- oder Wasserschutzgebiete, die es in Deutschland seit den 1920er Jahren gibt. Überwiegend kleine Areale, die unter Schutz gestellt werden, die nicht die Größe von Naturparks oder Nationalparks haben. Geschützt werden sollen jene Reservoire, die unter- und überirdisch vor „zerstörerischen oder schädlichen Einflüssen“, wie es in der Verordnung sogar heißt, „streng geschützt“ werden sollen.

 

Nun kommt ein „Kunstschutzgebiet“ hinzu, das ohne rechtsverbindliche Grundlage auskommt, aber von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wird.

Dass der Begriff „Kunstschutz“ nicht unproblematisch ist, wissen die Initiatoren und Tonali-Gründer Amadeus Templeton und Boris Matchin, jedoch ist die Regelung über den Umgang von Kulturgütern in Kriegsfall nicht gemeint, auch nicht die Verquickung von Beutekunst als Kunstschutz.

 

Was gilt es also im hiesigen Fall zu schützen?

Templeton formuliert es mit einem Zitat des Bonner Künstlerduos: Hoernemann & Walbrodt: „Schützen wir das Schöpferische, die Schöpfenden sowie die Schöpfung“.

 

Der Auftakt

Seit gut einem Jahr laufen die Vorbereitungen zum „Kunstschutzgebiet“. Begriffe mussten gefunden, auf Tauglichkeit abgeklopft werden, das Gebiet wurde definiert und Beteiligungsgruppen mussten entwickelt und gefunden werden. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass in jedem Menschen ein Künstler steckt (Novalis) oder wie Joseph Beuys es als Behauptung formulierte: „Jeder Mensch ist ein Künstler“. Was nicht als Berufsbezeichnung gemeint, sondern als Potential in uns allen schlummert und bei den meisten Menschen nur selten oder sporadisch zutage tritt, soll animiert werden, sich zu zeigen. Ein ganzheitlicher Ansatz.

 

Das „Kunstschutzgebiet“ als Topografie entspricht einem städtischen Raum, der 15 Minuten fußläufig vom TONALi Campus in Hamburg (Harvestehude / Grindelviertel / Sternschanze / Generalsviertel / Karolinenviertel / Hoheluft) zu erreichen ist.

 

KSG Karte

Karte des Kunstschutzgebiets

 

„Dieses Gebiet wird in den Jahren 2023 – 2026 von Akademist:innen der Tonali-Bühnenakademie, Jugendlichen aus der ganzen Hansestadt sowie Anwohnenden künstlerisch erforscht, bespielt und gestaltet werden“, heißt es auf der Tonali-Homepage. Es geht um einen festgelegten Sozialraum und ein Verständnis eines Miteinanders, an dem alle permanent und konsequent arbeiten können und sollten. In Hinblick auf die Zersplitterung der gesellschaftlichen Solidargemeinschaft in einzelne, sich stark abgrenzende Interessensgruppen, ist diese Initiative ein gegensteuernder Lichtblick.

 

Passend dazu ist die Beteiligung von Tonali an der initiative „GoVote, Ganz Hamburg wird aktiv und feiert unsere Demokratie“, die in Zusammenhang mit der Europawahl am 9. Juni steht.

 

GoVote F Amadeus Tempelton

Go Vote. Die Tonali-Rikscha im Eingangsbereich des Talia-Theaters in Hamburg. Foto: Amadeus Templeton

 

Schon an den bereits erwähnten Formulierungen zeigt sich das Interesse von Tonali: gemeinsam etwas zu entwickeln, zu gestalten, zu erfahren und zu beleben. Dem Individuum wird in gleicherweise Raum gegeben wie einer Gruppe. Die Beteiligung als zentrales und konsequentes Element der kulturellen Teilhabe zieht sich wie ein roter Faden durch die anderthalb jahrzehntelange Arbeit der gemeinnützigen Organisation.

 

Am 6. Juni fand eine Auftaktveranstaltung im Seminarraum des Tonali-Campus statt, bei denen Nachbarn und Anwohner erste Vorstellungen und Ideen zum Kunstschutzgebiet vorstellen und teilen konnten. Erstaunlich, was da – trotz Nachbarschaft – in einer Gruppe von überwiegend einander unbekannten Menschen an ersten Ideen spontan zutage trat und wie angenehm weit der Kulturbegriff verstanden wurde. Eine 1 x 1 Meter große gelbe, bedruckte Standstelle – KunstMeter genannt – aus aufgefaltetem Papier konnte wie ein Sockel verstanden werden, auf dem Teilnehmer standen und sich und ihre Ideen vorstellten.

 

Auch das Tonali-Festival (30. Juni bis 6. Juli 2024) richtet seinen Blick mit dem Titel „laufhören“ auf das „Kunstschutzgebiet“ und fordert zu (Co-)Gestaltung auf. Aus den Quartieren heraus wird der Festivalabschluss in der Elbphilharmonie am 6. Juli um 19:30h stattfinden. Wer schon einmal das Festival in der Vergangenheit besucht hat, weiß, welche wunderbaren Dynamiken das Festival produziert und welche Energien es bei den Beteiligten freisetzt.


„Kunstschutzgebiet 2023–2026“

TONALi gGmbH, Kleiner Kielort 8, in 20144 Hamburg

Weitere Informationen (Tonali)

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