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„Gefährliche Liebschaften“ mal ganz anders – als Farce. Zum Auftakt des Hamburger Theaterfestivals spielen Caroline Peters und Martin Wuttke im St. Pauli Theater ihre komödiantischen Talente voll aus und überzeichnen den intriganten Geschlechterkampf von Choderlos de Laclos bis zur Groteske.

 

Zwei großartige Schauspieler und TV-Stars in einem ebenso berühmten wie skandalumwittertem Klassiker erotischer Literatur – ganz klar, dass die Karten für die „Gefährlichen Liebschaften“ bereits am ersten Tag des Vorverkaufs für das Hamburger Theater Festival vergriffen waren.

 

Das Hamburger Publikum war begierig zu erleben, wie sich Caroline Peters und Martin Wuttke als zynisch-intrigante Marquise de Merteuil und vor Selbstverliebtheit und Selbstüberschätzung völlig verblendeter Schürzenjäger Vicomte de Valmont schlagen. Nicht obwohl, sondern gerade weil dieses Duell, 1782 erstmals als Briefroman von Pierre-Ambroise-Francois Choderlos de Laclos erschienen, so berühmt ist, vielfach verfilmt und für die Bühne adaptiert wurde. Man denke nur an den opulenten Kostümfilm mit Glenn Close und John Malkowitsch von 1988. Freundinnen und Freunde des Hamburger Theater Festivals werden sich sicher auch noch an „Quartett“ erinnern, die skelettierte Adaption des Stoffes von Heiner Müller auf Kampnagel 2010, mit den grandiosen Protagonisten Barbara Sukowa und Jeroen Willems. Eines der ersten Gastspiele des Hamburger Theater Festivals damals.

 

Nun also Caroline Peters und Martin Wuttke, beide vielfach ausgezeichnet, beide (ehemalige) Burg-Schauspieler, sie Publikumsliebling der TV-Nation als Provinz-Kommissarin in „Mord mit Aussicht“ , er bestens bekannt als Leipziger „Tatort-Kommissar und wutschnaubender Hitler in Tarantinos „Inglourious Basterds“,.

 

Der Begriff „Rampensau“ ist heutzutage wohl nicht mehr politisch korrekt, doch genau dieser Begriff trifft auf Wuttke und Peters zu. Wobei sie in diesem perfiden Spiel um Rachsucht und Zerstörung die Stärkere ist. Ihre Marquise ist nicht nur abgrundtief böse, sie hat auch Witz und Humor. Und sie kann ihren Befindlichkeiten ohne Worte nachhaltig Ausdruck verleihen. Peters‘ Minenspiel sagt alles, dieses unvergleichlich maliziöse Lächeln, die aufgerissenen Augen, die seismographische Genauigkeit, mit der ihre Mundwinkel den Grat ihrer Verstimmungen anzeigen – das ist einfach hinreißend. Da hilft die hochadeliger Attitüde, das ausladenden Rokoko-Kleid und der opulente Perlenschmuck nichts (Kostüme: Tabea Braun). Da hilft auch nicht das verbale Gift, das die rachsüchtige Marquise über zwei Stunden hinweg versprüht: Die verschmitzt, leicht schusselige Kommissarin Sophie Haas aus „Mord mit Aussicht“ scheint immer noch hinter dem Pomp und Getue der Marquise hervorzulugen.

 

Zur Erinnerung: die beiden nazistischen Intriganten hatten mal eine Affäre vor langer Zeit. Nun wurde die Marquise von ihrem aktuellen Liebhaber, dem Comte de Gercourt, verlassen und will Valmont dazu bringen, die blutjunge Verlobte des Comtes zu verführen, um ihn zum Gespött der Pariser Gesellschaft zu machen. Valmont zieht es jedoch zur tugendhaften Präsidentengattin (in die er sich tatsächlich auch verliebt), willigt aber ein, das Rachewerkzeug der Marquise zu sein, weil sie sich ihm als „Preis“ für seine Bemühungen verspricht. Da sie ihr Versprechen nicht einhält, kommt es schlussendlich zur „Kriegserklärung“ und beidseitiger Zerstörung.

 

Regisseur Jan Bosse hat das Duell in Briefform wörtlich genommen und der Koproduktion mit dem Wiener Burgtheater das Format einer Leseprobe gegeben. Einer musikalisch aufgepeppten Leseprobe, wohlgemerkt. Am rechten Bühnenrand sitzt Caroline Bigge an Schlagzeug und E-Gitarre und akzentuiert den Schlagabtausch des in herzlicher Hassliebe verbundenen Paares mit Blues-Rhythmen.

 

Ein rotsamtiges Rokoko-Sofa vor silbrig-glitzernden Vollands, mehr braucht es nicht, um das Paris im ausgehenden Ancien Régime aufscheinen zu lassen. Von links betritt die Marquise mit einem Stapel voller Zettel die Szene, die auch prompt zu Boden fallen; von rechts schlendert Martin Wuttke alias Valmont heran: Puder-Perücke, offenes Rüschenhemd, Brusttoupet und lässig schwingendes Mikro in der Hand. Ein Mix aus Mick Jagger und Captain Jack Sparrow, nur noch der Dreispitz fehlt. Dieser Valmont ist die Karikatur eines in die Jahre gekommenen Lüstlings. Im Laufe des Abends schreit und keift er, ein geifernder geiler Bock, der fast Mitleid erregt und zugleich abstoßend wirkt. So einer will verführen können? Never! Ihr hingegen traut man es durchaus zu.

 

Um es kurz zu machen: Alle beiden überdrehten nach Lust und Laune, geben dem Affen mitunter so viel Zucker, dass die Bühnenfassung John von Düffels haarscharf an der Kante zur Klamotte entlang balanciert. Das nimmt dem Stück vielfach die Schärfe. Ausnahme ist die Schilderung Valmonts, wie er das unschuldige junge Mädchen vergewaltigt. Das ist schwer auszuhalten und erinnert an die unappetitlichen Details in Fällen Weinstein und der MeToo-Bewegung.

 

Wie im Programmheft zu lesen ist, wird das Stück am Burgtheater Wien auf den Spielplan genommen und mit jeder Vorstellung sukzessive weiterentwickelt. Das könnte noch spannend werden.


Hamburger Theater Festival

läuft noch bis zum 24. Juni 2024.

Das komplette Programm unter www.hamburgertheaterfestival.de

 

„Gefährliche Liebschaften"

Deutsch von Natascha Görde und John von Düffel
Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos, Bühnenfassung von John von Düffel

Eine Koproduktion des Hamburger Theater Festivals mit dem Burgtheater Wien
Einrichtung: Jan Bosse. Mit: Caroline Peters, Martin Wuttke

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