CDs KlassikKompass

Der Komponist und Multi-Instrumentalist Sven Helbig bringt sein neuestes Werk, REQUIEM A, auf internationale Bühnen. Die Uraufführung findet am 9. Februar 2025 in der Dresdner Kreuzkirche statt.

 

REQUIEM A wird von der Staatskapelle Dresden und dem Dresdner Kreuzchor unter der Leitung von Martin Lehmann, begleitet von Sven Helbigs Live-Electronics, aufgeführt. Als Solist tritt der Opernsänger René Pape auf, der für seine herausragenden Interpretationen als Mitglied der Berliner Staatsoper sowie an der New Yorker Metropolitan Opera weltweit gefeiert wird. Im Anschluss an die Uraufführung steht REQUIEM A im Mittelpunkt des prominenten jährlichen Gedenkfestes Wiens am 8. Mai 2025, das im Herzen der Stadt, auf dem Heldenplatz, stattfindet. Zu diesem Anlass wird das Werk von den Wiener Symphonikern und dem Dresdner Kreuzchor aufgeführt. Die Konzerte werden von Visuals des isländischen Filmkünstlers Máni M. Sigfusson begleitet.

 

REQUIEM A ist ein introspektives Werk, das traditionelle liturgische Texte mit neuen, von Sven Helbig selbst verfassten, verbindet. Das "A" im Titel steht für "Anfang" und hebt Themen der Erneuerung und Versöhnung hervor. Die Komposition sucht in poetische Bilder den Übergang von der Trauer in das Leben, wobei Schlüsselmotive wie "Aufbruch", "Asche" und "Atmen" die Erzählung leiten. Inspiriert von Helbigs Reflexionen über Geschichte, Erinnerung und die gegenwärtige Relevanz von Konflikten, bleibt REQUIEM A in Hoffnung und der Möglichkeit eines Neuanfangs verankert. Ein Besuch bei seinem Großvater, der gelegentlich Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg teilte, inspirierte Sven Helbig zu Überlegungen, wie die Echos von Kriegen in die Gegenwart hineinwirken. Diese Verbindung zur Geschichte ist besonders bedeutsam, da REQUIEM A anlässlich des 80. Jahrestages der Zerstörung Dresdens und des Endes des Zweiten Weltkriegs uraufgeführt wird.

 

Sven Helbig REQUIEM A COVERSven Helbigs Werk überbrückt das Alltägliche und das Außergewöhnliche. Es bietet tief persönliche, zugleich universell zugängliche Reflexionen über Verlust, Erneuerung und Hoffnung. Mit REQUIEM A schafft er eine Meditation über die menschliche Widerstandskraft und die Möglichkeit neuer Anfänge – eine Idee, die teilweise durch Gespräche mit seiner Tochter Ida inspiriert wurde, die den Titel REQUIEM A anregte.

 

Das folgende Gespräch zwischen Sven Helbig und seiner 14-jährigen Tochter Ida Helbig bietet einen tieferen Einblick in die persönliche und künstlerische Reise, die REQUIEM A prägte.

 

Ida Helbig (IH): Was genau ist denn ein Requiem?

 

Sven Helbig (SH): Zuerst ist es eine der wichtigsten und bedeutendsten musikalischen Form der westlichen Kultur. Das erste bekannte Requiem stammt aus dem Jahre 1470 von Johannes Ockeghem. Ein Requiem war ursprünglich eine christliche Totenmesse für die Verstorbenen. In jedem Requiem geht es um den Zusammenhang von Leben und Tod, Vergänglichkeit und Unendlichkeit. Requiems werden heute noch sehr oft aufgeführt und viele Menschen hören sie sehr gern. Sie helfen, wenn einmal die Trauer fast ausweglos erscheint. Die Musik der großen, berühmten Requiems von Brahms, Fauré oder Verdi ist zwar oft traurig und auch etwas düster, aber sie tröstet ungemein.

 

IH: Und was war dein Auslöser, ein Requiem zu schreiben?

 

SH: Ich war auf der Rückreise eines Besuches bei Opa (er ist 97 Jahre alt). Da kam mir der Gedanke, dass er der Einzige in meinem Leben war, der manchmal, sehr selten vom Krieg erzählt hat. Heute ist das Thema wieder Alltag. Im Freundeskreis, in der Familie und den Nachrichten gibt es keinen Tag mehr, ohne einen Gedanken an möglichen Krieg. Mich hat das sehr beschäftigt. Wir werden das als Menschheit einfach nicht los. Da habe ich angefangen, an der Musik und den Texten für ein Requiem zu arbeiten. Als ich Dir davon erzählt habe, dass mich die Entwicklung um uns herum sehr mitnimmt und wir irgendwie einen neuen Anfang finden müssen, hast Du gesagt, dann nenn es doch am besten REQUIEM A. Das hat mir gefallen und so heißt es jetzt.

 

IH: Das ist toll. Aber was kann ein Stück Musik in dieser Situation ausrichten?

 

SH: Als Künstler kann man auf die Zeit reagieren und eine ganz persönliche Reflexion abbilden. Ich bin überzeugt, dass ohne Kunst alles noch sehr viel schlimmer wäre. Sicher hast Du schon bemerkt, wieviel Energie Musik geben kann und wie sehr sie in der Lage ist, zu trösten.

 

IH: Ja das kann Musik, aber auch der Text von Liedern. Worum geht es denn in den Texten?

 

SH: Ich mische alte liturgische Texte mit neuen Texten von mir. Die neuen Texte haben mir erhebliches Kopfzerbrechen bereitet. Ich musste mir erstmal klar machen, was ich überhaupt erzählen will. Das Requiem wird zum 80. Jahrestag der Zerstörung Dresdens und des Endes des 2. Weltkrieges aufgeführt. Als ich Dir davon erzählt habe, hast Du spontan gesagt, ich soll es REQUIEM A nennen - A für Anfang. Das fand ich wundervoll, denn genau dort liegt die Antwort. Nach einer Auseinandersetzung, oder nach einem schmerzlichen Verlust muss man zurück in das Leben finden. Ich habe mich entschlossen, nicht den Krieg zu thematisieren. Jeder Krieg entwickelt sich aus irgendeiner Art schwelender Verletzung. Vergebung ist ein großes Wort, aber der einzige Schlüssel, damit umzugehen und einen neuen Anfang zu finden. Atem ist auch ein wichtiges Wort im REQUIEM A, weil es für Leben und Anfang steht.

 

IH: Worum geht es noch?

 

SH: Im Sanctus habe ich auch einmal die Schuld mit in den Text genommen, aber nicht das eigentliche Wort. Es heißt: “…an den Händen Blut, und Asche im Gesicht”. Blut, weil wir leider alle nicht unschuldig durchs Leben kommen und die Frage nach der eigenen Schuld immer sehr wichtig für die Selbsterkenntnis und einen Neubeginn ist. Asche ist ein Symbol für die Auferstehung, die Wiedergeburt und die Wandlung. Vergebung, Trauer, Trost sind natürlich auch wichtige Zutaten für ein Requiem.

 

IH: Warum mischst du liturgische Teile mit neuen Stücken und schreibst nicht alle Texte selbst?

 

SH: Mein Requiem ist aufgebaut, wie eine zerstörte und teilweise wiedererrichtete Stadt. Die Kreuzkirche in Dresden hielt der Bombardierung stand, aber der Altmarkt rundherum wurde zerstört und auch nicht historisch wieder aufgebaut. Der Grundriss blieb erhalten, aber es wurden vollkommen neue Gebäude darauf errichtet. Genau so ist REQUIEM A auf einem Grundriss entstanden. Kyrie und Agnus Dei sind so zu sagen die alten Baudenkmäler darauf. Manche Stücke, wie das Sanctus haben originale Bestandteile, sind aber durch neue Texte von mir ergänzt. In etwa, wie die wiederaufgebaute Dresdner Frauenkirche. In der ursprünglichen 9-teiligen Form des Requiems stehen Agnus Dei und Kyrie an ihren ursprünglichen Plätzen.

 

IH: Also ist es kein Zufall, dass dein Requiem aus 9 Teilen besteht?

 

SH: Nein, ist es nicht. Die Zahl 9 steht in der spirituellen Welt für Neubeginn, für Vollendung, Humanität und Universalität. Die 9 verkörpert auch die Energien des Löwen. Hierbei geht es darum, zu lernen mit der eigenen Kraft umzugehen.

 

IH: Und was hat es mit dem Mädchen auf dem Coverbild auf sich? Von weitem sieht es aus, wie ein Stern.

 

SH: Ja, genau, ein Hoffnungsschimmer vielleicht. Ich habe immer wieder gehört, dass die zerstörten Städte nach dem Krieg für Kinder aufregende Abenteuerspielplätze waren. Kinder können sehr schnell auf neue Situationen reagieren und etwas Positives daraus machen. Ich hatte ein springendes Mädchen fotografiert und es auf den schwarzen Hintergrund gestellt, aber sehr viel größer. Ich habe es dann meinem Freund Neil Tennant gezeigt und es war seine Idee, dass Mädchen sehr klein abzubilden. Er sagte: “…alles Schwarz, aber noch Leben in der Mitte…”. Das gefiel mir sofort sehr gut. Sein Satz ist sogar Teil des Textes im Schlusschor.


Sven Helbig: REQUIEM A

Label: Deutsche Grammophon

Digital-, Vinyl- und CD

Dauer 60 Min.

VÖ: 8. Mai 2025

Weitere Informationen (Label)

Weitere Informationen (Konzert in Dresden)

 

Weitere Konzertaufführungen von Requiem A:

Uraufführung REQUIEM A: 9. Februar 2025 mit dem Dresdner Kreuzchor und der Sächsischen Staatskapelle in der Kreuzkirche Dresden und dem Bassisten René Pape.

 

8. Mai 2025 – Heldenplatz Wien

Wiener Symphoniker, Dresdner Kreuzchor, Solist: René Pape

Live Electronics: Sven Helbig, Dirigat: Martin Lehmann

Live-Übertragung durch das ORF. Eröffnungsrede: Bundespräsident der Republik Österreich Alexander Van der Bellen

 

Oktober 2025 — Coventry Cathedral

Birmingham Symphony Orchestra, Trinity Boys Choir, Dresdner Kreuzchor, Live Electronics: Sven Helbig, Dirigat: Martin Lehmann

Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)

Kommentare powered by CComment