Das Streben der ganz großen Jazzlegenden wie Miles Davis, John Coltrane, Dexter Gordon, Sonny Rollins und wie sie alle hießen, war es seinerzeit, vor allem einen eigenen Sound, einen eigenen Ton und eine eigene Musik zu entwickeln.
Etwas, was es so noch nicht gab und was sie unverwechselbar machen sollte und auch machte. Bei vielen ist es geglückt und kaum hört man einen ihrer Töne, weiß der Jazzfreund: „Das ist doch …!“
In unseren Tagen hat sich vieles geändert, der europäische Jazz ist ohnehin einen eigenen Weg gegangen und man fragt sich: Geht das überhaupt noch – etwas ganz Neues und Eigenes zu schaffen?
Der Hamburger Saxophonist Gabriel Coburger (42) ist der Beweis dafür. Ja, es geht! Als einstiger Schüler von Dieter Glawischnig, der lange den Jazzstudiengang leitete und somit auch die Jazzentwicklung in Hamburg entscheidend prägte, hat er, wie er selbst einmal sagte, gelernt zu "beißen". Man müsse, wolle man eigene Ideen und eine eigene Musik entwickeln, das "Beißen" lernen, sagte Glawischnig zu seinen Schülern. "Bis auf den Knochen und diesen dann auch noch abnagen..."
Diese Suche nach der Essenz des eigenen Ausdrucks findet man recht selten. Viele Musiker ringen um die Gunst der ohnehin recht begrenzten Jazzliebhaberschar und greifen immer häufiger gerne auch auf Pop- und Rockhits zurück. Das Publikum soll somit nicht zu sehr mit dem strapaziert werden, was den Jazz eigentlich ausmacht: Improvisation, Spontanität, das Zusammenspiel und die Interaktion der Musizierenden.
Coburger kombiniert dies alles. Bei seinem Konzert am 6. März im Harburger Jazzclub im Stellwerk gastierte er mit seinem Gabriel Coburger Quartett und lud die Zuhörer regelrecht zur Mitarbeit ein. Denn seine Musik ist nicht gefällig oder sich selbst erklärend. Man muss schon an den Hörgewohnheiten arbeiten, um Verständnis aufzubauen, die Musik wirken lassen und diese genau und konzentriert zu verfolgen. Doch dann ist sie da, diese Essenz des "Beißens" am musikalischen Knochen. Melodien und Harmonien, die zwar an Coltrane oder Rollins erinnern mögen, aber doch auch so viel neue Einflüsse verarbeiten, regelrecht verdaut haben. Und dann entsteht dieser Coburger-Ton und Sound, der sein Spiel von anderen deutlich unterscheidet. Das ist Jazz! Musik des Augenblicks und des Hier und Jetzt! Und das Publikum folgt ihm, arbeitet regelrecht mit. Und auch seine musikalischen Mitstreiter: Wolf Kerschek (Piano und sonst im Leben der Leiter des Hamburgischen Jazzstudiengangs), dessen Bruder Sven Kerschek (Bass und Gitarre) und der Berliner Schlagwerker Roland Schneider folgen seinem Beispiel.
Es ist nicht jener Jazz, in dem einer nach dem andern sein Solo darbietet und man dann jeweils danach kurz applaudiert und wir so den Eindruck bekommen das Gruppengefüge funktioniere nur so. Nein, es ist das Gesamtwerk, das durch die Melodiefragmente, Rhythmik, Harmonie und sich überlappende Interaktion einfach etwas Neues schafft. Spannung pur. Die Besucher des Stellwerks wussten all das zu schätzen und es wäre auch zukünftig schön, mehr solcher eigenwilligen und begnadeten Musiker einem immer größer werdenden Publikum vorzustellen.
Zum Glück können wir Coburger bald wieder hören: mit seinem völlig anders strukturierten Projekt „Quintett Jean Paul“.
Am 13. März 2009 im StageClub, Stresemannstr. 163.
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