Musik
Voices of Aotearoa Stimmen aus Neuseeland. Das Fremde im Eigenen entdecken

Der Voices New Zealand Chamber Choir feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen, ein guter Grund, eine Konzertreise nach Europa zu initiieren. Neben den beiden deutschen Städten Berlin und Hamburg, führt der Weg auch nach Barcelona, London, Aix-en-Provence und Le Quesnoy.
Letztgenannter Ort ist der kleinste auf der Reise, aber für das neuseeländisch-französische Verhältnis ein sehr bedeutsamer. Vor genau 100 Jahren befreiten Neuseeländische Truppen die Stadt an der belgischen Grenze von deutscher Besetzung. Das ist bis heute dankbar unvergessen.

Die beiden französischen Orte, der dortige gesangliche Besuch und das Gedenken an den neuseeländischen Einsatz im Ersten Weltkrieg wurde sinnvoller Weise mit weiteren Konzertorten ergänzt.

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„Aotearoa“ ist einer der ursprünglichen Maori-Namen für Neuseeland und kann als das Land der „langen weißen Wolke“ übersetzt werden. Dass der Chor sich (s)einem transkulturellen Erbe widmet, zeigt sich nicht allein in der programmatischen Benutzung der Maori-Bezeichnung für die Inseln im Südpazifik, sondern beim Konzertabend in der Hamburger Laeiszhalle auch noch in vielen weiteren Facetten und das machte eben den Reiz des Konzertes aus.
Leider war die Veranstaltung offensichtlich nicht für ein großes aufgeschlossenes Publikum in der Hansestadt relevant, denn der kleine Saal der Musikhalle war nur zur Hälfte mit Zuhören besetzt. Es mag sein, dass das Hamburger Publikum keine europäische oder europäisch orientierte Musik von einem neuseeländischen Chor erwartet, es bleibt aber festzustellen, dass diese Denke ein großer Fehler wäre, denn das Ergebnis zeigt, das die örtlich-räumliche Entfernung in keiner Weise die Qualität schmälert. Im Gegenteil, der Chor kann mit vielen anderen Chören aus unseren Gefilden locker mithalten. Der Mehrwert lag und liegt im starken Ausdruck von Interpretation und einem transkulturellen Überbau sowie der Auffassung einer Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit von Internationalität.

Der Chor, der sich also im globalen Vergleich sehen und hören lassen kann, erarbeitete ein Programm einer höchst interessanten Mischung aus Kompositionen und Arrangements aus Europa, den USA und Neuseeland. Mit dem europäischen Erbe kam der Voices New Zealand Chamber Choir unter der Leitung von Karen Grylls ebenso zurecht wie mit den überzeugenden musikalischen Maori-Traditionen. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass es der Chor schaffte, keine divergierenden musikalischen Gegensätze zu produzieren oder gar in eine folkloristische Ecke zu geraten, sondern ein authentisches Bild der Traditionen, jeweiligen Herkunft und Ableitungen zu kreieren. Das Einmalige des Abends lag darin, dass das Programm das Fremde im Eigenen ebenso sichtbar machen konnte wie das Eigene im Fremden. Es wurde deutlich, dass die Neuseeländer anders mit ihrem Erbe umgehen als beispielsweise die Australier.

Wie nah sich Traditionen kommen können und wie gut sie sich ergänzen und sogar bedingen zeigte sich gleich im ersten Stück, einem Werk von Hildegard von Bingen „O viridissima virga“. Geführt von einem Maori-Blasinstrument (taonga puoro) begann es gregorianisch und wurde wie selbstverständlich in die Polyphonie der Neuzeit geführt. Und auch im zweiten Stück, einem Schlaflied, dessen Lyrik wie Komposition von Prizessin Te Rang i Pai „Hine e hine“ stammen. Sie studierte Gesang und Komposition in England und Australien Ende des 19. Jahrhunderts und verband in ihrem Werk beide Welten.
Bemerkenswert die Präzision des Chores, klare Einsätze, gute Einzelstimmen und Farbigkeiten im Ausdruck sowie die Sprachstärke, auch oder gerade in den französischen Texten und im Vortrag der deutschen Übersetzung!

Wohl eines der stärksten Stücke des Konzertabends war die Komposition und Interpretation des Finnen Jaakko Mäntyjärvi „Canticum calamitis maritimae“, die sich auf das tragische Schiffsunglück der MS Estonia in der Ostsee 1994 bezieht. Hervorragend und einfühlsam zugleich wie sich Geräusch, Klang, Melodie und Text zusammenfügte. Es wurde deutlich, dass die Kraft der Natur, der immer auch ein Moment des Sterbens und Todes innewohnt, auch die neuseeländische Seele berührt, weil der realistisch geformte Vergänglichkeitsprozess im Stück, eine allgemeingültige und über Kulturgrenzen hinaus, Empathie produziert.

Die Addition von gesanglicher Melodie (Chor) mit Klang und Geräusch einer luftig geblasenen Flöte (des Musikers Horomona Horo) oder eines durch Rotation Ton-schwingenden Objekts zog die Zuhörer auch am Ende des mehrteiligen Konzerts in den Bann.

Der grundlegende holistische Ansatz von Kultur bei den Maori, das Erzählen von Geschichten, seien sie religiöser oder naturhafter Gestalt, die Verknotung von sehr unterschiedlichen Traditionen ist der gelungene Ausdruck einer Idee, die integrativ denkt und handelt – im Eigenen wie im Fremden.

Voices of Aotearoa

Voices New Zealand Chamber Choir
Leitung:
Dr Karen Grylls
Maori-Instrumente: Horomona Horo
Homepage des Chores

YouTube-Video
Voices New Zealand

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voice of the soul - a journey of traditions, story telling and passionate music of the senses

Voices New Zealand Chamber Choir
Leitung:
Dr Karen Grylls
Horomona Horo
, taonga puoro
Voices16 – CD
61. Min.
EAN: 9421000502133


Abbildungsnachweis:
Header:
Voices New Zealand Chamber Choir. Foto: Marina Friedt
Galerie:
01. Maori-Instrumente. Foto: Marina Friedt
02.
Horomona Horo. Foto: Claus Friede
03. Horomona Horo bei Spiel einer Flöte. Foto: Marina Friedt
04. und 05.
Voices New Zealand Chamber Choir. Fotos: Marina Friedt

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