Musik
Mezzosopranistin Maite Beaumont Le Figaro di Nozze Staatsoper Hamburg

Die sich zum Ende neigende Spielzeit in der Staatsoper Hamburg könnte man leicht unter folgendes Motto stellen: Ehemalige Mitglieder des Hamburger Opernstudios, die eine glänzende Karriere machten, gastieren in Hamburg.
Dazu zählen Elena Zhidkova, Alexander Tsymbalyuk, Aleksandra Kurzak oder Olga Peretyatko. Für den Figaro kehrt auch Mezzosopranistin Maite Beaumont an ihre frühere Wirkungsstätte zurück und antwortet auf Fragen von Staatsoper-Dramaturgin Annedore Cordes.

Annedore Cordes (AC): Die Rolle des Ruggiero 2002 bei der Hamburger Premiere von Georg Friedrich Händels Oper Alcina machte Sie schlagartig bekannt. Seither sind Sie nicht nur mit dieser Partie international renommiert, sondern auch mit Rollen wie Rinaldo und Idamante, Sesto oder Cherubino aus Werken Händels und Mozarts. Da kann man schon fragen: Wenn Sie in Hosenrollen auftreten, haben Sie noch immer Freude und Lust daran, sich in diese männlichen Charaktere hinein zu versetzen?

Maite Beaumont (MB): Es macht mir immer sehr viel Freude, Figuren auf der Bühne darzustellen, egal, ob ich einen Mann oder eine Frau spiele. Ich denke darüber nach, was in einem Stück erzählt werden soll, und versuche, mich in die Charaktere hinein zu versetzen und meine eigene Interpretation zu finden. Jetzt singe ich hier in Hamburg wieder Cherubino und werde in Zukunft Rollen wie Octavian im Rosenkavalier und den Komponisten aus Ariadne auf Naxos in mein Repertoire aufnehmen. So genau weiß ich auch nicht warum, aber ich habe immer eine Affinität zu diesen Hosenrollen gehabt, und von Natur aus ist es mir nie schwergefallen, Männer zu spielen. Natürlich macht es mir Spaß, jetzt verstärkt die großen Belcanto-Rollen zu singen. In dieser Woche habe ich zum Beispiel Adalgisa aus Bellinis Norma einstudiert, denn ich habe das Gefühl, jetzt ist der perfekte Zeitpunkt für diese Partie gekommen. Das Liebesduett mit Pollione, Adalgisas innerer Kampf zwischen Liebe und Verbot, ist höchst dramatisch und von einer starken melodischen Intensität geprägt. Da fühle ich mich gut aufgehoben, denn selbstverständlich möchte ich auch die großen Frauenrollen verkörpern. Im Dezember kommt in Barcelona mit Isabella in Rossinis Italienerin in Algier eine weitere Facette hinzu. Denn Isabella drückt Lebensfreude pur aus. Ich bin sehr froh, dass ich mit solchen Rollen die ganze Palette vom Drama bis hin zu eben dieser komödiantischen Isabella singen und daher auch als Schauspielerin auf der Bühne darstellen darf. Das lässt sich nicht trennen: Singen und schauspielern gehören für mich zusammen.

AC: Dann ist es letztlich gleichgültig, ob Sie – vollkommene Identifikation mit einer Rolle vorausgesetzt – als Mann oder als Frau auftreten? Und genau betrachtet: Würden Sie beispielsweise bereits an der Musik erkennen, ob Sie einen Mann oder eine Frau darstellen?

Maite Beaumont Foto Staatsoper HamburgMB: Mann oder Frau – eigentlich kann ich das gar nicht an der Musik allein festmachen. Oft haben die männlichen Figuren ein ähnlich breites Ausdrucksspektrum wie die Frauen. Klar, es gibt Herrscher- und Kriegsmusiken, aber die vielseitigen Charaktere besitzen ebenso melancholische und sehr emotionale Musik. Es gibt viele Männerrollen für Mezzosopranistinnen im Barockrepertoire – Partien, die ja ursprünglich meistens von Kastraten gesungen wurden und erst später von Frauen. In letzter Zeit werden sie wieder zunehmend von Countertenören übernommen. Ich finde nicht, dass es dabei wesentliche Unterschiede gibt. Die männlichen Figuren haben zudem häufig „weibliche“ Charakterzüge. Ein gutes Beispiel dafür ist die Partie des Flavius Bertaridus in Telemanns gleichnamiger Oper, die ich ja auch in Hamburg singen durfte. Flavius sieht sich mit der Situation konfrontiert, vertrieben und seines Landes beraubt worden zu sein. Das Erleben seiner Rückkehr ist höchst emotional. Daher kann man als Sänger lyrisch sehr viel zeigen und seine Empfindungen ausdrucksstark gestalten. Oder nehmen wir Händels Rinaldo: Manche der Arien sind bewusst heroisch gestaltet. Und zugleich hat er ebenso Szenen, in denen er leidend und liebessfähig gezeigt wird. Derart betrachtet hat die männliche Figur in der Barockoper sogar ein größeres Gefühlsspektrum als manche Sopranstimme, die im Wesentlichen schöne, liebende und aufopferungsvoll leidende Frauen darzustellen hat.

AC: Die Figur des Cherubino aus Le Nozze di Figaro, die Sie seit Jahren an großen internationalen Häusern verkörpern, lässt sich mit Fug und Recht als „pubertierenden Amor vom Dienst“ beschreiben. Und es sind – im Unterschied beispielsweise zur stets von Anfängerinnen gespielten Barbarina – gestandene Sängerdarstellerinnen wie Frederica von Stade, Tatiana Troyanos bis hin zu Christine Schäfer, die den Cherubino lange in ihrem Repertoire gehalten haben.

MB: Vom Repertoire her ist das zweifellos eine Basisrolle und gehört zum Bestand jedes lyrischen Mezzosoprans. Es ist schon gut, immer wieder zu dieser Partie zurück zu kehren, gerade in technischer Hinsicht. Außerdem ist Cherubino so ungemein sympathisch mit seinen beiden Arien, die natürlich jeder kennt. Daher müssen diese Arien auch so perfekt gesungen werden und haben ihren festen Platz in der Opernliteratur. Ein Sänger sollte Mozart eigentlich stets im Repertoire behalten, denn technisch bedeutet das: Wenn man Mozart kann, dann kann man alles andere auch. Es ist wichtig, die Stimme immer jung und frisch zu halten, dann ist es eigentlich egal, in welchem Alter man ist.

AC: In diesem Zusammenhang nachgefragt: Verändert sich mit der Zeit Ihr Blick auf Rollen?

MB: Klar, die Perspektive ändert sich stets ein wenig. Ich habe mich ja auch als Person verändert. Ich bin erwachsener geworden und habe ich mich weiter entwi­ckelt. Und dann ist im Beruf und in meinem Privatleben einiges bei mir passiert, so wie bei jedem, und daher betrachtet man vieles mit ganz anderen Augen. Die Lebenserfahrung spielt da nicht von ungefähr eine entscheidende Rolle: Das Verständnis für vieles ist umfassender, und man erkennt die Zusammenhänge auch besser. Mit den Jahren schaut man zurück und sagt sich: „Oh, vor zehn Jahren habe ich diese Rolle so gesungen. Heute fällt mir einiges leichter, und ich mache auch einiges bewusst anders.“ Ich empfinde es tatsächlich als sehr bereichernd, die sängerische Entwicklung mit ganz bestimmten Partien zu durchleben.

AC: Von „Le Nozze di Figaro“ gibt es exzellente Deutungen in ganz unterschiedlichen Lesarten, nicht zuletzt hier an der Hamburgischen Staatsoper, zuletzt in den Inszenierungen von Johannes Schaaf und Stefan Herheim. Und Sie waren erst Teil der einen und werden jetzt Mitwirkende in der neueren Interpretation sein: Reizt es Sie, in doch so unterschiedliche Konzepte einzusteigen? Und konnten Sie sich schon einen Einblick in die aktuelle Produktion verschaffen?

MB: Ja, ich habe Fotos angeschaut und mir Ausschnitte aus einem Video angesehen. Und ich finde, die Inszenierung sieht sehr einfühlsam und poetisch aus. Das Bühnenbild ist mit Mozarts Notenblättern dekoriert und die historisch anmutenden Kostüme sind ebenfalls mit Noten bedruckt. Ein Figaro aus der Musik heraus inszeniert, ist eine kreative Bühnenlösung, die mir gefällt. Ich freue mich sehr darauf.

AC: Nicht nur in Ihrem Heimatland Spanien – geboren in Pamplona – sind Sie erfolgreich und anerkannt. Wenn Sie einen Vergleich zu den deutschen Opernhäusern ziehen, gibt es Unterschiede? Oder führt das internationale „Sängerinnen-Reise-Leben“ nicht doch dazu, dass sich die Institutionen mehr und mehr ähneln?

MB: Nach meiner Erfahrung – vor kurzem in Barcelona und Madrid – arbeiten die internationalen Häuser inzwischen vergleichsweise so wie in Deutschland. Die Hamburgische Staatsoper war eine „Superschule“ für mich. Ich denke, die Art und Weise, wie in Deutschland an den Theatern gearbeitet wird, ist für einen Sänger Unterstützung und Herausforderung zugleich. Als Künstler kann man sich in so einem Umfeld richtig gut entwickeln und entfalten. Das gibt es in anderen Ländern sicherlich inzwischen auch, aber trotzdem ist das Arbeitsniveau nicht überall so intensiv, wie ich es in Hamburg oder auch in München erleben durfte. Aber wie gesagt: Dies ändert sich ständig. Und inzwischen wird an vielen Theatern unter vergleichbaren Bedingungen gearbeitet. Nicht von ungefähr sind zahlreiche Regisseure oder Dirigenten ja unentwegt international unterwegs, und man arbeitet dabei doch immer wieder an denselben Theatern. Man trifft sich mit einem Dirigenten und erinnert sich: „Ach, diese Oper haben wir auch zusammen in Hamburg gemacht.“

AC: In Deutschland findet man an den Häusern noch ein vielfältiges Repertoire, wie es international eher selten ist, da zumeist mit dem Stagione-System gearbeitet wird...

MB: Ja, man lernt hier als junger Sänger den Opernalltag früh und gründlich kennen. Und das ist sehr wichtig für die Berufslaufbahn: Zu wissen, was man braucht, was man kann, was gut ist und was nicht. Erfährt man dies bewusst von Anfang an, so ist dies eine sehr gute Basis für eine Karriere.

AC: Zum Schluss die Frage: Was verbindet Sie ganz persönlich mit Hamburg?

MB: Ich bin mit einem Hamburger verheiratet und komme regelmäßig hierher, um die Schwiegereltern – für meine Tochter die Großeltern – zu besuchen. Für mich ist und bleibt die Staatsoper die Nummer eins. Die Jahre hier waren für mich etwas ganz Besonderes. Überall im Theater habe ich stets eine besondere Unterstützung gefühlt und von mir aus versucht, immer alles zu geben. Und zugleich habe ich mit diesem Fundament wahnsinnig viel gelernt und liebe es daher sehr, hier in Hamburg zu arbeiten und zu singen.

Wolfgang Amadeus Mozart: Le Nozze di Figaro

Ort: Staatsoper Hamburg, Großes Haus, Dammtorstraße 28, 20354 Hamburg
Inszenierung: Stefan Herheim
Bühnenbild: Christof Hetzer
Kostüme: Gesine Völlm
Licht: Phoenix (Andreas Hofer)
Video: fettFilm
Dramaturgie: Alexander Meier-Dörzenbach

Eine Pause von ca. 25 Minuten nach dem zweiten Akt
In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Unterstützt durch die Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Staatsoper

Donnerstag 21. Juni 2018, 19.00 Uhr
Samstag 23. Februar 2019, 19.00 Uhr
Donnerstag 28. Februar 2019, 19.00 Uhr
Sonntag 03. März 2019, 19.00 Uhr
Dienstag 05. März 2019, 19.00 Uhr


Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit der Staatsoper Hamburg und wurde erstmalig veröffentlicht im Journal Nr. 6, 2017/18.

#Staatsoper #Hamburg #Mozart #Le Nozze di Figaro


Abbildungsnachweis:
Header: Maite Beaumont in der Rolle des Flavius Bertarius. Foto (c) Staatsoper Hamburg
Portrait: Maite Beaumont

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