Die von der Klassik importierte Ernsthaftigkeit war – als Folge der Trotzreaktion, die an ihrer Wiege stand – eine Behauptung und wurde zur Pose, weil man glaubte, sie müsse sich im Auftritt manifestieren, nicht in der Arbeit, die diesem vorausgeht. Der Ernst wurde heilig und am Ende zogen die meisten die Sonnenbrillen auf. Wer die Blues Brothers kennt, weiß, wie viel Ironie in dieser Geste stecken kann; wer in einem Jazzkonzert gewesen ist, wie viel Bierernst. Und das angesichts eines Kernrepertoires, das noch immer hauptsächlich auf Broadway-Musical und Hollywood-Schmonzetten zurückgeht, Gattungen mithin, die nur dort wirklich gut sind, wo sie die Hinwendung zum Publikum mit einem Augenzwinkern paaren. Ohne seriöses Arbeiten geht auch hier nichts. Aber es kommt der Moment, in dem die Musiker vor ihr Publikum treten, und spätestens jetzt interessiert sich niemand mehr dafür, wie lange man darüber nachgedacht hat, eine scheintote 2-5-1-Verbindung zurück ins Leben zu rufen. Jetzt ist die Lust am Spiel angesagt, die Lust am Leben. Und dafür gibt es ein Zeichen, das seit Jahrhunderten und in allen Herren Ländern verstanden wird: ein Lächeln.
(Christoph Becher ist Musikwissenschaftler, persönlicher Referent des Generalintendanten der Elbphilharmonie Hamburg und begeisteter Jazzmusiker.)
Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)
Kommentare powered by CComment