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"Der Einbrecherkönig" von Ernst Stummer (Co-Autor Reinhard M. Czar).
Dies sind die Memoiren eines Diebes, der alles in allem etwa dreißig Jahre seines Lebens in Haft verbringt und in der Zeit dazwischen versucht, es zu schaffen: mit einem Porno-Verlag etwa, mit Partnerschaftsvermittlung, mit Katalogen und kleinen Druckereien, häufig, indem er das benötigte Material entwendet, selten legal.
In Österreich, heißt es, sei Ernst Stummer eine Berühmtheit, sogar XY-Zimmermann hat (1976) einmal nach ihm geforscht. Inzwischen ist die Berühmtheit ziemlich kahl und genießt offenbar, einigermaßen vergnügt, einen äußerst bescheidenen Hauptmann-von-Köpenick-Status. Im Wachsfigurenkabinett, wie sein wirklich prominenter Vorgänger, wird er kaum landen.
"Ein Leben wie ein Krimi" steht auf dem Rücktitel – nein, das stimmt nicht. Zwar ist, was Ernst Stummer hauptberuflich betrieb, kriminell gewesen. Doch er beschränkte sich bewusst und betont auf Diebstahl. Mit Raub und Mord („…da kam man schneller für längere Zeit in Untersuchungshaft, als man glaubte…“) will er nichts zu tun haben. Und kein Kick-verwöhntes Krimipublikum interessiert sich für simple Diebstähle – sofern es nicht gerade um Supereinbrüche in Geheimdienstzentralen oder Millionenraubzüge geht.
"Die packenden Lebensberichte des legendären Wiener Einbrecherkönigs" steht auch auf dem Rücktitel. Aber besonders packend sind die leider nicht, eher beklemmend eintönig. Damit hat schon Daniel Defoe in seiner sonst amüsanten "Moll Flanders" gelangweilt: Seite um Seite wird eingebrochen und geklaut, mal wird Moll (oder Ernst) fast erwischt, mal tatsächlich erwischt und einige Male können sie sogar wieder entwischen. Seite um Seite wird das Diebesgut aufgezählt und auseinandersortiert. Für den, der es erlebt, mag es tatsächlich spannend sein, der Leser kann irgendwann die vielen aufgedröselten Türen und geraubten Sachen nicht mehr auseinander halten und will auch gar nicht.
Vielleicht ein typischer Schelmenroman?
Dazu ist er einfach nicht schelmisch genug, obwohl der Ernstl oft betont, er sei ein ganz humorvoller.
Der Verlagsleiter meint im Vorwort: "Man merkt, dass hier jemand spricht, der über die Gabe der Selbstreflexion verfügt". Eine Entwicklungsgeschichte also? Bestimmt nicht; Ernst Stummer ist egalweg unschuldig, wird angestiftet, verleumdet und kann nichts dafür, daran hat sich in siebzig Lebensjahren nichts geändert. Vom kleinen Kriegs- und Nachkriegsjungen, der es für sein gutes Recht hält, dies und das zu organisieren, führt ein schnurgerader Weg zum teils verbitterten, teils verschmitzten Alt-Ex-Knasti, unerschütterlich überzeugt davon, dass es an den Anderen liegt.
An der Mutter beispielsweise, die ihm zwar beibrachte, wie man den mit nach Haus gebrachten amerikanischen Besatzungssoldaten alliierte Dollar aus der Hosentasche stibitzte und die ihn ermunterte, sich ein Fahrrad zu stehlen, die jedoch andererseits dazu neigte, in emotionaler Aufwallung Familienmitglieder bei der Polizei anzuzeigen, notfalls für nicht begangene Taten – so auch, mehrfach, den eigenen Sohn. Oder am Vater, der seinen Sohn mit "Kommunismus" vertraut machte und ihm sein Weltbild vermittelte: Tischler, Fleischer und Hilfsarbeiter müssen sich abrackern, Bankangestellte, Journalisten oder Politiker strengen sich kaum an und machen sich nicht schmutzig. "Wieso bekommt ein Akademiker dann mehr Geld als ein Arbeiter?", will Stummer empört wissen. Die Gesellschaft ist eindeutig sein Feind und sie hat mit den Feindseligkeiten angefangen.
Mehrere Kapitelüberschriften in seinem Buch verlangen nach Gerechtigkeit oder beklagen den Mangel daran. Stummer machte Medienwirbel mit seinen Bemühungen, für Straftäter in Österreich eine Gewerkschaft oder eine Rente zu ertrotzen.
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