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Ist diese Behauptung Schopenhauers wahr? Er glaubt, dass in „jeder Sprache […] ein Schriftsteller die Präpositionen mit Besinnung über ihren Sinn und Werth [gebraucht]: nur der deutsche Schreiber nimmt ohne andre Auswahl, als die seine Kaprice [Grille, Laune], die erste, die beste, welche ihm eben in die Feder kommt.“

Sind deutsche Autoren wirklich so nachlässig? Wir haben doch alle mindestens eine Fremdsprache auf der Schule gelernt, und wie wir aus diesem Unterricht wissen, gibt es weniges, was beim Erlernen von Vokabeln, insbesondere von Verben, wichtiger ist als die Präpositionen. Denn jedes Verb verlangt andere.

 
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„Die größte Achtung, die ein Autor für sein Publikum haben kann, ist, daß er niemals bringt, was man erwartet, sondern was er selbst auf der jedesmaligen Stufe eigner und fremder Bildung für recht und nützlich hält.“ (Goethe: Maximen und Reflexionen)

 

Lothar Müller-Güldemeister macht keine Fisimatenten. Weder in seinen in summa trefflichen Amazon-Kritiken noch in seinem Roman „Uhland-Gymnasium“. Auf den ich überhaupt bloß aufmerksam geworden bin, weil ich der bei Amazon geführten Intensivdiskussion um Lutz Seilers preisgekrönten Kruso gefolgt bin. Endlich mal einer, der an der tiefsinnig sein sollenden Wortdrechselei von Erfolgsautoren überaus kenntnisreich Kritik übt, die mit ihrem gekünstelten Wortrausch von der offiziellen Literaturkritik nicht zuletzt ihrer political correctness wegen gelobhudelt werden.

 
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Wenn wir einmal von dem Auflagengiganten Bastian Sick absehen, sind wohl keine Sprachkritiker berühmter als Karl Kraus und Arthur Schopenhauer.

Die Sprachkritik von Karl Kraus (1874-1936) ist immer noch etwas mehr, nämlich Kritik am Journalismus. Zwar hat er in der nicht nur von ihm herausgegebenen, sondern auch von ihm beinahe allein zusammengeschriebenen „Fackel“ sich mit nur ganz wenigen Zeitungen auseinandersetzt, die aber für den Journalismus insgesamt stehen sollten.

 
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Worin besteht Sprachkritik: Richtet sie sich auf Grammatik und Vokabular und sonst nichts, oder muss sie die Sprache als Ausdruck fehlerhaften Denkens und einer defizitären Moral nehmen?

Es gab schon so unfassbar viele Sprachkritiker… Manche traten unter dem Banner der Grammatik an und beschwerten sich über überflüssige Fremdwörter und falsche Wortstellungen. Auch vermissten sie den Genitiv oder das Dativ-e.

 
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Krimis kannten bereits die alten Griechen, auch wenn sie bei ihnen noch nicht so hießen. Das Genre existierte in dem Sinne noch nicht. Die Familiengeschichte rund um die liebliche Tochter des Agamemnon und der Klytämnestra, Iphigenie, bot Stoff genug für einen oder mehrere historische Krimis ganz großen Stils. Denn was hängt nicht alles daran?

Verrat, wirklicher oder vermeintlicher Mord unter Familienangehörigen, durch schlechtes Gewissen hervorgerufene geistige Zerrüttung, Schuld, Rache, Lug und Trug, Verschleppung, Diebstahl, und, nicht zu vergessen, ein veritabler Krieg, der auch nichts weiter als das Ergebnis einer, allerdings gewollten, in Liebe herbeigesehnten und folglich jedenfalls teilweise gutgeheißenen Entführung, eines Menschenraubs und einer Vereinigung ist. Doch gehen die Meinungen darüber, wie bekannt, auseinander.

 
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Kennen Sie Tschechow? Nein? Sie sollten ihn kennen (lernen). Warum? Weil dieser sozial engagierte russische Autor und Arzt, dieser Meister der kleinen Form, wie kaum ein anderer Autor in die Ab- und Hintergründe der Seele des Menschen geschaut hat.

Ich erinnere vor allem an die Meistererzählung über die Ehebrecherin Agafja, in der die Zerrissenheit, das Nicht-ein-noch-aus-Wissen der Protagonistin ähnlich intensiv, hautnah und bedrückend wie die gehobene und kriecherische Lust am Quälen und Drangsalieren der in Abhängigkeit gehaltenen Kreatur im Tobias Mindernickel von Thomas Mann vergegenwärtigt wird.

 
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Kennengelernt habe ich Rolf Kühn beim ECHO Jazz 2011 in Dresden. Sein Bruder Joachim und er wurden für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

 

Ich hatte gerade mein zweites ELBJAZZ Festival hinter mir und jobbte beim ECHO im Backstage, schmierte Schnittchen und kümmerte mich um das Wohlbefinden der Künstler*innen. Solche und solche gab es da. Die mit den Extrawünschen und Allüren und dann eben die anderen. So wie Rolf zum Beispiel. Der fragt, wie es Dir geht, wo Du herkommst, was Du machst. Der trotz aller Größe voll Bescheidenheit und Neugierde geblieben ist.

 
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Zu Beginn überlegt man: Woher kenne ich das Motiv? Wo ist es mir bereits begegnet? Man liest weiter und grübelt beim Lesen: Wo ist mir etwas Ähnliches schon einmal untergekommen? Da, plötzlich, die Erleuchtung! Die traurig-heitere, anrührend-schöne Literaturverfilmung des gleichnamigen Romans von Winston Groom Forrest Gump mit Tom Hanks in der Titelrolle ist eine teilweise skurrile, burleske Reise durch die wahnwitzige amerikanische Geschichte des letzten Jahrhunderts.

Köhlmeiers Abendland ist das (nicht nur) europäische Pendant dazu. Im Unterschied zum amerikanischen ‚Original’ allerdings agieren in diesem Roman neben so vielen anderen drei Hauptpersonen, und die eine, ein Schriftsteller, ist darüber hinaus der von seinem väterlichen Freund, Paten und Mäzen in berechnender Absicht engagierte Erzähler.

 
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Seltener Fall, dass ein Erzähler souverän unterschiedliche Stilformen beherrscht. Thomas Mann war ein Meister darin. Dann noch, selbstredend, Goethe.

Lessing verstand sich darauf. Kein Wunder bei diesem unglaublich feinfühligen, leiseste gedankliche Differenzierungen sprachlich exakt nachzeichnenden Spätaufklärer.

 
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„Sagen Sie nicht, Sie hätten keine Zeit, denn so etwas wie ‚keine Zeit‘ gibt es bei mir nicht!

Schünda hatte sich eben auf den Operationstisch gelegt und ließ geduldig die in einem samtigen Alt vorgetragenen Ermahnungen der grün maskierten Schwester über sich ergehen. Sie beugte sich über ihn, wie sich eine Leselampe über ein Buch beugt, und beschwor den widerspenstigen Patienten, nein befahl ihm kategorisch, sich nach der Operation wirklich zu schonen und nicht gleich irgendwohin zu hetzen. „Sie kriegen eine schöne Tasse Kaffee und ruhen sich noch ein Stündchen aus, und dann, wenn die Betäubung nachgelassen hat, dann dürfen Sie sich abholen lassen!“

 
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Der ewige Schachspieler

Nach dem Ausflug nach Täby (Schweden) setzte ich mich, von den vielen Eindrücken ermattet, in eine der vielen verschwiegenen Ecken, die mir die ungeheuerliche Bibliothek von Rolf Littorin (R.L. 1923-2015) bot, und studierte eine kleine Broschüre über die örtliche Kirche, die wir besichtigt hatten. Einem gewissen Albertus Pictor wurde das ebenso ungelenke wie anziehende Bild von Ritter und Tod zugeschrieben, die miteinander Schach spielten, und R.L. wollte ja zu gerne wissen, warum seit der Restaurierung das furchtbare Wort, das der Tod zu dem Ritter sprach, fehlte. „Ich setze dich matt!“, drohte der Tod dem Jüngling. Die These, dem Gemeinderat sei die Farbe für die Inschrift zu teuer gewesen, wollten wir einerseits nicht ganz unwahrscheinlich, andererseits aber doch ein wenig zu profan finden.

 
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Man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass sich dieses Buch, das man immer wieder lesen und/oder als Nachschlagewerk zu Rate ziehen kann, als Standardwerk etablieren wird oder bereits etabliert hat.

 

Es bietet eine Analyse der Newtonschen Mechanik in ihrer mehr als 200jährigen, speziell – „bedingt durch die Konzeption reiner Mathematik“ (358) – deutschsprachigen Entwicklung. Im Zentrum steht die Frage nach ihrer Modernisierung vor dem Hintergrund der Frage nach dem Wandel im Verhältnis zwischen Axiomatik und Empirie. Sein wichtigstes Ziel sieht Pulte darin, „die Auflösung des axiomatischen Denkens der KMN (Klassische Mathematische Naturphilosophie, F.-P.H.) im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu analysieren“ (76). Der Übergang „von einem ‚axiomatisch-deduktiven‘ zu einem ‚hypothetisch-deduktiven‘ Theorieverständnis“ (81) soll nachvollzogen werden. Behandelt werden, um nur die wichtigsten Theoretiker zu nennen, I. Newton, L. Euler, J. Lagrange, I. Kant, J. Fries, C. G. J. Jacobi, B. Riemann und C. Neumann. Für an Fragen der reinen und angewandten Mathematik, der Physik und Wissenschaftstheorie (-geschichte) Interessierte ist diese Arbeit gleichermaßen lesenswert.

 
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Martin Suter, das Ass? Die Rezensenten sind voll des Lobes, enthusiasmiert und euphorisch. Wo man hinhört: Aufgeregte Superlative im Rauschen des Blätterwalds.

Doch kann das sein? Trifft diese hypertrophe Begeisterung den Schweizer Autor in seinem Kern, oder legt sie falsche, der Sensationsgier geschuldete Fährten?

 
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„..., dass für den Künstler, der dieses Namens würdig sein will, die Gefahr, dem Publikum zu missfallen, eine weit geringere ist als die, sich durch dessen Launen bestimmen zu lassen – und dieser Gefahr bleibt jeder ausübende Künstler insbesondere preisgegeben, wenn er nicht entschieden und prinzipiell den Muth fasst, für seine Überzeugung ernstlich und consequent einzustehen und die von ihm als die besseren erkannten Sachen vorzuführen, mag es den Leuten gefallen oder nicht.“ (Franz Liszt)