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Suffragette Film Trailer

In dem Politdrama „Suffragette” schildert Regisseurin Sarah Gavron den leidenschaftlichen militanten Kampf der britischen Aktivistinnen für das Frauenwahlrecht. Es geht um Ausbeutung, Armut, Gleichberechtigung und Freiheit. Und um Männer, die scheinbar nur die Sprache der Gewalt verstehen wollen.
London 1912, Maud Watts (Carey Mulligan) ist eine junge Frau aus dem Londoner East End. Schon als Siebenjährige arbeitete sie in den riesigen feuchtkalten Kellergewölben der Glashaus-Wäscherei. Hier wurde sie geboren, hier starb ihre Mutter. Maud war noch ein Kind, als der Boss sie missbraucht. Kein Einzelschicksal.

Der Lohn ist kläglich, Chemikalien verätzen Haut und Lungen. Doch die Ehe gibt so etwas wie ein Gefühl von Sicherheit. Wenn sie ihren kleinen Sohn George (Adam Michael Dodd) in den Armen hält, ist Maud glücklich. Bewusst haben Gavron und Drehbuchautorin Abi Morgan (Shame, 2011) eine unbekannte fiktive Proletarierin zur Protagonistin des berührenden Historien-Epos gemacht und nicht die legendäre Anführerin der Bewegung, Emmeline Pankhurst (Meryl Streep). Durch Maud wird die demütigende Rechtlosigkeit, ein für jeden Zuschauer nachvollziehbares, fast körperlich spürbares Gefühl. Die 24jährige Arbeiterin ist eine Heldin wider Willen. Schrittweise, zögerlich, voller Zweifel und Furcht entsteht der Entschluss, sich aufzulehnen gegen die herrschende Ordnung.

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Seit Jahrzehnten protestierten die Suffragetten friedlich gegen die Ungleichbehandlung der Frauen. Ohne Erfolg. Irgendwann ist die Geduld erschöpft, sie werden radikaler: „Taten statt Worte” lautete von nun an die Parole und auch der Untertitel des Films. Maud soll nach der Arbeit noch ein Paket bei einer Kundin abliefern und gerät dabei in eine der ersten militanten Aktionen. Pflastersteine werden in die Schaufenster eines Kaufhauses geschleudert. Die Szenen, die sich vor ihren Augen abspielen, beunruhigen die junge Frau, erfüllen sie jedoch auch mit Mut und einer Art diffuser Sehnsucht. Unter den Demonstranten entdeckt sie eine Kollegin aus der Wäscherei. Violet (Anne-Marie Duff) macht aus ihrer politischen Haltung kein Geheimnis. Obwohl Maud sich zunächst noch sträubt, lässt die Freundin nicht locker, versucht sie für die Ideen der Suffragetten zu gewinnen. Maud hat zwar Angst vor Repressalien, begreift aber schnell, dass es ohne Wahlrecht für Frauen keine Aussicht auf eine bessere Zukunft geben kann. Die Apothekerin Edith (grandios Helena Bonham Carter) versteht Andere für die gemeinsame Sache zu begeistern, in ihrem Hinterzimmer finden die geheimen Treffen statt.

Wirklich Feuer und Flamme ist die Protagonistin erst, als sie Alice (Romola Garai) trifft. Die elegante Lady der Oberklasse ermutigt die Wäscherinnen, ihre Arbeitsbedingungen vor das Parlament zu bringen. Eigentlich sollte Violet sprechen, doch ihr Mann hat sie brutal verprügelt. Die schüchterne Maud muss einspringen. In Gegenwart von Ministerpräsident David Lloyd George (Adrian Schiller) schildert sie mit entwaffnender Selbstverständlichkeit die Zustände bei Glashaus. Ihre Worte bewegen den Politiker, und er verspricht seine Unterstützung. Als Monate später die Suffragetten vor dem Unterhaus erfahren, dass ihnen wieder nicht das Wahlrecht zugesprochen wurde, ist die Enttäuschung grenzenlos. Die Situation droht zu eskalieren. Die Polizei rückt an. Gnadenlos werden die Frauen zusammengeschlagen, viele von ihnen verhaftet, darunter auch Maud. Eine Woche lang bleibt sie eingesperrt. Die Aktivistinnen, die sie im Gefängnis kennenlernt, unter ihnen Emily Wilding Davison (Natalie Press) zeigen eine Entschlossenheit, die ihr Angst macht. Als sie wieder nach Hause zurückkehrt, erklärt ihr Sonny, der Ehemann (Ben Wishaw) unmissverständlich, dass er sie verlassen wird, wenn sie sich weiter für die Frauenbewegung engagiert.

Emmeline Pankhurst lebt im Untergrund, sie wird von der Polizei gesucht. Auf einem geheimen Treffen schwört sie ihre Mitstreiterinnen auf den radikalen Kurswechsel ein. Es ist eine Kriegserklärung an die Männer. Nur mit Gewalt, der Strategie ihrer Gegner glaubt sie, die angestrebten Ziele durchsetzen zu können. “Wir wollen keine Gesetze brechen. Wir wollen Gesetze machen,” verkündet die charismatische Anführerin, ihre Worte sind nie ganz ohne Ironie. Die Suffragetten kappen Telegrafenleitungen, zerstören Briefkästen, sprengen das Landhaus des Schatzkanzlers in die Luft. Im Gefängnis treten sie in Hungerstreik, werden unter grauenwollen Umständen zwangsernährt. Carey Mulligan dazu: „Niemand, den ich kenne, weiß von den Hungerstreiks oder den etwas extremeren Anschlägen der Frauen auf öffentliche Kunstgalerien und Gebäude. Ich wusste selbst nichts davon, bevor ich mich auf die Rolle vorzubereiten begann,” gesteht die britische Schauspielerin. „Ich kannte nur die geschönte Version, die an den Schulen unterrichtet wird – Bilder von Frauen in Hüten und Schärpen, die gemeinsam Gesänge anstimmen, fidel wirken und Teetrinken. Ich hatte nicht mal die blasseste Ahnung, was diese Frauen tatsächlich durchgemacht haben... Sie wollten gehört werden. Und dazu mussten sie lauter sein als alle anderen.”

Helena Bonham Carter über ihre Rolle: „Edith setzt sich aus einer Reihe realer Figuren zusammen. Es gab da diese unglaubliche Frau namens Edith Garrud. Sie war ein Meter fünfzig groß, kam aus Wales und brachte den anderen Suffragetten Jiu Jitsu bei, damit sie sich gegen die Polizei zur Wehr setzen konnten. Sie unterrichtete eine Gruppe, die man als ‚The Bodyguard’ kannte und die Emmeline Pankhurst nicht von der Seite wich und sie beschützte. Bonham Carter änderte den Namen ihrer Figur von Caroline zu Edith als Zeichen der Bewunderung für jene Frau. Manche Kritiker hätten sich das Leinwandepos radikaler gewünscht, mehr Drive, mehr Kunst, mehr Emotion und weniger plakativ. Dabei liegt die Faszination des vielschichtigen Politdramas grade in seiner Zurückhaltung. Es ist wie seine Protagonistin, entschlossen, mutig, ohne kollektive Protest-Euphorie. Maud setzt alles aufs Spiel: die Ehe, ihr Heim, den Arbeitsplatz, das Kind, selbst ihr Leben. Doch sie kann auch nicht mehr zurück, darin liegt die eigentliche Tragik. Als sie wieder im Gefängnis landet, macht Sonny seine Drohung wahr. Maud darf ihren Sohn nicht mehr sehen, ist obdachlos. Die Nachbarn wenden sich ab voller Verachtung, die junge Proletarierin wird zum Outcast. Es liegt am Zuschauer, wie weit er sich einlässt auf diesen Film. Was dort geschieht, zerreißt einem das Herz. Zornig könnte man werden, dass dieses Kapitel unserer Geschichte bisher so wenig Aufmerksamkeit erhielt. Es ist, als würden diese Frauen dadurch noch einmal gedemütigt.

In „Suffragette – Taten statt Worte” ist Carey Mulligan als rebellische Maud genauso unwiderstehlich wie zuvor als stolze, eigenwillige Bathsheba Everdene in „Am grünen Rand der Welt”. Sie ist geschaffen für betörende opulente Dramen mit feministischem Anspruch. Irgendwie wünscht man sich, jemand wie Thomas Hardy hätte auch diese Geschichte geschrieben. Es dreht sich alles um Macht und Männer, aber mit einer Ausnahme bleiben sie Randfiguren, Vollstrecker eines Unrechtsystems. Ben Wishaw verkörpert Sonny mit einem großen Gespür für die Nuancen der Figur. Dass Mann und Frau gleichberechtigt sein könnten, ist eine Auffassung, die für ihn und viele andere in jener Zeit befremdlich war. Er liebt Maud, dass sie Anhängerin dieser Bewegung geworden ist, stellt für ihn einen unverzeihlichen Vertrauensbruch da. Er lebt in einer zutiefst konservativen, eng miteinander verbundenen Arbeiterklassen-Gemeinde. Für ihn wäre es ein Albtraum, von dieser Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Sarah Gavron will Sonny auf keinen Fall verurteilen: „Er ist komplett überfordert von der Möglichkeit, dass sich alles ändern könnte. Die alte Ordnung wird über Bord geworfen. Heute können wir zurückblicken und wir wissen, dass alles richtig und gut war. Aber die Menschen damals konnten das nicht wissen.” Natürlich gab es auch Männer, die die Suffragetten unterstützten wie Hugh, Ediths Ehemann (Finbar Lynch). Den Filmemachern war wichtig zu zeigen, dass sie wirkliche Sympathisanten waren, die Schlüsselrollen in der Bewegung übernahmen und unermüdlich im Hintergrund agierten.

Auf der Gegenseite steht der irische Inspektor Arthur Steed (Brendan Gleeson, „Am Sonntag bis Du tot”), der nach London beordert wird. Er soll jene brutalen Taktiken zur Terrorismusbekämpfung gegen die Suffragetten anwenden, mit denen die Polizei schon gegen die Feninan Brotherhood, eine Geheimorganisation irischer Freiheitskämpfer, vorgegangen war. Steed setzt sich dafür ein, dass Scotland Yard in eine hypermoderne Ausrüstung investiert, bestehend aus Wigmore Spiegelreflexkameras und telezentrischen Objektiven. Es war das erste Mal in der Geschichte, dass der Staat eine derartige Überwachungsstrategie gegenüber seinen Bürgern zum Einsatz brachte. Gleeson spielt den Inspektor als einen eigentlich moralisch integren Menschen, der aber fest an das Gesetz als Ordnungsgebot glaubt. Er macht eine Art Kehrtwendung, als er am Ende erkennen muss, dass man das Gesetz nicht verteidigen kann, indem man es bricht. Grade dadurch, dass er den Frauen überall hin folgt und sie bespitzelt, entwickelt er ein Verständnis für ihre Belange. Je länger der bewaffnete Kampf dauert, desto kühner tritt ihm Maud entgegen: „Was wollen Sie denn tun, uns alle einsperren? Wir sind in jedem Haus. Wir sind die Hälfte der Menschheit. Sie können uns nicht aufhalten.”

Die Farben der Suffragetten-Bewegung – violett, weiß und grün, tauchen im Film immer wieder auf. Die Aktivistinnen hatten bald begriffen, wie wirksam die grade aufkommende Kunst der Werbung sein kann und etablierten ihre ‚Marke’ als nützliches Propagandawerkszeug. Szenenbildnerin Alice Normington erklärt: „In den weiblichen Domänen des Films verwenden wir eine Farbpalette aus blassen Violett- und Grüntönen.” Warme Farben symbolisieren die Frauen und ihre Verwundungen. Im Kontrast dazu sind die von Männern dominierten Bereiche, Wäscherei, Gefängnis und Polizeistation, kühl, grau. „Suffragette” hat nicht den Look und das Feeling eines traditionellen Historiendramas, die britische Regisseurin (“Brick Lane”, 2007) wollte die Ereignisse der Jahre 1912 und 1913 in einen modernen Kontext stellen. Der spanische Kameramann Edu Grau („A Single Man”, 2011) musste für den Film seine Abneigung gegen Grün ablegen. Er filme in Super-16 und hatte bis zu vier Handkameras gleichzeitig im Einsatz. „Die Schauspieler wussten nie genau, ob die Kamera auf sie zielte,” erklärt Gavron. „Dadurch entstand eine Art Naturalismus in den darstellerischen Leistungen... Der Film hat viele Actionelemente, was man gar nicht erwartet. Ich wollte die Erwartungen auf allen Ebenen untergraben und damit widerspiegeln, in welcher Art und Weise die Frauen ihrer Zeit voraus waren.” Hoffnung ist auch in den düstersten Momenten spürbar. Die ausgewaschenen Pastellfarben sind lichtdurchflutet. „Es gibt nur einen Weg vorwärts. Die Welt verändern.” Selbst als Sonny den gemeinsamen Sohn zur Adoption freigibt, bricht Maud nicht zusammen, kämpft unbeirrbar weiter.

Emily Wilding wird am 4.Juni 1913 beim Epsom Derby von Anmer, dem Pferd von King Georg V, tödlich verletzt. Der Plan war, die Flagge der Suffragetten über das Pferd des Monarchen zu drapieren – ein verzweifelter Versuch, die Aufmerksamkeit der Presse auf den Kampf der Frauenrechtlerinnen zu lenken. Ob Wilding, Selbstmord begehen wollte oder sich einfach in jenem Moment zu der Tat hinreißen ließ, konnte nie geklärt werden. Was immer die Motivation war, die Suffragetten Bewegung hatte nun ihre Märtyrerin und die öffentliche Meinung schlug um zu ihren Gunsten. 1918 dürfen Großbritanniens Frauen zum ersten Mal wählen, einzige Bedingung, sie mussten über 30 Jahre alt sein. Das Thema des Films hat nichts an Aktualität eingebüßt, Gleichberechtigung ist in vielen Orten unserer Welt ein Tabu, und besonders Frauen werden heute manchmal noch genauso ausgebeutet wie die Londoner Wäscherinnen vor mehr als hundert Jahren.

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Originaltitel: Suffragette
Regie: Sarah Gavron Darsteller: Carey Mulligan, Helena Bonham Carter, Brendan Gleeson, Anne-Marie Duff, Meryl Streep
Produktionsland: Großbritannien, 2015
Länge: 107 Minuten
Verleih: Concorde Filmverleih
Kinostart: 4. Februar 2016

Fotos & Trailer: Copyright Concorde Filmverleih

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