Im Schloss Schwerin können Interessierte eine Ausstellung besuchen, in der die wichtigsten Bilder der umfangreichen Sammlung niederländischer Gemälde zusammen mit kunsthandwerklichen Preziosen präsentiert werden.
Das Staatliche Museum in Schwerin soll in den folgenden Jahren generalüberholt werden und wurde deshalb schon im vergangenen Spätsommer geschlossen. Jetzt sind die schönsten Gemälde der niederländischen Kunst des 16. bis 18. Jahrhunderts, für die das Museum in ganz Deutschland bekannt ist, hinüber in das nur wenige Meter entfernte Schloss gezogen, wo in den nächsten anderthalb Jahren insgesamt 70 Werke zusammen mit Kunsthandwerk ausgestellt werden.
Kunsthandwerk bedeutet hier: Es stammt aus dem Fundus der mecklenburgischen Herzöge und Großherzöge und ist zunächst dem Material nach (Elfenbein, Marmor, Perlmutt, Gold oder Silber) ausgesprochen kostbar. Aber wichtiger ist zweifellos das grandiose handwerkliche Niveau dieser Medaillen, Prunkgläser oder Vasen.
Auf was für einen erstaunlichen Bestand die Kuratoren der Ausstellung zurückgreifen konnten, veranschaulichen einige Zahlen: von tausend Gläsern schafften es ganze sieben in die Ausstellung, von zweiundzwanzigtausend Münzen und Medaillen nur vier. Bei den Gemälden sind die Zahlen natürlich weniger dramatisch, aber auch hier sind es die wichtigsten Werke, die in einer Weise präsentiert werden, die ihrer Bedeutung viel eher entspricht. Denn sie hängen jetzt nicht mehr in drei oder gar vier Reihen übereinander, so dass man die oberen nur aus der Ferne betrachten kann, sondern in jedem Fall auf Augenhöhe.
Geordnet ist diese Ausstellung nach Themen. Ungefähr 70 Bildwerke werden zusammen mit den entsprechenden Gegenständen gezeigt. Tierabbildungen sind das erste, das den Besuchern begegnet – ein Falke aus Porzellan sitzt auf einem Holzstumpf und frisst eine Maus, ein Elsterpaar scheint zu streiten, aber es gibt auch exotische Tiere wie zum Beispiel Affen. Sie wurden zusammengestellt mit einem Wimmelbild von Peter Gijsels (1621-1690), auf dem man eine ganze Fülle von teils einheimischen, teils exotischen Tieren bewundern kann. So schön und durchdacht dieses Gemälde aber auch sein mag: die meisten Besucher werden wohl dem Turmfalken den Vorzug geben, dessen Federkleid mit größter Subtilität koloriert wurde. Nicht in das Schloss geschafft – nicht in dieses Schloss – haben es leider die Gemälde Jean Baptiste Oudrys, für die das Museum berühmt ist. Jetzt findet man in Schwerin also weder das Nashorn „Clara“ oder den berühmten Leoparden, und ebenso wenig werden Otto Marseus van Schriecks Kröten- und Schmetterlingsbilder im Schloss gezeigt.
Was man eher nicht in Schwerin vermutet, ist ein in fantastischen Farben leuchtender, spätgotischer Flügelaltar von einem unbekannten Künstler, der heute nur (und mit großem Respekt) der „Meister der Magdalenen-Legende“ genannt wird. Auch eine Reminiszenz an die Herrschaft der Wiedertäufer in Münster wird man nicht in Schwerin suchen, aber es finden sich hier tatsächlich die Porträts des religiösen Führerpaares. Flankiert werden diese Bilder von goldenen Kultgegenständen und einer Statuette des Christuskindes.
Ein Gegensatz zieht sich durch die ganze Ausstellung – es ist der Gegensatz zwischen einer bürgerlichen Kunst und einem höfischen Kunstgewerbe. Wenn zum Beispiel der „Alltag in der Kunst“ dargestellt wird, dann unterscheidet sich selbstredend der bürgerliche Alltag entschieden vom höfischen, der doch eher von Galanterie bestimmt war (oder gewesen zu sein scheint…) – ein besonders schönes Beispiel ist „Der Handkuss“ von 1737 –, wogegen die bürgerliche Malkunst einen Lesenden darstellt oder einen Arztbesuch. Diese Differenz spiegelt sich auch in den Farben, denn die Porzellanfiguren leuchten und strahlen in freundlichen Farben, wogegen in den Gemälden die gedeckten Töne dominieren, wenn die Bilder nicht gleich ganz dunkel sind.
Ein Beispiel für ein Genregemälde ist ein Bild Gerard ter Borchs (1617-1681), das einen in sein Buch versunkenen Soldaten zeigt. Das Gemälde ist nicht zuletzt wegen seiner Farben für die niederländische Malerei typisch, denn es in einem dunklen Braun gehalten, aus dem allein das Gesicht, die Hände und natürlich das Buch (in der Mitte des Bildes) hervorstechen. Oswald Spengler, der eine besondere Sensibilität für Farben besaß, nennt in seinem Hauptwerk die dunkle verschwimmende Farbe mit Blick auf Rembrandt „dieses rätselhafte Braun“ (I 324). Es symbolisiert eine gänzlich andere Welt als die lichte und heitere (und natürlich auch spätere) des Rokoko. Also nicht allein Sujet und Farbe stellen einen Gegensatz dar zu den niedlichen Porzellanfiguren, sondern dazu kommt der Umstand, dass wir nichts, wirklich überhaupt nichts über den lesenden jungen Mann und den Gegenstand seines Buches wissen. So schön die kleinen Porzellanfiguren auch sind – die große Kunst, die zu denken gibt, findet sich zumindest hier auf den Leinwänden.
Vielleicht am nächsten beieinander sind die beiden Bereiche, also die Gemälde und die kunstgewerblichen Gegenstände, in dem Kapitel „Die Pracht der Dinge“, in denen Kristalle aller Art präsentiert werden, solche gemalter Art, aber natürlich auch welche aus dem herzoglichen Besitz. In seiner Sachlichkeit ganz modern, ja gewissermaßen lakonisch wirkt hier das „Steckbrett mit Flöte“ von Edvard Collier (1704), das man ohne näheres Hinsehen auch in einer späteren Zeit verorten würde. Besonders auffallend sind in diesem Raum die Gefäße aus Goldrubinglas, dessen schwermütiges dunkles Rot außerordentlich schwer herzustellen war – der mehrstufige Prozess wird in dem entsprechenden Kapitel des Kataloges beschrieben. Daneben hängt dann ein nur wenige Gegenstände versammelndes Stillleben von Pieter Claesz (1596-1661), das ein Weinglas, Oliven und ein mit Glanzpunkten versehenes Messer zeigt. Besonders das Glas ist mit einer geradezu unfassbaren Kunst gemalt, die den Wein schimmern und das Glas die Fenster des Raumes reflektieren lässt. Und wieder umgibt eine verschwimmende Atmosphäre aus braunen Tönen die Gegenstände.
Die Ausstellung umfasst insgesamt zehn Kapitel, zu denen noch das „Präludium Lux“ kommt, eine für diese Gelegenheit geschaffene Lichtinstallation von Katrin Bethge, in die man eintritt, um auf allen vier Seiten von den Projektionen der Ausstellungstücke umgeben zu sein. In einem Gespräch mit Kornelia Röder erläutert die Künstlerin ihre Arbeitsweise: „Nahaufnahmen der Exponate werden von mir mit Fotografien auf Folien inszeniert, abgefilmt und dann durch Beamer in den Raum projiziert. Dazu wird es im Raum Overhead-Projektionen geben, auf denen ich ähnliche Situationen kreiere. Die Kombination der beiden Projektionstechniken gibt einen kaleidoskopischen Einblick in einen Mikrokosmos.“
Glanzstücke im Dialog – Niederländische Gemälde und europäisches Kunsthandwerk
Zu sehen im Staatlichen Museum Schwerin im Schloss Schwerin bis zum 7. Januar 2024
Öffnungszeiten:
Bis 14. Oktober: Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr
15. Oktober bis 14. April: Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr
- Weitere Informationen (Homepage Museum Schwerin)
- Weitere Informationen (Homepage Schloss Schwerin)
Es ist ein Katalog erschienen:
Glanzstücke im Dialog – Niederländische Gemälde und europäisches Kunsthandwerk.
Michael Imhof Verlag 2022
128 Seiten
ISBN 978-3731912415
Interessiert, mehr über die Lichtkünstlerin Katrin Bethge zu lesen?
- „enlighten" von der Lichtkünstlerin Katrin Bethge. Eine helle Botschaft aus Kühlungsborn
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