Seit Ende der 1990er Jahre inszeniert die in Hamburg lebende Künstlerin Katrin Bethge mit Licht – Innen- und Außenräume.
Seit dem Wochenende und noch bis zum 1. Advent ist eine umfangreiche Installation von ihr in der historischen Ev. Kirche St. Nicolai in Eckernförde zu sehen. Gut 100 Besucher wandelten zur Eröffnung durch den Kirchenraum, der, wie auf Gemälden der Flämischen Barockzeit, frei von Bänken und Gestühl geräumt wurde.
Bemerkenswerter Weise ist die von der Künstlerin genutzte Technik eine, die uns seit Jahrzehnten bekannt ist: sie arbeitet mit Overhead-Projektoren, jenen Apparaten, die früher in Schulen und Universitäten genutzt wurden – quasi als Lichttafel – um über durchsichtige Folien Wissen sichtbar zu machen und weiterzutragen. Fünfzehn dieser Projektoren sind in der Kirche verteilt. Doch bei Bethge geht es nicht um Wissen, sondern um Atmosphäre, Assoziationen, Interpretationen, Verborgenes sichtbar machen und Umkehrungen. Eine dieser Umkehrungen ist die Hauptprojektion, die die Kirchendecke erstrahlen lässt. Sie zeigt Flüssigkeit, Wasser und florale Schemen und gerät in Bewegung. Die Folie ist ersetzt durch ein Becken mit Flüssigkeit und kleinen Luftblasen, die sich über den Himmel bewegen. „Hexenküche“ nennt es die Künstlerin, wenn man danach fragt, wie sie das macht. Wie aus einem Kaleidoskop ergeben sich hier und dort prismatische Brechungen, Verzerrungen im Raum und Schatten. Außerdem arbeitet sie mit unterschiedlich großen Acrylglasscheiben, die Lichtspuren und -flächen hinterlassen, sich langsam drehend. Das an sich statische Medium der Overhead-Projektion erwacht zu einem bewegten Leben. Winzig kleine Gegenstände werden in der Projektion zu riesigen Gebilden.
Die Backsteinsäulen und Bögen, das Taufbecken und Teile des Bodens sowie die Orgelempore sind mit goldenen Textabschnitten bestrahlt. Einzelne Worte, ja Zusammenhänge lassen sich lesen, jedoch lösen sie sich himmelwärts strebend langsam auf, werden fragmentarisch, zu Linien, Punkten zu neuen Zeichen bis sie schließlich ganz verschwunden sind. Sprache wird zu Text und durch die Projektion wird Text dann langsam wieder aufgelöst und zu Sprache und Gedanken.
Gemeinsam mit ihrer künstlerischen Assistentin Maj-Lene Tylkowski, hat Katrin Bethge auch einen Ort geschaffen, der das Publikum aktiv einbezieht. Zwei sich gegenüberstehende Projektoren können genutzt werden zur Kommunikation, zum Dialog, zum Gespräch mit sich selbst. Jeder kann sich sein eigenes Bild machen, projizieren – reagieren auf das, was jeder individuell in sich trägt oder was einen äußerlich umgibt. Botschaften dem Raum übergeben.
Nach dem umhüllenden sofortigen Gesamteindruck im großen Kirchen- und Altarraum, sind weitere Schauplätze in den Seitenschiffen zu entdecken, kleine feine Dialoge mit Raum, Orten, Stellen und Inhalten: „Flut und Hochwasser – Übergänge zwischen Leben und Tod mit der Caritas im Mittelpunkt – der Blick in die Ewigkeit – verschiedene Steinformationen, haptisch zu greifen“, heißt es im Programm-Flyer. Darüber hinaus werden vermeintliche Leerstellen neu definiert.
Eine weißgetünchte Wand wird zum topographischen pastosen Bild, das mit dem Mauerwerk korrespondiert. Ein tagsüber leuchtendes farbiges Fenster projiziert sich vermeintlich selbst des nachts und erfährt farbenfrohe Ergänzungen durch das künstliche Licht.
Die Düsternis der Jahreszeit und die Schwere des Ortes werden durch die Lichtinstallation nicht nur durchflutet, sie werden organisch durchdrungen. Wieviel Fingerspitzengefühl, empirische Expertise und detailverliebte Arbeit in dem Werk stecken ist spätestens nach der gesamten Reise durch die Kirche ebenfalls erfahrbar.
Es ist so, als hätte sich das Licht den Raum selbst erobert, als wäre es von Anfang an da gewesen, nur eben nicht permanent evident. Dass die Ikonographie eine Christliche ist, spielt nicht nur mit der Tradition der Kirche als DER Jahrhunderte wichtigste Auftraggeber für die Kunst, sondern selbstredend auch mit den Inhalten. Das Licht spendet Trost, es leitet, es ummantelt und es schützt.
Katrin Bethge: Lichtdurchflutet
Künstlerische Mitarbeit: Maj-Lene TylkowskiZu sehen bis zum 1. Dezember 2019
Geöffnet: montags zwischen 19:30 und 22 Uhr und ansonsten täglich zwischen 17 und 22 Uhr.
Ev.-Luth. Kirche St. Nicolai, Kieler Str. 73 in 24340 Eckernförde
Eintritt frei. Spenden erbeten.
Weitere Informationen
Weitere Informationen zur Künstlerin
Abbildungsnachweis:
Header: Lichtdurchflutet, Blick zur Kirchendecke. Foto: John Eckhardt
Galerie: Installationsansichten
01. Foto: Claus Friede
02. Foto: John Eckhardt
03. bis 05. Fotos: Claus Friede
06. Foto: John Eckhardt
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