Bildende Kunst

Rezensiert! Ehrliche Haut – Körperbilder zwischen Beauty und Bulimie

 

In der Ausstellung „Ehrliche Haut – Körperbilder zwischen Beauty und Bulimie“, Münchner Kulturfabrik Pasing, zeigen bis 17. Januar 2010 sieben Künstler, wie heute die verschiedensten Verhaltensweisen und Methoden den Körper verändern:

 

Jugendwahn, Narzissmus, Körperideale der Modeindustrie und welche Sehnsüchte damit verbunden sind.
Der Druck der Gesellschaft immer perfekt auszusehen – jung, schlank, dynamisch, erfolgreich zu sein – wächst immer mehr. Nicht nur, weil die Werbeindustrie per Mausklick Beine länger macht, Fältchen verschwinden lässt und kleine Fettpölsterchen retuschiert, auch die Gentechnologie zeigt den Trend zum maßgeschneiderten Menschen. In sieben künstlerischen Beiträgen der Ausstellung „Ehrliche Haut – Körperbilder zwischen Beauty und Bulimie“ werden kulturelle Krankheiten thematisiert.


Die ehrliche Haut ist sprichwörtlich der ehrliche, aufrichtige und integere Mensch. Haut wird rot wenn man lügt, kann nichts verbergen und verzeiht nicht.

 

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Die Münchner Künstlerin Beate Passow zeigt zwei großformatige Porträtfotografien von Frauen, auf denen nur bei genauer Betrachtung körperliche Wunden zu sehen sind. „Fräulein B.“ ganz in schwarz gekleidet, ist von hinten aufgenommen und verschränkt die Arme auf dem Rücken. Sie hat sich mehrfach im autoaggressiven Effekt die Pulsadern aufgeschnitten. Dagegen zeigt das, einem Herrscherporträt anmutende, Foto von „Frau P.“ eine klitzekleine Tätowierung von Buchstaben und Nummern auf dem Unterarm. Sie ist eine Überlebende von Auschwitz.


Die Serie des New Yorker Fotografen Martin Schoeller erinnert auf den ersten Blick an die Aufnahmen von Richard Avedons Realismusfotografie der 1960/70er Jahre. Doch sind schockierend dünn, ausgemergelt, aber auch Fettleibigkeit die zentralen Themen dieser Porträtserie. Schoellers „Food Victims“ zeigen verschiedene Facetten essgestörten Verhaltens und negativer Körperwahrnehmung. Es sind Gesichter und Detailaufnahmen des Körpers Betroffener und ehemaliger Betroffener, d.h. esssüchtiger, bilumischer und magersüchtiger Frauen und Männer.


Tätowierungen und Piercings widmet sich der Berliner Fotograf Andreas Fux in seinen Arbeiten. Sowohl die Körperbemalung als auch das Durchlöchern der Haut mit Metall gehören mittlerweile zur akzeptierten Kunst am Körper und ziehen sich durch alle gesellschaftlichen Schichten. Körperschmuck hat ganz unterschiedliche Funktionen und Bedeutungen. Mitgliedszeichen, rituelles, Ausdruck von Abgrenzung, Verzierung oder Protest.


Im Zentrum der Berliner Künstlerin Paula Muhr, Absolventin der Leipziger Hochschule für Graphik und Buchkunst, stehen Stereotypien weiblicher Körper. In einer Kombination aus Fotoserie und Tonspur, wird unter dem Titel “ Mimikry“, die Maskerade der Frau kritisch beleuchtet. Mimikry ist in der Biologie der Terminus für die Ähnlichkeit von Tieren einer bestimmten Art mit denen einer zweiten Art, so dass Tiere einer dritten Art die beiden anderen Arten nicht sicher voneinander unterscheiden können und miteinander verwechseln. Die Reihe der Selbstporträts zeigen sehr ähnliche, aber verschieden geschminkte Gesichter der Künstlerin – auf der Tonspur werden Ausschnitte aus „Das Geschlecht, das nicht eins ist“, der französischen Feministin und Psychoanalytikerin Luce Irigaray, vorgelesen.


In den Fotoserien „Dollworld“ und „Dream" von Roberto Simoni, benutzt er die Kamera für künstlerische Untersuchungen des Körpers oder Körperteile. Die Faszination der Barbie-Puppe wird von allen Seiten in der Fotoserie „Dollworld“ beleuchtet, der Schönheitswahn beginnt schon im Kinderzimmer. Die vier Porträts in „Dream“ zeigen asiatische Gesichter mit künstlich blau leuchtenden Augen. Es ist bekannt, dass viele Asiaten ein westliches Aussehen anstreben. Auch dem Design von Manga- und Anime-Figuren wird europäische Darstellung von Gesichtszügen unterstellt.


Der Münchner Künstler Gerwin Eipper hat drei künstlerische Beiträge geliefert. Der Metall-Paravent mit Lederverschnürung, „… and wishing you´d dreamt me“, kontrastiert das ursprüngliche Bild der Umkleide. Der Paravent, bekannt als Abtrennung in weiblichen Privaträumen, bezogen mit Blumenmotiven und Seidenstoff, wird hier männlich und kalt gezeigt. Mit seiner beweglichen Lederverschnürung zwischen den Abteilen verweist er auf die Themen „Fetisch“ und „Homosexualität“. Verschlossen und geheimnisvoll wirken die Porträts in der Videoinstallation „The Darkest Star“. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen in nächtlicher Atmosphäre wirken intim. Nachts kommen die Triebe im Menschen heraus, es wird Anonymität im Dunkeln gewahrt. Die hinterleuchtete Fotografie „Looking at me“ ist das Porträt eines dunkelhäutigen Mannes im Fahrstuhl. Thematisiert wird hier Einsamkeit in der Gesellschaft. Großstädte beherbergen viele Menschen, doch wie in Aufzügen, spricht keiner mit dem Anderen.


Die aktuellen Gemälde und Betonobjekte von Andreas Zingerle fokussieren den mutierten Körper. Durch gesellschaftlichen Druck und die Plastische Chirurgie gibt es heute vielfach modellierte Körper, die anatomisch gar nicht dem menschlichen Bild entsprechen. Eingeschnürte Wespentaillen, Superbusen und Apfelpopo werden krankhaft inszeniert. Für die Skulptur nutzte Zingerle eine aufblasbare Sexpuppe, von der er ein Positiv aus Beton herstellte. Den Betonkopf trennte er ihr ab. Der weibliche Körper ist hier Objekt der Begierde, ein Fetisch. Der Beton zeigt jedoch die Kälte und Leblosigkeit im Gegensatz zu der heißen Erotik.


Sexualität, Körperkult aber auch Krankheitsbilder werden in dieser Ausstellung dem Münchner Publikum präsentiert. Bedarf es bei den Fotoarbeiten fast keiner äußeren Erklärung, bieten die Objekte mehr Anreiz zum Nachdenken. Sie zeigen subtil den heutigen Umgang mit dem Körper und verweisen auf Inhalte wie Homosexualität und Fetisch, die immer noch als Tabuthemen gelten.


„Ehrliche Haut – Körperbilder zwischen Beauty und Bulimie“

Pasinger Fabrik GmbH (Direkt am S-Bahnhof Pasing)

Kultur- und Bürgerzentrum der Landeshauptstadt München
August-Exter-Str. 1
81245 München
Öffnungszeiten: Di - So, 17.30 - 20.30 Uhr

 

Die Ausstellung wird von einem Katalog und Rahmenprogramm begleitet.


Rahmenprogramm: Di 12.01. um 18.00 Uhr, Galerie 1-2
Kuratorenführung mit Stefan-Maria Mittendorf
Podiumsdiskussion um 20.00 Uhr, Kleine Bühne

 


Fotos: Copyright bei den Künstlern. Abbildungsreihenfolge wie im Text.

Header: "The Darkest Star", Gerwin Eipper, München.

 

 

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