Schaut man sich das Cover des neuen Albums von Rebecca Trescher New Shapes Quartett an, fühlt man sich erinnert – an all die guten Fotos, die ab den 1970ger Jahren verwendet wurden und allein durch ihr ästhetisches Aussehen kulturell hochwertigen Platteninhalt versprachen. Gerade beim nordischen, europäischen Jazz konnte man sich darauf verlassen.
In dieser Tradition steht auch „Silent Landscapes“, das ein Bild des 1979 geborenen Malers Johannes Kersting ziert. Es ist kühl, fast klinisch, beruhigend.
Das Motiv passt gut zum Inhalt, obwohl die sieben Einzelkompositionen – alle von Rebecca Trescher – weit über den adjektiven Dreiklang hinausgehen.
Geehrt wurde die Klarinettistin Trescher seit 2014 bereits mehrfach, mit Preisen und Auszeichnungen und in diesem Jahr mit den Deutschen Jazzpreis in der Kategorie Komposition des Jahres 2022. Ganz zu Recht wie sie im Quartett mit Jan Brill am Schlagzeug, Bassist Lukas Keller und Gitarrist Philipp Schiepek nunmehr erneut beweist.
„Silent Landscapes“ ist ein Ausflug, der spannungsgeladen, wechselvoll und variantenreich ist. Jede Landschaft sieht irgendwie anders aus und wir können nicht sagen, ob das Land oder wir am Ende bewegter oder aufgewühlter sind.
Die Kompositionen sind allesamt brillant – nicht dass sie stilistisch eine Neuerfindung wären – Erinnerungsmomente an früheres bereits Gehörtes, Gespieltes, Komponiertes kommt unweigerlich in den Sinn, vergleichbar mit einem Baum in der Landschaft, der lange schon vor uns existierte, aber genau an diese Stelle gehört.
Umhüllt von einer fließenden, aber zerbrechlichen Ruhe, gleitend im musikalischen Raum, vom Klang der Gitarre und Klarinette getragen, weltverliebt und gleichzeitig melancholisch, und doch: im nächsten Moment endet das Melodiehafte und erdet sich zu einem neuen Ansatz. Wunderbar wie die Bassklarinette Atmosphäre kreiert. Rhythmus formiert sich neu, entfaltet darin ihre eigenen Farben. Das Schlagzeug auf Vorposten, die anderen Instrumente nachziehend es meldet sich die Klarinette zu Wort und gibt an die Gitarre weiter, die sich schließlich und abschließend dem Rhythmus ergibt. Später „singen“ beide Führungsinstrumente im Duett und beruhigen sich und uns wieder, in feinster Jazz-Manier. Ein reichhaltiges Programm an Kompositionstechniken und Texturen.
Es ist ein gelungenes 47-minütiges Gesamtwerk der ruhigen Landschaften, voller durchdrungener Kraft, sensiblen Passagen und entdeckungshungriger Neugier. Zusammenvereinzelt, mit mehreren Strängen des Könnens, schafft das Quartett es, ein Camouflage-Gebäude zu errichten, dass sich offensichtlich in der Landschaft wohlfühlt und den Horizont fest im Blick hat.
Rebecca Trescher New Shapes Quartett: Silent Landscapes
Rebecca Trescher: Klarinette, Bassklarinette, Komposition | Philipp Schiepek: Gitarre | Lukas Keller: Bass | Jan Brill: Schlagzeug
Label: Enja/Yellowbird | Vertrieb: Edel
CD, Artwork-Foto: Johannes Kersting
EAN: 767522980820
VÖ: 7.10.2022
- Weitere Informationen (Homepage Rebecca Trescher)
YouTube-Videos:
- Rebecca Trescher New Shapes Quartet | Sometimes it's good to walk alone (7:24 Min.)
- Rebecca Trescher NEW SHAPES Quartet (2:58 Min.)
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