Klangforschen, so könnte man die gemeinsame Arbeit der Norweger Jan Bang und Eivind Aarset bezeichnen und die Ergebnisse sind außergewöhnlich.
Und obwohl beide Musiker – Live-Sampler, Programmierer und DJ Bang und Gitarrist Aarset – viele gemeinsame Kooperationen in ihrer Historie haben, ist dies ihr erstes wahres Duo-Album: „Snow catches on her Eyelashes“!
Der Sound vieler der zehn Stücke ist oft sehr komplex: düster, mystisch, kontemplativ, spannungsreich, hypnotisch, dunkel, melancholisch, rätselhaft, stellenweise fast traurig und erinnert weite Strecken an wirkungsvolle und bassklangliche Science-Fiction-Filmmusik. Diese dichte und auf dem ganzen Album durchgehaltenen Atmosphäre wird auch dadurch unterstützt, dass der Gitarrenklang von Aarset nicht typologisch gleich als solcher erkannt wird. Bang verfremdet diesen elektronisch, zieht Töne und Abfolgen in vollkommen ungewohnte Sphären und Klangspektren. Das Instrument wird regelrecht aus seinem Begriff und seiner festen Vorstellung herausgeschält, ja, regelrecht befreit. Es entsteht etwas, das ungewohnt klingt und dennoch vorstellbar bleibt. Weg mit Kategorisierungen, weil es die beiden Musiker schaffen, einen sehr individuellen, musikalischen, klanglichen und „hör-un-gewohnheitlichen“ Raum zu erobern – und darin steckt eine unglaubliche innovative Leistung!
Mit dem Einsatz manipulierter Field Recordings und Samples sowie dem Live-Sampling von Aarsets Spiel kreiert er ein Klangdickicht, das vielmehr poetisch als bedrohlich ist. Mit Nils Petter Molvær (Trompete), Hilde Norbakken (Klavier), Anders Engen (Schlagzeug / Percussion), Audun Erlien (Bass) und einem Vocalsample von Sidsel Endresen featuret „Snow catches on her Eyelashes“ zahlreiche Gastauftritte, die durch Bangs elektronisches Treatment bis zur Unkenntlichkeit gefiltert werden.
Im hellvioletten Rausch von „Purplebright“, dem mit knapp drei Minuten kürzesten Stück auf der Neuerscheinung ist gleich zu Beginn ein programmatischer Einstieg möglich, denn die sich scheinbar wiederholenden Tonfolge- und Klangmuster zeigen die musikalische Richtung. Man muss sich auf die Feinheiten des Spiels unbedingt einlassen, um zu begreifen, dass sich die Reihungen verändern. „Asphalt Lake“ ist ein rhythmusbetontes, tranceartiges Stück, das schon als Single ausgekoppelt wurde. Für kurze Abwechslung sorgt die Trompete, die sich unaufdringlich einschmuggelt hat.
Wenn man denn die gewohnte Klangfarbe des Gitarristen sucht, dann findet der Hörer diese – wenn überhaupt – in „Serenade“ und auf „Two Days in June“. Letztgenanntes ist ein zartes, liebevolles und siebeneinhalb Minuten dauerndes Stück, das Aarset für die 2017 verstorbene Tänzerin und Choreographin Christine Brunel schrieb. Eine wahre Hommage. „Before the Wedding“ kommt noch mit einem bekannten Klaviersound daher, doch die Begleitung wirkt wie in Auflösung begriffen. Rauschen, Verzerrung – als ob sich ein undurchdringlicher Nebel niederlegt und alles Gehörte in die entfernte Erinnerung verdrängen würde. „Monochrome“ festigt sich als Collage und sollte das Einfarbige längst verlassen haben und sich in einer
Vielschichtigen Welt ansiedeln. Mit einem nächtlichen Zauber verlassen wir dieses neuschöpferische Gesamtwerk. Wie ein leiser, gefühlvoller Übergang in eine andere Welt.
Jan Bang & Eivind Aarset: „Snow catches on her Eyelashes"
Label: Jazzland/ EdelCD/Vinyl
EAN: 0687437792502
Tracklist: Jan Bang & Eivind Aarset
01. Purplebright 02:51
02. Asphalt Lake 05:28
03. Before the Wedding 03:03
04. Two days in June 07:35
05. Outer Sphere 02:31
06. The Witness 06:19
07. Inner Sphere 02:36
08. Serenade 04:08
09. Monochrome 03:06
10. Nightspell 04:32
Weitere Informationen
Abbildungsnachweis:
Headerfoto: Aaset & Bang © Anders Nilsen
CD-Cover
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