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133 Filme: „Das nordische Kino weitet den Blick“

„Die Nordischen Filmtage Lübeck sind ein Event, das auch international enorme Strahlkraft hat“, erklärte Monika Frank, Senatorin für Kultur und Bildung der Hansestadt Lübeck, bei der Programmvorstellung im „Hotel Park Inn by Radisson Lübeck“, langjähriger Sponsor des Festivals. Vom 3. bis 7. November werden in Lübeck 133 Filme in 270 Vorführungen gezeigt. Rund 80 Prozent der Filme (109 Filme) sind auch im Stream verfügbar. Der Kartenvorverkauf für die 63. Nordischen Filmtage Lübeck beginnt am Samstag, den 30.10.2021 um 15 Uhr. Zur Eröffnung am 3. November, um 19 Uhr wird im CineStar Filmpalast Stadthalle in Anwesenheit des Regisseurs Hannes Þór Halldórsson als Deutschlandpremiere die isländischen Action-Komödie „Cop Secret“ gezeigt.

 

Zehn Filmpreise im Wert von 58.000 Euro werden bei diesem „am längsten in Deutschland etablierten Filmevent" (Monika Frank) vergeben. Gemeinsam mit der Senatorin für Kultur und Bildung Monika Frank stellten Festivalleiter Susanne Kasimir (Geschäftsführung) und Thomas Hailer (Künstlerische Leitung) das Gesamtprogramm der hybriden Festivalausgabe vor, das ab sofort online zur Verfügung steht. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dagny Kleber, neue Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsabteilung der Nordischen Filmtage Lübeck (NFL). Geschäftsführerin Susanne Kasimir betonte, ebenso vielfältig wie das Festival mit seinem Angebot seien die Sponsoren. Mit knapp 40 Prozent ist die Hansestadt Lübeck am Gesamtbudget in Höhe von fast einer Million Euro dabei. Somit ist die Hansestadt nicht nur Gastgeber, sondern auch Hauptsponsor des Festivals. Rund 40 Prozent des Budgets ist den zahlreichen, größtenteils langjährigen Sponsoren zu verdanken. Die restlichen 20 Prozent werden aus dem Ticketverkauf generiert. Treue Partner sind beispielsweise die „Possehl Stiftung“ und „Die Gemeinnützige Lübeck“, der Freundeskreis der NFL sowie die Lübecker Nachrichten und der NDR als Medienpartner.

 

Wichtig für Fans der NFL: Sämtliche Spielstätten können mit Hilfe der 3-G-Regelung vollständig belegt werden, alle Plätze bei freier Platzwahl ausgelastet werden. Und wer keine Karte für den Film seiner Wahl bekommen hat, kann den Film immerhin online anschauen. Denn in diesem Jahr läuft das Festival in hybrider Form: live und digital. Es gibt wieder viel Interessantes zu sehen bei diesem Festival in den vier Spielstätten CineStar Filmpalast Stadthalle, CineStar Lübeck Filmhaus, Kolosseum Lübeck und Kommunales Kino Lübeck und der Sonderspielstätte St.-Jakobi-Kirche Lübeck. „Der Blick auf die Realität, auf das echte Leben war nie so spannend wie jetzt, wo wir so lange in unseren Zimmern sitzen mussten“, so der Künstlerische Leiter Thomas Hailer. „Das nordische Kino weitet den Blick und zeigt, dass es Weltkino ist. Die Filmemacher haben Hunger auf Welt.“

 

Genderfragen, Feminismus, Ausgrenzung, Klassenverhältnisse, alternative Lebensutopien und Kapitalismuskritik, aber auch Mystisches und Sagenhaftes sind programmiert. So der Film „Lamb“ (Island/Schweden/Polen 2021, Regie: Valdimar Jójannsson). In diesem Spielfilm-Wettbewerbsbeitrag trifft subtiler Horror auf Fabelwesen der nordischen Mythologie. Auch das Genre Neo-Western ist vertreten, beispielsweise mit „The Last Ones“. Wie in einem Western schweift hier die Kamera über die Weite der Landschaft. Der Film erzählt von einem Minenarbeiter, der genug Geld beisammenhaben möchte, um die Tundra Lapplands für immer zu verlassen (Estland/Finnland/Niederlande 2020, Regie: Veiko Õunpuu). Doch alles kommt ganz anders. Letztendlich siegt die tiefe Verbundenheit des jungen Mannes mit seiner Heimat.

 

Eines der Themen, für das sich die nordischen Filmemacher sehr interessieren, sei die Familie, so der Künstlerische Leiter Thomas Hailer: „Die Familie als Ort, in dem wir in entscheidenden Situationen Kraft ziehen können.“ Als Beispiel nannte Hailer den Dokumentarfilm „Sabaya“ (Schweden 2021, Regie: Hogir Hirori). In diesem Film versteckt der IS im syrischen Al-Hol-Camp Frauen der religiösen Minderheit der Jesiden und zwingt sie ein Leben als Sabaya, als Sexsklavin, zu verbringen. Mit allen Mitteln versuchen Freiwillige des Yazidi Home Centers die Opfer zu befreien. „Show your face“ ist der zentrale Satz in diesem Film, der direkt unter die Haut geht.

 

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Im Filmforum werden traditionell aktuelle Filme aus dem Norddeutschen Filmschaffen gezeigt. Im Zentrum steht diesmal die Frage „Wie wollen wir leben?“. Möglicherweise hat die Pandemie den Blick der norddeutschen Filmemacher hierauf verschärft. Was macht Zusammengehörigkeit aus? Welche Rolle spielen soziale Treffpunkte für eine Dorfgemeinschaft? Wie kann eine Familie weit auseinanderliegende Lebenserfahrungen in einen gemeinsamen Alltag integrieren? Wie schwer wiegt die Last der Vergangenheit? Es sind viele Fragen, die im Filmforum gestellt werden, viele Lebensentwürfe, die filmisch untersucht werden. Nicht immer werden Antworten bereitgehalten, aber – das ist tröstlich – auch das kommt vor.

Stark sind die nordischen Länder im Bereich Serien: „Sie haben die Entwicklung von Serien gewaltig nach vorne getrieben“, ist sich der Künstlerische Leiter des Festivals Thomas Hailer sicher. „Die Trennung zwischen E und U hat hier nie existiert. Dafür sind diese Länder viel zu klein.“ Zum Glück möchte man sagen. Eine der neuen Serien heißt „Welcome to Utmark“ (Norwegen 2021, Regie: Dagur Kári) und spielt irgendwo im norwegischen Nirgendwo. In einer trostlosen Stadt im Niedergang sucht eine unbedarfte Lehrerin das stille Landleben und trifft dort auf äußerst schräge Existenzen, die sie alles andere als willkommen heißen.

 

Wieder dabei sind die „Nordic Shorts“, diesmal sind es 21 Kurzfilme, die unter dem Motto Experimentierfreudigkeit laufen. Diese Filme nutzen die Leinwand als Spiegel. Sei es, um sich in fremder Umwelt und fantastischen Welten weitergedachter Entwicklungstrends wiederzufinden, sei es, ums Ich in einem anderen Selbst wiederzuerkennen. Es sind Kurzfilme mit Ecken und Kanten. Sie trauen sich etwas und sind dem filmischen Experimentieren zugeneigt. Dennoch sind sie nicht artifiziell, sondern ein Ergebnis von Gesellschaft. Sie beziehen sich auf Alltagserfahrungen, bannen spitzfindige Beobachtungen, observieren Randerscheinungen und Extreme. Hierfür benutzen sie besondere Formen: mal sind es essayistische Werke, mal künstlerische Dokumentarfilme, mal experimentelle Spielfilme oder aber eindrucksvolle Genremixe.

 

Die Retrospektive blickt zurück auf Popmusik und Jugendkulturen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Das filmische Revival bestreiten populäre Protagonisten wie die Schwedin Siv Malmkvist und ihr widerspenstiger Gesangspartner Cornelis Vreeswijk, die dänische Pop-Megaseller-Gruppe Abba und ihr politisch engagierter Gegenpol Björn Afzelius sowie die finnischen Melancholiker Juice Leskinen und Rauli „Badding“ Somerjoki. Im Spätprogramm bescheren drei Rockdokumentaries unvergessliche Liveauftritte: „Ragnarock“ (1973) erinnert an das gleichnamige „Woodstock des Nordens“, die Karismäkis begleiteten 1981 eine Tournee um den Saimaa-See und Friðrik Þór Friðriksson dokumentierte 1982 „Rock in Reykjavik“. Musikalisch geht es auch beim Stummfilm-Special bei der Vorführung in der St. Jakobi-Kirche zu. Das diesjährige Special basiert auf einem Gedicht Heinrich Heines mit dem Titel „Die Wallfahrt nach Keviaar“ (1824). Dieses Gedicht lieferte vor 100 Jahren die Drehbuchgrundlage für eine schwedische Filmproduktion gleichen Titels. In St. Jakobi wird es sogar auch gesanglich vorgetragen, dies allerdings in moderner Form – so, wie man es aus der langjährigen Kooperation zwischen NFL und Franz Danksagmüller mit den Studierenden der Musikhochschule Lübeck gewohnt ist.

 

Mit einer Hommage ehren die 63. Nordischen Filmtage Lübeck die dänische Schauspielerin Trine Dyrholm, die 2016 den Silbernen Bären für ihre Rolle in Thomas Vinterbergs Film „Die Kommune“ auf der Berlinale erhielt. Gezeigt werden fünf ihrer wichtigsten Filme. Im Rahmen der Eröffnung am 3. November im Cinestar Filmpalast Lübeck nimmt die international gefeierte Darstellerin den Ehrenpreis persönlich entgegen. Ihr neuester Film „Margrete – Queen of the North“ von Charlotte Sieling läuft im Wettbewerb des Festivals und feiert am 4. November in Lübeck seine Deutschlandpremiere. Ihren Festivalbesuch zugesagt hat auch die schwedische Schlagersängerin und Schauspielerin Siw Malmkvist. Und das trotz Flugangst. Das will etwas heißen, vielleicht das: Die NFL sind es wert, auch solche Ängste zu überwinden.

Gut zu wissen: die 21 Kinder- und Jugend-Filme des diesjährigen Festivals sollen 2022 das ganze Jahr über zu sehen sein, beispielsweise in Sonderveranstaltungen für Schulgruppen. Auch gut zu wissen: Die NFL sind das einzige Festival in Deutschland und in Europa, das sich ganz auf die Präsentation von Filmen aus dem Norden und dem Nordosten des Kontinents spezialisiert hat. Es gibt sie schon lange, genauer: seit 1956, aber in die Jahre gekommen sind sie noch lange nicht. Ab sofort ist das Programm online einzusehen, werden alle Filme in den Sektionen Spielfilm, Dokumentarfilm, Nordic Shorts, Kinder- und Jugendfilme, Serien, Retrospektive in Kurzform vorgestellt.


63. Nordischen Filmtage Lübeck

3. bis 7.11.2021

Im Kino und online.

Der Kartenvorverkauf startet ab 30. Oktober 2021 um 15.00 Uhr.

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