Von Sardinien bis Südfrankreich, von Salzburg bis Südtirol: Es fehlt nicht an Jazzfestivals mit ausgeprägtem Urlaubsflair.
Kaum mehr als drei Fahrstunden südlich von München gerät man vom 30. Juni bis zum 9. Juli ins Zentrum eines besonders weiträumigen Großereignisses: Vom 100 Kilometer westlich von Bozen gelegenen Sulden am Ortler bis Innichen im ähnlich fernen Nordosten erstreckt sich das Südtirol Jazzfestival mit seinen rund 80 Terminen an 50 Orten. Diesmal ist es eine in Münchner Clubs wie dem „Harry Klein“ BIG gewordene BAND, deren mobiler Ableger die meisten Schauplätze zu absolvieren hat. Durch die Zentren von Brixen und Bruneck wird die „Jazzrausch Marchingband“ ziehen, in Meran und Salurn auftreten – und in Bozen sowieso.
Marching Bands gehören zum Konzept des Festivalmachers Klaus Widmann. Sie sollen bei Touristen und Einheimischen Neugier wecken auf neun Tage Musik, die nicht zuletzt deshalb finanziell so großzügig von der Region unterstützt werden, weil Widmann Südtirols Image deutlich über Törgelen und Speckknödel hinausführt. Das erstaunlich „unknappe“ Budget nützt er für programmatische Abenteuer. Da landet Avantgarde in Dorfwirtschaften und auf Berghütten, verirren sich Urlauber bei meist freiem Eintritt in Konzerte, deren Interpreten auf der Suche nach stilistisch schwer verortbarem Neuland sind – oft schon deswegen, weil eigens fürs Festival geplante Projekte sie erstmalig zusammenbringen.
Vor allem Italienisches gibt es zu entdecken, aber auch diverse Gäste aus Deutschland, zu denen auch ein schräges Quintett der Theremin-Expertin Verena Marisa zählt. CLÆNG dürfte in der Fußgängerzone von Innichen mit Titeln wie „Hydrolyse und Oxydation“ wie vom Mars angereist wirken. Bayern ist mehrfach vertreten, aber mitnichten Schwerpunkt im 35. Jubiläumsjahr. Diesmal steht das Trio BeNeLux mit seinem Namen fürs zentrale Thema. Neben Pascal Schumacher, der zum Abschluss mit einem Trio von Vibraphonisten (!) eine Hütte in 2154 Meter Höhe am Fuß des Langkofels erobern wird, spielt hier der Gitarrist Reinier Baas, und der ist als „Artist in Residence“ vom Eröffnungskonzert mit einer surrealistischen Jazzoper bis zur „Mix & Match“-Band der holländischen Freejazzlegende Han Benink vielfach vertreten.
Kein Festival der großen Namen, es geht ums Anstiften innovativer Musik an ungewöhnlichen Orten: Sängerin Leila Martial im Planetarium, „Carate Urio Acoustic“ bei den Erdpyramiden an Bozens Hausberg Ritten, das junge „Sketchbook Quartett“ im Getränkeladen Harpf in Bruneck. Und im Innenhof der Festivalstammkneipe „Batzenhäusl“ ein durchgeknalltes „futuristisches Experiment“ aus Brüssel, ein von Gehirnströmen gesteuertes „Ritual in Echtzeit“ inklusive Tänzerin und Lichtskulptur. Beruhigend, dass gleich nebenan ein bewährtes dunkles Bier gebraut wird.
35. Südtirol Jazzfestival Alto Adige
Landespartner: BeNeLux30. Juni bis 9. Juli 2017
Die vollständige Übersicht über alle Künstler, Konzerte, Uhrzeiten, Locations und andere nützliche Informationen gibt es online auf www.suedtiroljazzfestival.com.
Die allermeisten Konzerte des Festivals sind kostenfrei besuchbar.
Ansonsten können die Karten online gebucht werden. Karten im Vorverkauf gibt’s im Festivalbüro, Lauben 46, in Bozen (werktags 10 bis 13 und 15 bis 17 Uhr).
Regelmäßige News gibt es auch auf Facebook.
Abbildungsnachweis: Alle © Südtirol Jazzfestival
Header: Open Air-Bühne, Bozen
Galerie:
01. Indoor Bühne
02. Jazzrausch Marchingband
03. BeNeLux-Trio
04. Bennink, Baas, van-Gelder. Foto: Govert Driessen
05. Carate Urio Acoustic
06. Sketchbook Quartet
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