Bildende Kunst
Géricault. Bilder auf Leben und Tod

In der Frankfurter Schirn Kunsthalle wird Théodore Géricault (1791-1824), ein Großmeister der französischen Malerei des 19. Jahrhunderts, eine Ausstellung mit mehr als 60 Werken eingerichtet, die den Schwerpunkt auf Schmerz und Leiden legt.

Mit dem Gemälde „Das Floß der Medusa“ ist Théodore Géricault in die Kunstgeschichte eingegangen. Das im Pariser Louvre ausgestellte Historienbild konnte nicht ausgeliehen werden. Jedoch sind in Frankfurt vorbereitende Gemälde und Zeichnungen zu sehen.

1816 hatte die französische Fregatte „Méduse“ auf dem Weg in den Senegal Schiffbruch erlitten, die 149 Überlebenden erreichten ein Floß, auf dem sie zwölf Tage auf hoher See trieben. In der Not kam zu wüsten Ausschreitungen, gar zu Kannibalismus. Als das Floß von einem Schiff gerettet wurde, gab es nur 15 Überlebende. Géricault hielt den Moment fest, als die Unglücklichen am Horizont das Segel des rettenden Schiffs sichteten. In seinem Atelier ließ er das Floß nachbauen, konzipierte malend und zeichnend einzelne Gestalten. Ärzte eines Krankenhauses ermöglichten ihm, die Köpfe von Verstorbenen und Hingerichteten zu studieren. Nach 16 Monaten war das Bild fertig – eine Synthese seiner Studien über den menschlichen Körper.

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Vorher schon, 1814 – Napoleons Armeen waren bereits besiegt – malte Géricault einen verwundeten Kürassier, der an seinem sich aufbäumenden Pferd entlang geschleift wird. Blessuren sind weder an Ross noch Reiter zu erkennen. Aber im Blick des Soldaten scheint das Trauma des Schreckens zu liegen, aus dem er kommt. Dieses Gemälde, Sinnbild des geschlagenen Frankreichs, löste heftige Diskussionen aus.

Géricault malte Familienszenen, Kinderporträts, das verhärmte Gesicht der Gemüsehändlerin. Seine Leidenschaft zu reiten und sein Vergnügen noch nicht zugerittene Pferde zu bändigen, zeigt sich in Studien zu Pferderennen, in die er den Betrachter förmlich hineinzieht.
Und er malte „fous“, Wahnsinnige, Verrückte, Geisteskranke, Vor dunkel gehaltenem Hintergrund treten sie auf, gemalt mit grobem Pinselstrich. Die Gesichtszüge wirken leicht angespannt, die Lippen sind zusammengekniffen, die Augen gesäumt von roten Lidern. Den Psychiatrie-Patienten, die als Monomanen des Glückspiels, des Neides, des Kindsraubs, des Diebstahls bezeichnet werden, ist ihre Krankheit nicht anzusehen; Géricault zeigt sie als befremdliche Individuen. Das fünfte Bild, der Monomane des Militärischen, musste in einer Schweizer Sammlung bleiben. An seiner Statt hat die zeitgenössische Malerin Marlene Dumas in diesem Jahr das Thema neu interpretiert. Gefunden wurden die Gemälde 1863 auf einem Dachboden eines Hauses in Baden-Baden. Sie stammen aus dem Nachlass des mit Géricault befreundeten Arztes Etienne Georget, der in dem Pariser Irrenhaus Salpêtrière Dienst tat, wo in den 1820er Jahren begonnen wurde, die junge Psychopathologie des Wahns zu sortieren.

Die Werke Géricaults ergänzt die Ausstellung mit Arbeiten etwa Francisco de Goyas, Eugène Delacroix' oder Adolph Menzels. In einem wissenschaftshistorischen Teil werden anatomische Fragmente gezeigt und Fotografien von Psychiatriepatienten. Allein die Bilder der Monomanen lohnen die Reise nach Frankfurt.


Die Ausstellung „Géricault. Bilder auf Leben und Tod“ ist noch bis zum 26. Januar 2014 zu sehen. Schirn Kunsthalle Frankfurt. Römerberg in 60311 Frankfurt/M.
Der Katalog, erschienen im Hirmer-Verlag, kostet in der Ausstellung 29,80 Euro.

Abbildungsnachweis: Géricault. Bilder auf Leben und Tod © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2013
Header: Ausstellungsansicht Foto: Norbert Miguletz
Galerie:
01. Thédore Géricault: Le monomane du vol, um 1819-1820, Öl auf Leinwand, 60 x 49 cm © Lukas - At in Flanders VZW Foto: Hugo Maertens Museum voor Schone Kunsten, Gent
02. Théodore Géricault: La Monomane de l’envie, auch genannt La Hyène de la Salpêtrière, 1819-1820 (?), Öl auf Leinwand, 72 cm x 58 cm. Musée des Beaux Arts de Lyon, Lyon
03. Théodore Géricault: Le monomane du vol d’enfants, 1822-1823, Öl auf Leinwand, 64,8 x 54 cm. Michele and Donald D’Amour Museum of Fine Arts, Springfield, Massachusetts, The James Phillip Gray Collection
04. Marlene Dumas: Militaristic Monomaniac, 2013. © Courtesy Marlene Dumas. Foto: Peter Cox
05. Ausstellungsansicht Foto: Norbert Miguletz
06. Théodore Géricault: Danse napolitaine. (Tarantella), 1817, Schwarze Kreide,weiße Gouache, braun laviert auf braunem Velin, 26,5 x 18
cm. Städel Museum Frankfurt am Main. Foto: © U. Edelmann Städel Museum
07. Théodore Géricault: Fragments anatomiques, 1818, Öl auf Leinwand, 52 x 164 cm. © Musée Fabre, Montpellier
08. Théodore Géricault: Fragments anatomiques, 1818, Öl auf Leinwand, 52 x 164 cm. © Musée Fabre, Montpellier
09. Théodore Géricault: Les trois crânes, 1812-1814, Öl auf Leinwand, 31,5 cm x 60 cm. Musée Girodet, Montargis
10. Ausstellungsansicht Foto: Norbert Miguletz
11. Etienne Esquirol: Les maladies mentales considérées sous le rapports médical, hygiénique et mediocolégal, Paris, 1838. UB Frankfurt/Main
12. Théodore Géricault: Retour de Russie, 1818, Lithografie, 44,4 cm x 36,2 cm. © Bibliothèque nationale de France, Paris
13. Théodore Géricault: Les boxeurs, 1818, Lithografie, 35,2 cm x 41,2 cm. École des Beaux-Arts, Paris bpk | RMN-Grand Palais
14. Théodore Géricault: Study of a Model, ca. 1818-1819, Öl auf Leinwand, 46,7 cm x 38,1 cm. The J. Paul Getty Museum, Los Angeles
15. Ausstellungsansicht Foto: Norbert Miguletz
16. Théodore Géricault: Scène du cannibalisme sur le radeau de la Méduse, 1818-1819, Schwarzer Stift, braune Tusche, weiße Gouache, 28 cm x 38 cm. Musée du Louvre, Paris bpk | RMN - Grand Palais | Michel Urtado
17. Horace Vernet: Portrait de Géricault, 1822-1823, Öl auf Leinwand, 47,3 cm x 38,4 cm. Privatsammlung
18. Ausstellungsansicht Foto: Norbert Miguletz.

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