Bildende Kunst
Udo Lindenberg. Die Ausstellung. MKG

Ein begnadeter Maler ist er nicht, eigentlich auch kein begnadeter Sänger, aber das macht nichts, denn er ist  ein Phänomen: Udo Lindenberg hat nicht nur Musikgeschichte geschrieben, er ist auch ein Stück Zeitgeschehen.
Und er ist Kult. Grund genug Leben und Werk des Hamburger Panikrockers vorzustellen, befand das Museum für Kunst und Gewerbe und zeigt in fünf repräsentativen Räumen der Belle Étage „Udo. Die Ausstellung“.
 

Es hätte spannend werden können, denn schließlich kennt kaum einer den Menschen, der sich seit Jahrzehnten hinter Hut, Sonnenbrille und coolen Sprüchen verschanzt. Doch diese Chance wurde vertan. Die vom Schloss Neuhardenberg übernommene Schau von rund 400 Objekten (aufgeteilt in 14 Kapitel) präsentiert sich vielmehr als Fanshop, in dem alles, was jemals von und über Udo veröffentlicht wurde, als unerhört bedeutend präsentiert  wird. Schon verwunderlich, wie willfährig sich das MKG hier (bereits zum zweiten Mal nach der Apple-Ausstellung) an der Vermarktung eines Produktes beteiligt. Denn dass sich Udo als Kunstprodukt stilisiert, steht außer Frage. Die PR-Maschine freut es (das neue Album „Live aus dem Hotel Atlantic“ verkaufte sich seit September bereits 600.000 Mal) und das Museum profitiert sicher ebenfalls von den scharenweise anreisenden Fans. Es ist ihm in Zeiten knapper Kassen auch herzlich zu gönnen. Doch schiebt man den Promibonus des Wahlhamburgers einmal beiseite, so bleiben Massen an Devotionalien, dokumentarischen Fotos, Plakaten, Plattencovern, Zeitungsausschnitten, farbenfrohen Cartoons und ein nachgebautes Hotelzimmer (aus dem Atlantic an der Außenalster), die als Hamburgensie eher ins Hamburg Museum gepasst hätten. Am interessantesten (weil unbekanntesten) ist in dieser Dokumentation noch die Hommage an die Eltern Hermine und Gustav aus Gronau, der „klitzekleinen Stadt“ an der holländischen Grenze, aus der Udo, der begnadete kleine Drummer, der schon mit 13 Jahren in einer Band auftrat, nach eigenem Bekunden „immer nur raus wollte“.
 

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„Udo. Die Ausstellung“ erinnert auf frappierende Weise an das Fan-Museum der Rollings Stones im Wendland. In Lüchow, dem beschaulichen Städtchen im ehemaligen Zonenrandgebiet, eröffnete Ulrich Schröder (63), „Hardcore-Stones-Fan“  seit seinem 13. Lebensjahr, vergangenen Mai ein eigenes Haus für seine gigantische Sammlung. Die Wände sind mit T-Shirts, Gitarren und den Gemälden des Stones-Gitarristen Ron Wood gepflastert, der vor seiner musikalischen Karriere eine Ausbildung als Grafiker absolvierte und tatsächlich ein erstaunlich guter Porträtist ist. Lindenberg hingegen ist ein recht mittelmäßiger Cartoonist, dessen Werke ohne den großen Namen wohl kaum je eine Museumswand gesehen hätten. Dabei sind seine Erfindungen, die mit Eierlikör, Blue Curacao und Grenadine zusammengemixten „Likörelle“ auf ihre Weise auch wieder genial, ganz zu schweigen von dem „Ejakulator“, dem farbspritzenden Schlagzeug. „Sehr speziell“, würde Udo sagen, so, wie er auch seine Stimme als „sehr speziell“ charakterisiert. „In der ganzen Pop-und Rockmusik, überhaupt in der ganzen Musik, überhaupt in der ganzen Kunst, ist es genau das, was zählt: Speziell muss es sein“, sagte er vor knapp einem Jahr im Gespräch mit Bernd Kauffmann (Generalbevollmächtigter der Stiftung Schloss Neuhardenberg) und Maler-Freund Manfred Besser. Man kommt nicht umhin, sofort seinen nuscheligen, etwas schnodderigen Tonfall im Ohr zu haben. Es ist richtig: Udo ist speziell - in seinem Auftreten, in seinen Liedern und Texten, in seinem politischen Engagement. „Keine Panik“, immer schön locker bleiben  und sich bloß selbst nicht zu ernst nehmen. Diese Haltung hatte er schon in seinen Anfängen, wo er noch mit Otto und Lonzo auf der kleinen, wackeligen Bühne des Onkel Pö stand. Das war bei der Übergabe der legendären Lederjacke an Erich Honecker so und das ist auch bei seinen Rock-gegen-Rechts-Konzerten so. Lindenberg macht sein Ding, „egal, was die andern sagen / Ich geh meinen Weg / ob grade, ob schräg / das ist egal / Ich mach mein Ding / egal, was die andern labern / Was die Schwachmaten einem so raten / das ist egal / Ich mach mein Ding.“ Das macht ihn aus, damit hat er die Musikwelt revolutioniert. Sein größter Verdienst, so erklärte Namensvetter Udo Jürgens einmal, sei gewesen die Rockmusik mit der deutschen Sprache zu verbinden. Keine Frage, man muss Udo sehen, man muss ihn hören, man muss ihn erleben. Auch mit 65 Jahren ist der Panikrocker ein echtes Gesamtkunstwerk. Die zum „Mega-Event“ aufgeblasene Dokumentation von Leben und Werk liefert nur einen schalen  Abklatsch. Schade, man hätte ihm so gern einmal in die Augen geschaut.  
 
„Udo. Die Ausstellung“, bis 11. März 2012 / Verlängert bis 09. April 2012
Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz,
Geöffnet: Di-So 11-18 Uhr, Do bis 21 Uhr.

Fotonachweis:
Header: Udo Lindenberg auf dem Dach des Hotel Atlantik in Hamburg, Foto: Tine Acke
Galerie:
1-3. Blicke in die Ausstellung. © Dennis Conrad
4. Udo Lindenberg „Moses“
 

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