Bildende Kunst

Dali hätte seine helle Freude gehabt, auch André Heller dürfte die Inszenierung von Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl in der Sammlung Falckenberg, der Harburger Dependance der Deichtorhallen, gefallen.

Schließlich wirkt das Gesamtkunstwerk „Passage“ des Wiener Künstlerduos mitunter, als sei es dem legendären Kunst- und Vergnügungspark Luna Luna ihres Landsmannes entsprungen.

 

Wer bin ich und wenn ja, wie viele? Dieser Titel könnte auch zur Ausstellung von Ashley Hans Scheirl (*1956) und Jakob Lena Knebl (*1970) passen. Das exzentrische Künstler*innen-Paar, das 2022 den österreichischen Pavillon in Venedig bespielte, liebt Metamorphosen, Verkleidungen, Rollenspiele, das wird schon auf den ersten Blick klar. Bei ihnen ist alles „TRANS“, transmedial, transformativ. Und selbstverständlich wollen auch sie selbst als multiple Charaktere wahrgenommen werden, wie ihre Namen schon verraten. Die Harburger Phoenix-Halle, die seit 2001 die Sammlung Falckenberg beherbergt, haben sie in einen schillernd-sinnlichen Ort verwandelt, der an morbid-barockem Pomp, erotischen Fantasien und schwarzem Humor kaum zu toppen sind. Allein schon der petrolfarbige Anstrich des sonst so nüchtern wirkenden (ehemaligen) Fabrikgebäudes ist spektakulär und ein deutlicher Hinweis darauf, dass man hier eine surreale Welt betritt in der sich jede Frau, jeder Mann, in das verwandeln kann, was sie oder er sich wünschen: In Sphinx oder Diva, Cyborg oder Cerberus, Macho oder Lollypop. Dabei zeichnet Scheirl für die Malerei verantwortlich und Knebl, für die figurativen (teils monströsen) weichen Stoffskulpturen, mit denen sie die Beziehung zwischen Körper und Möbel hinterfragen will und die dazu einladen, sich einfach hineinfallen zu lassen und ödipale Phasen noch einmal auszuleben.

 

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Über zwei Etagen präsentieren die beiden ihren Crossover-Mix aus Design und Kunst, aus Fotografie, Malerei, Skulptur und Video. Gruppieren die Versatzstücke zu „Begehrensräumen“ – zu ausladenden szenografischen Installationen voller fragmentarischer Körperbildern und -Skulpturen, die auf Vorbilder quer durch die Design- und Kunstgeschichte anspielen: DaDa, Surrealismus, Opart, Popart. Immer wieder sind Referenzen an Hans Arp, Salvador Dali, Victor Vasarely, Hans Bellmer oder Luigi Colani auszumachen. Überall organische, weiche, fließende Formen (sogar zwei veritable Springbrunnen in Colani-Badelementen der 70er Jahre), die sich doppeln oder miteinander verschmelzen, wie die zwei Körper in der weißen Kunststoff-Skulptur „Magda & Lena“, eine Hommage an die biblische Büßerin Maria-Magdalena.

 

Diese Figur ist mal kein Abbild von Jakob Lena oder Ashley Hans – und gehört damit zu den wenigen Ausnahmen in dem Kunstkosmos von Knebl & Scheirl, der sich fast ausschließlich um die beiden Protagonist*innen selbst dreht: Umm die Frage nach ihrer Identität, ihrer Körperlichkeit, ihrer Obsessionen, ihrer Triebhaftigkeit. Kurz gesagt: Jakob Lena und Ashley Hans frönen der ungehemmten Selbstbespiegelung – und das ohne geringste Hemmungen vor Exhibitionismus und Kitsch, wie bei den Bodypaintings (Wolkenlandschaft und Knautschkissen) auf Jakob Lenas üppigem Leib deutlich wird. Ohne Hemmungen vermutlich deshalb, weil der intellektuelle Überbau ihrer Werke immens ist: Ob Religion, Philosophie, Psychologie, Politik oder Konsumkritik; ob Feminismus, Diversität, Genderdebatten, Rollenspiele oder Familientherapie - es scheint nichts zu geben, was die beiden nicht anhand ihrer Selbst verhandeln. Auch Romane und theoretische Schriften sind immer wieder Inspirationsgeber von Installationen. So soll sich der Ausstellungstitel „Passage“ auf das fragmentarisch gebliebene „Passagen-Werk“ von Walter Benjamin beziehen. Doch keine Sorge, man muss es nicht gelesen haben, um in diese sehr weiblich geprägte Kunstwelt eintauchen zu können.


Jakob Lena Knebl & Ashley Hans Scheirl – Passage

Zu sehen bis 15.9.2024, in der Sammlung Falckenberg in den Phoenix-Fabrikhallen, Wilstorfer Str. 71, Tor 2, 21073 Hamburg-Harburg.

Geöffnet jeden 1. So im Monat 12-17 Uhr. Deichtorhallen Hamburg. Führungen können jeden Fr. um 15 und 17 Uhr, sowie jeden Sa und So um 12,15 und 17 Uhr gebucht werden.

Weitere Informationen (Sammlung Falckenberg)

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