Mann (!) machte es ihnen so schwer wie irgend möglich; ließ sie nicht aus dem Haus, verbot das Malen mit Ölfarbe, den Zugang zu Akademien und Zünften. Und dennoch gab es schon im 16. Jahrhundert äußerst erfolgreiche Malerinnen, deren Meisterwerke sogar die Familie ernährten.
Das Bucerius Kunst Forum stellt derzeit in Vergessenheit geratene „Geniale Frauen“ vor und gibt ihnen in einer fantastischen Ausstellung die Bühne, die ihnen gebührt. Ein Meilenstein in der Ausstellungspolitik des Hauses.
Wer statt bei Wikipedia lieber analog, in Kindlers Malerei Lexikon nachschlägt, wird sie nicht finden: Anna Barbara Abesch (1706–1773), Mary Beale (1633–1699), Virginia Vezzi (1600–1638) und viele mehr. Dabei waren diese Malerinnen zu Lebzeiten durchaus renommiert. Doch das weiß kaum noch jemand. Nicht einmal die großartige Naturforscherin und Zeichnerin Maria Sibylla Merian (1647–1717) oder Rachel Ruysch (1664–1750), die wohl erfolgreichste niederländische Malerin des 17. Und 18. Jahrhunderts, sind im wichtigsten Kunstlexikon des 20. Jahrhunderts verzeichnet. Auch nicht Catharina Treu (1743–1811), erste Professorin an einer Kunstakademie im deutschsprachigen Raum. Oder Anna Dorothea Therbusch (1721–1782), Tochter des preußischen Hofmalers Georg Lisiewski, die mit 40 ihre Sachen packte, um am Stuttgarter Hof des Herzogs von Württemberg dessen Adelsverwandtschaft zu porträtieren und die später Mitglied der Pariser Académie royale und der Wiener Hofakademie wurde. Der einfache Grund: Die Kunstwissenschaft war bis in die jüngste Zeit eine reine Männerdomäne. Ihre Geschichte wurde von Männern für Männer geschrieben. Dementsprechend wurden Künstlerinnen, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt, sodass viele letztlich in Vergessenheit gerieten. Angelika Kauffmann (1741–1807), Gründungsmitglied der Royal Academy of Arts in London, und Katharina van Hemessen (1528 – nach 1565), deren frühes Selbstporträt von 1548 eine kleine Sensation zum Auftakt der Schau bietet, gehören zu den wenigen Ausnahmen Die Tochter des Antwerpener Malers Jan Sanders van Hemessen war die erste Künstlerin überhaupt, die sich vor einer Staffelei malte, also bei der Arbeit. Und das immer wieder. Für sie war das Selbstporträt ein Werbeträger. Und es funktionierte. Maria von Ungarn war begeistert von der Malerin und holte sie an den Brüsseler Hof.
Insgesamt 30 Künstlerinnen der Renaissance, des Barock und des frühen Klassizismus hat Kuratorin Katrin Dyballa mit dieser Ausstellung ihrem Schattendasein entrissen. In sieben Kapiteln und 152 Exponaten – Porträts, Stillleben, Genrebilder und Druckgrafik – zeigt sie die Bedingungen auf, unter denen die Frauen damals gemalt haben, stellt ihre Werke den Arbeiten der Väter, Brüder und Ehemänner gegenüber. Denn ohne Unterstützung der Männer war eine Karriere als Malerin in der Regel unmöglich. (Es sei denn bei Hofe oder im Kloster).
Ausstellungsansicht. Foto: Ulrich Perrey
Entsprechend stammten die meisten der hier vorgestellten Malerinnen aus Künstlerfamilien oder heirateten in solche ein – um nach der Lehre bei Vater, Bruder, Ehemann meist als unsichtbare Helferinnen in deren Werkstätten zu verschwinden. Eine von ihnen war „La Tintoretta“, bürgerlich Marietta Robusti (um 1555–1590). Sie war die Tochter des Venezianers Tintoretto, der früh ihr Ausnahmetalent förderte, sie dann aber eifersüchtig an Haus und Werkstatt band, sodass man heute die Gemälde der beiden nicht eindeutig unterscheiden kann. Wer weiß, bei wie vielen „Tintorettos“ in Wirklichkeit die Tochter Hand anlegte. Im Bucerius Kunst Forum ist ein wunderschön gezeichneter antiker Kopf von Marietta handsigniert.
Ausstellungsansicht. Foto: Ulrich Perrey
Für die meisten Künstlerinnen jener Epochen (oft ist es heute nicht anders) hatte es sich mit der Eheschließung sowieso ausgemalt. Sie mussten sich um Haushalt und Kinder kümmern. Aber es gab tatsächlich auch Ausnahmen: Lavinia Fontanas (1552–1614) Erfolg war so enorm, dass ihr Mann zu ihren Gunsten seine Karriere aufgab. Und da sie ständig an der Staffelei stand, muss er sich auch um die elf Kinder und das Backoffice gekümmert haben. Ein emanzipierter Mann in der Renaissance, wer hätte das gedacht!
Geniale Frauen. Künstlerinnen und ihre Weggefährten
Zu sehen bis 28.1.2024 im Bucerius Kunst Forum, Alter Wall 12, Hamburg.
Es ist ein Katalog erschienen.
Weitere Informationen (Bucerius Kunst Forum)
Im Rahmen der Förderung der Ausstellung durch die Hapag-Lloyd Stiftung ermöglicht diese den freien Eintritt für alle Besucher am 6. Dezember 2023.
Die Ausstellung wird im Anschluss vom 2. März bis 30. Juni 2024 im Kunstmuseum Basel gezeigt.
Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)
Kommentare powered by CComment