Bildende Kunst

London, New York, Paris, Shanghai – weltweit steht der Name Swarovski für Modeschmuck der Extraklasse. Die Flagship Stores der Metropolen verblassen jedoch angesichts des Zauberreiches fernab internationaler Luxusmeilen: Die Swarovski Kristallwelten in Wattens, Tirol. In diesem Jahr wurden sie um eine Attraktion reicher: durch die Lichtinstallation „Umbra“ von James Turrell.

 

Wer Swarovski hört, denkt an Showbiz, Glanz und Glitzer. An „Cinderella“, Madonna und Michael Jackson oder auch an Katy Perrys umwerfendes Kronleuchter-Kleid von Moschino, das sie bei der MET-Gala 2019 trug. Doch James Turrell? Was bringt den US-amerikanischen Landart- und Lichtkünstler in die österreichische Provinz? Seine atmosphärischen, meditativen Lichträume scheinen auf den ersten Blick rein gar nichts mit den effektvollen Glamour-Produkten des österreichischen Familienunternehmens gemein zu haben.

 

Turrell beschäftigt sich sein Leben lang mit der Beziehung zwischen Licht und Raum. Mit seinen „Skyspaces“ schuf er archaisch-schlichte, abgeschiedene Räumen mit ovalen Öffnungen, durch die man den Himmel beobachten, Farbstimmungen und Naturphänomene wahrnehmen kann. (Seit 2006 steht einer seiner Skyspaces auf dem Mönchsberg vor dem Museum der Moderne in Salzburg, seit 2018 ein zweiter auf der Tannegg in Lech). Vor knapp zwei Jahren erhielt James Turrell den japanischen „Praemium Imperiale“, auch „Nobelpreis der Künste“ genannt. Einen Künstler dieses Kalibers erwartet man nicht in Wattens. Und doch passt Turrells Lichtraum ganz hervorragend in die einzigartige Erlebniswelt, zu der mittlerweile auch eine liebevoll gestaltete Gartenanlage mit einer eigenen Attraktion zählt: Einem aus 15 Millionen Swarovski-Kristallen besehenden Karussell des spanischen Künstlers Jaime Hayon.

 

Swarovski Karusell

Das Karussell des spanischen Designers Jaime Hayon. Foto: © Swarovski Kristallwelten

 

In Wattens, der kleinen Gemeinde im Tiroler Unterinntal, ca. 13 Kilometer östlich von Innsbruck, befindet sich seit 1895 der Stammsitz des österreichischen Kristall-Unternehmens. Daniel Swarovski (1862-1956), Spross einer böhmischen Glasschleifer-Familie, fand hier die idealen Bedingungen für seine innovative Firma, reichlich Platz und Wasserkraft im Überfluss. Überdies bot die abgelegene Gegend einen gewissen Schutz vor Industriespionage. Vier Jahre zuvor hatte der ambitionierte junge Unternehmer das Patent für eine elektrische Maschine zum Schneiden und Schleifen von Kristallglas angemeldet. Nach der Jahrhundertwende stieg er rasch zu einem international führenden Lieferanten für Strass-Schmuck auf, (Edelstein-Imitate aus Bleiglas, entwickelt um 1730 von dem elsässischen Chemiker und Goldschmied Georges Frédéric Strass), den er schneller und besser herstellen konnte als alle Konkurrenten. Überdies hatte Swarovski ausgezeichnete Designer beschäftigt und ein hervorragendes Marketing aufgebaut. Von Marlene Dietrich, über Marilyn Monroe und Elton John, bis zu Cher und Lady Gaga – ohne die Glitzersteinchen von Swarovski ist das internationale Showbiz einfach undenkbar.

 

Swarovski Marilyn Monroe Fokus in den Swarovski Kristallwelten gibt Einblicke in das Leben der Ikone Swarovski Kristallwelten F Thomas Steinlechner

Der erweiterte Marilyn-Monroe-Fokus in den Swarovski Kristallwelten gibt Einblicke in das Leben der Ikone. Foto: © Swarovski Kristallwelten / Thomas Steinlechner

 

All überbordend funkelnden Kostüme der Stars, vor allem aber atemberaubende Installationen international bekannter Designer und bildender Künstlerinnen sind heute in den Wunderkammern von Wattens versammelt. Eine einzigartige Erlebniswelt, die ein Mann erfunden hat, der den Menschen immer wieder das Staunen lehrt: Tausendsassa und Alleskönner André Heller. Unvergessen sein avantgardistischer Kunstjahrmarkt „Luna Luna“ auf der Moorweide in Hamburg 1987 mit über 30 international bekannten Künstler*innen, unter ihnen Joseph Beuys, Georg Baselitz, Keith Haring, David Hockney, Roy Lichtenstein und Jean Tinguely,

 

Zum hundertjährigen Firmenjubiläum von Swarovski 1995 entwarf der umtriebige Österreicher, (der aktuell seinen guten Ruf als Fälscher eines Basquiat-Rahmens verspielt), einen künstlich aufgeschütteten Hügel in Form eines wasserspeienden, grün-bewachsenen liegenden Riesen, durch den man das Reich der kristallinen Fantasie spaziert. Ein Reich, in dem man zum Auftakt sein blaues Wunder erlebt – und das ist durchaus wörtlich gemeint.  

 

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Die erste Kammer, wie alle Kammern hallengroß, ist eine Hommage an die Klassiker der Moderne und der Pop-Kultur. Meisterwerke, wie die zerfließende Uhr von Salvador Dali, die Nana von Niki de Saint Phalle oder Keith Harings Männchen sind hier in Glas nachgebildet und effektvoll vor leuchtendem Ultramarinblau, dem berühmten „Yves-Klein-Blau“, präsentiert. Vorbei an einer gigantischen Wand aus Kristallen geht es hinab in ein Winter Wonderland, in eine minus zehn Grad kalte, beschneite Eiskammer namens „Silent Light“, die von den Star-Designern Tord Boontjes und Alexander McQueen kreiert wurde. Wer nicht frieren will, kann den Traum aus Eis auch von außen, durch die Glasscheibe, betrachten. Ein Werk aus Eiskristallen hat übrigens auch der Tiroler Künstler Oliver Irschitz für Wattens geschaffen: Einen auf den ersten Blick leeren Gang, in dem die Fußabdrücke der Besucher kristalline Spuren hinterlassen.

 

18 Wunderkammern versammeln die Kristallwelten Wattens mittlerweile und ständig kommen neue Inspirationen dazu. So ist ein Raum ist der Starsopranistin Jessey Norman gewidmet, die im Glanz des Kristalldoms die Schlussarie aus „Dido und Aeneas“ sag. Ein anderer Raum dem Thema Frieden, in Form lebensgroßer Hologramme von (u.a.) Mahatma Gandhi, Martin Luther Kind und Nelson Mandela. Das russische Künstlerduo Blue Noses ließ vier architektonische Wahrzeichen (Taj Mahal, Cheops-Pyramide, Empire State Building und Lenin-Mausoleum) in Kristall schleifen und konterkarierte das Pathos mit witzigen Videos im inneren der Gebäude. Und der indische Designer Manish Arora ersann einen energetisch aufgeladenen „Palast der Liebe“ in Neonfarben, zu dem eine Treppe voller bunter „Love“-Sprüche führt.

 

Swarovski Yayoi Kusama Chandelier of Grief 2

Die Spiegelinstallation "Chandelier of Grief" der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama. Foto: © Swarovski Kristallwelten

 

Am beeindruckendsten aber sind die Großrauminstallationen, in die man eintaucht, wie in eine Unterwasserwelt. Allen voran das schwindelerregende Spiegelkabinett „Chandelier of Grief“ mit seinem gewaltigen Kristall-Luster im Zentrum. Die japanische Künstlerin Yayoi Kusama die ihren ersten „Infiniy Mirrored Room“ bereits 1966 in New York präsentierte, lässt Decke und Boden verschwimmen und suggeriert somit Unendlichkeit. Die Gallery David Zwirner, New York, die Yayoi Kusama seit Jahren vertritt, verhängte bei einer Kusama-Installation eine Zeitbeschränkung von 45 Sekunden für die Besucher*innen, da der Andrang so groß war.

 

Die Installation „Into Lattice Sun“ der koreanischen Künstlerin Lee Bul ist ähnlich spektakulär, aber auch hier darf man sich alle Zeit der Welt lassen. Sie entwarf eine futuristisch anmutende Stadtlandschaft, die über eine symbolträchtige Brücke zu erforschen und begehen ist. Beeindruckend auch der schillernde Kristalldom, der das Gefühl vermittelt, sich im Inneren eines gigantischen Kristalls zu befinden. Den Ambient-Sound komponierte Brian Eno, der ebenfalls für „55 Million Crystals“ verantwortlich zeichnet, eine Wunderkammer, in der Musik, Licht und Computertechnik zu einem hypnotischen Kaleidoskop verschmelzen.

 

Bei den Künstlerräumen von Arik Levy und James Turrell wähnt man sich vollends in der Tate Modern oder dem MOMA, denn in diesen Wunderkammern ist das ansonsten permanent präsente Funkeln und Blinken verschwunden. Der gebürtige Israeli und heute in Paris lebende Star-Designer Levy hat sich vielmehr auf die bildhauerische Kraft kristalliner Strukturen konzentriert und einen weißen Raum mit überdimensionalen (Kristall)Skulpturen aus Stahl und Marmor geschaffen. James Turrell wiederum arbeitet ohne jedes Inventar. Sein Werk „Umbra“ besteht aus purem Licht. Magischem Licht, in Farbspielen von Orange bis Violett. Ein Ganzkörpererlebnis, einzigartig im deutschsprachigen Raum. Und die Verbindung zu Swarovski? Sie liegt auf der Hand – denn was wäre Kristall ohne das Licht, das es zum Strahlen bringt.


Swarovski Kristallwelten

Kristallweltenstraße 1, 6112 Wattens/Österreich

Öffnungszeiten: täglich 9 - 19 Uhr (letzter Einlass: 18 Uhr),

Tel. +43 5224 51080, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weitere Informationen (Homepahe Kritsallwelten)

 

Lesen Sie auch den Beitrag: Swarovski und die Avantgarde. Geschrieben von Klaus von Seckendorff (2015)



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