Die Freiluftmalerei oder Pleinairmalerei (fr.: „en plein air“, dt.: „im Freien“) war zum Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts geradezu revolutionär. Generationen von Ateliermalern hatten Landschaft, Seestücke, Natur und deren Topografie aus dem Gedächtnis, nach Skizzen oder als Fantasie auf Leinwand gebannt.
Von da ab malen Künstler unter freiem Himmel, schleppen Staffeleien, Leinwände, Farben und Pinsel ins Grün und fangen Licht und Schatten ein, Wolken und aufziehende Gewitter, Vogelschwärme und das Glitzern der Sonnen- oder Mondreflektion auf Gewässern ein.
Ins Freie treibt eine Einladung des Museums Starnberger See auch den oberfränkischen Maler Peter Angermann. Kein Anachronismus, sondern eine Kombination aus Konsequenzen, denn Angermann ist von Hause aus Landschaftsmaler und heimatverbunden ist er oberdrein und nach zwei Jahren Covid-Pandemie ist der Außerraum klinisch und nicht ansteckend.
Was aber vor allem Angermann auszeichnet, ist sein malerischer und thematischer Humor – und der ist in der Ausstellungshalle im Untergeschoss mit den grober Betonwänden geradezu ideal präsentiert. Zutaten seiner Arbeit sind etwa expressionistische Farbgebung, eine gewisse Grobheit im Pinselstrich, eine authentische Direktheit sowie eine Verbundenheit mit dem eigenen Ich und der Umgebung.
Der Starnberger See ist für Angermann kein unbekanntes Terrain, es ist für ihn ein Erinnerungsort von unbeschwerter Kinderzeit. 1951 verbringt er hier in der Seeburg bei Allmannshausen einige Wochen seiner Ferien.
Die Rückkehr im März 2022 an diesen beschaulichen Ort lässt den Maler malen, mobil sein, um den See herum seine Staffelei aufstellen. Die meisten dieser Starnberger-See-Bilder sind kleines Mittelformat, kraftvoll, routiniert und gekonnt gearbeitet und jahreszeitenauthentisch. Fünf davon hängen an der weiß getünchten Stirnwand.
Ansonsten spannt sich die Werkauswahl zwischen den Jahren 1991 und 2022 und bekannte Werke wie „Urlaub für immer“ (2007) und „Beobachtung der Beobachtung“ (2017) sind ebenso ausgestellt, wie ganz andere, nicht-landschaftliche Werke: der rote Kasperl „A.l. 3 (nohandsfractal, 2010), hinter dem sich eine perfide künstliche Intelligenz versteckt.
Im Gesamtkontext wirkt somit keines der Bilder rein oder harmlos, wir werden Teil einer Vermutung, dass sich in, neben, über und hinter allem weder Idylle noch uneingeschränktes Wohlsein befindet. Aktuell kommentierend sind die hellgrauen Bombersilhouetten am bayerischen Himmel „B-52 vor dem Fenster“ (2022). Angermann nimmt Bezug zur europäischen Nachbarschaft, inder ein Krieg wütet.
Die „Buntheit“ und die einfache Machart der Bilder überzeugen durch ihre Spitzfindig- und Hintergründigkeit. Wir sind im Kabinett der eigenen Traumata.
Peter Angermann: Ins Freie
Zu sehen bis zum 20. November 2022 im Museum Starnberger See, Possenhofener Straße 5 in 82319 Starnberg
Geöffnet: Di.-So. 10-17 Uhr (und an Feiertagen)
Weitere Informationen (Homepage Museum Starnberger See)
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