Es mag am Geist dieser Zeit liegen, dass wir uns wieder verstärkt dem Biedermeier zuwenden. Die Sehnsucht nach Frieden und Besinnlichkeit nimmt Allerortens zu, nach stillem Verweilen in unberührter Natur. Dieser Gedanke hat auch Heinrich Reinhold beseelt, den kaum bekannten Deutschrömer, dessen Schaffensperioden die Hamburger Kunsthalle nun in Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar in einer großangelegten Ausstellung vorstellt.
„Der Watzmann“ (1818), wie mit dem Teleobjektiv fokussiert, das Bergmassiv glasklar, die bewaldeten Hügel davor nur schemenhaft gefasst. Eine imposante Wolkenformation über einer Schlucht, beobachtet von Künstlerfreunden von einem Hochplateau aus (1819). Oder auch ein paar gänzlich unspektakuläre „Felsstücke und Gras“ (um 1821-24), genauso, wie sie dem Künstler vor Augen kamen, ohne Überhöhung und idealtypischer Komposition. Heinrich Reinhold (1788-1825) brauchte keine dramatische Inszenierung, um die Schönheit der Natur in Skizzen und Studien einzufangen, deren ästhetischer Reiz oftmals im Unvollendeten liegt. „So schlicht, ruhig und von anspruchsloser Art“, wie sein Kollege Ludwig Richter den allseits beliebten Maler schildert, so still, harmonisch und sachlich-präzise wirken Reinholds Landschaftsausschnitte. Und angesichts der Tatsache, dass er so wenig Zeit hatte, hinterließ er ein beeindruckend umfangreiches Werk. Der Künstler wurde nur 36 Jahre alt.
Die Laufbahn als Maler und Kupferstecher wurde Heinrich Reinhold in die Wiege gelegt. Als Spross einer Künstlerfamilie aus Gera erhält er früh Zeichenunterricht, geht später an die Kunstakademie nach Dresden, ab 1806 an die Kunstakademie Wien, wo schon sein jüngerer Bruder studiert. Dort herrscht Aufruhr. Ein Kreis avantgardistischer Kunststudenten revoltiert gegen die klassizistische Akademielehre. Ihr Ziel ist eine Erneuerung der Kunst - mit „Herz, Seele und Empfindungen“ (Friedrich Overbeck), wie sie frühromantische Kunsttheoretiker propagieren. Sehnsuchtsort der Nazarener, wie man diese Künstlergruppe später nennt, ist Rom, die „Ewige Stadt“.
Auch Heinrich Reinhold geht nach Italien, im Jahr 1819. Erst einmal verschlägt es den brillanten Kupferstecher nach Paris, denn von dort kommt 1809 ein überaus verlockendes Angebot: Dominique Vivant Denon, Generaldirektor des Musée Napoléon in Paris (heute Louvre), der wohl wichtigste Museumsmann seiner Zeit, will ihn als Mitarbeiter an den „Campagnes de Napoleon“, einem enzyklopädischen Radierzyklus über alle Napoleonischen Feldzüge. Ein höchst prestigeträchtiges Projekt, währenddessen der Künstler immer unglücklicher wird, nicht zuletzt, weil sein Augenlicht unter den Ätzvorgängen leidet. „Ich fühle, dass ich etwas Besseres Größeres leisten kann“, schreibt Reinhold im April 1814 an seinen Bruder. „Bei dieser Beschäftigung, die nur immer zum Zweck hatte, Greul zu verewigen, füllt sich meine friedliebende Seele mit Bildern des Elends und der Verwüstung, die jede für die ruhige, friedliche Landschaftsmalerey günstige Stimmung und Idee schon im Keim wieder vernichten“.
Mit der Niederlage Napoleons wenig später sind die „Campagnes“ Makulatur und Reinhold kann nach Wien und zur friedvollen Landschaft zurückkehren. Mit seinem Bruder und Malerfreunden unternimmt er in den Folgejahren Studienreisen in die Berge, ins Salzkammergut und das Berchtesgadener Land – bis er schließlich mit dem Maler Johann Christoph Erhard ganz nach Italien zieht.
Vielleicht wäre Reinhold in Vergessenheit geraten, hätten ihn nicht ungleich prominentere Künstler wie Karl Friedrich Schinkel und Bertel Thorwaldsen so geschätzt und gesammelt. Ihre Ankäufe gelangten später in die Museen, nach Kopenhagen, Weimar und in die Hamburger Kunsthalle, die mit zwölf Gemälden und mehr als 100 kleinformatigen Zeichnungen das größte Reinhold-Konvolut besitzt. Allesamt Bilder, die durch sensible, detailverliebte Beobachtung auffallen, sowie durch eine brillante Technik, die oftmals den Blick des geschulten Kupferstechers verrät. Vermutlich waren die meisten Skizzen und Ölstudien als Vorlagen für große Landschaftsgemälde gedacht, ihr autonomer Charakter jedoch ist bestechend.
Die von Andreas Stolzenburg kuratierte Schau beendet nun den Zyklus deutscher Landschaftsmaler der Goethezeit, die seit 2008 in großen Abständen kaum bekannte Deutschrömer wie Jakob Philipp Hackert, Johann Christian Reinhardt und Franz Ludwig Catel vorstellte. Das, was für die Vorläufer galt, soll jetzt auch für Heinrich Reinhold gelten: Ihn endlich mal richtig zu sehen.
Heinrich Reinhold – Der Landschaft auf der Spur
Zu sehen bis 10. März 2019 im Hubertus-Wald-Forum der Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall 5, 20099 HamburgÖffnungszeiten: Di.-So. 10-18 Uhr, Do. 10-21 Uhr, Mo. geschlossen
Zur Ausstellung erschein ein umfangreicher Katalog. Erhältlich für 29 €
Alle Infos unter www.hamburger-kunsthalle.de
Abbildungsnachweis: Heinrich Reinhold (1788-1825)
Header: Detail aus "Der Watzmann", 1818, Zeichnung / Öl auf Vergépapier, 30 x 42,9 cm. Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin
bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Jörg P. Anders
Galerie:
01. "Künstler erkunden die österreichischen Alpen", 1819, Öl auf Leinwand, 345 × 425 mm. © Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein, Vaduz–Wien
02. "Blick auf Olevano", 1821/24, Öl auf Papier auf Leinwand, 22 x 29,3 cm . © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Elke Walford
03. "Nach dem Sturm", 1819, Öl auf Holz, 33 x 41 cm. © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Elke Walford
04. "Ein Baum in der Campagna", 1822/23, Öl auf Papier auf Pappe, 25,7 x 23 cm. © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Elke Walford
05. "Der Watzmann", 1818, Zeichnung / Öl auf Vergépapier, 30 x 42,9 cm. Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin
bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Jörg P. Anders
06. "Blick auf Civitella", 1822, Öl auf Papier auf Pappe, 16,5 x 25,7 cm. © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Elke Walford
07. "Blick auf Pizzofalcone in Neapel", 26.7.1820, Bleistift, 285 x 394 mm. © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Christoph Irrgang
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