Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne – Ein Rundgang durch die Ausstellung
- Geschrieben von Christel Busch -
Amerikaner erobern Potsdam! Nach der spektakulären Impressionismus-Ausstellung nun der Blick über den großen Teich nach Nord-Amerika: Das Museum Barberini am Alten Markt in Potsdam zeigt bis zum 3. Oktober 2017 amerikanische Kunstwerke.
Die Ausstellungsmacher spannen einen Bogen von Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts, wobei der Fokus auf den Themen Landschaft, Portrait und Stadt liegt. Es ist die erste internationale Kooperation mit der Sammlung Phillips Collection aus Washington, D.C. Rund siebzig Meisterwerke von fünfzig Künstlern traten die Reise aus den USA nach Potsdam an: Darunter Arbeiten prominenter Namen wie Edward Hopper, Jackson Pollock, Clyfford Still, Alexander Calder und Mark Rothko.
Das Museum Barberini präsentiert – unterteilt in acht Themenbereiche – die Gemeinsamkeiten aber auch die Unterschiede zwischen den Amerikanern und der damaligen europäischen Avantgarde. „Amerikas Weg in die Moderne lässt sich anhand der Werke der Phillips Collection in Washington beispielhaft aufzeigen. Duncan Phillips‘ Verständnis von Kunst als Universalsprache ist bis heute eine Inspiration“, so die Potsdamer Museumsdirektorin Ortrud Westheider.
Angefangen hat alles mit dem Sammler und Kunstkritiker Duncan Phillips. Im Jahr 1921 eröffnete Phillips‘ ein kleines Museum in der heutigen 21st Street, N. W., Washington, D. C. – acht Jahre vor Gründung des MoMa (Museum of Modern Art) und zehn Jahre vor der des Whitney Museums of American Art, beide in New York. Grundstock war die familieneigene Sammlung impressionistischer Malerei aus Frankreich und Europa. Im Kontext dazu, sammelte Phillips amerikanische Künstler, in „deren Schaffen schon der moderne Geist zu erkennen war“, heißt es im Katalog. Dem amerikanischen Impressionismus, dem Expressionismus, der Neuen Sachlichkeit sowie der Farbfeldmalerei und der Abstraktion war der Weg in die Moderne geebnet: Wie die französischen Impressionisten zogen die Amerikaner, darunter George Innes, Paul Dougherty und Ernest Lawson, in die freie Natur, um die Naturgewalten des Wassers am Harlem River und an der Ostküste Neuenglands zu malen. Mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes erschloss sich der Westen des Landes mit seinen stillen Hügeln und Tälern.
Nach den Landschaftsbildern fand die moderne Großstadt Eingang in das Schaffen einer nächsten Maler-Generation. Die Großstadt-Metropolen mit ihren Hochhäusern, die Fabrikanlagen, die U-Bahn-Züge waren Ausdruck für Modernität und materiellen Wohlstand. Künstler wie Stefan Hirsch, Charles Sheeler und Edward Bruce, beeinflusst vom europäischen Kubismus und Futurismus, thematisierten in ihren Gemälden den „American Way of Life“, den typisch amerikanischen Lebenstraum.
Neben den Häuserschluchten sind es die Menschenbilder in der Stadt, welche den Zeitgeist ausdrücken und die Bildsprache der amerikanische Künstler prägten. Der Einsamkeit und Isolation des Einzelnen in dieser modernen Gesellschaft widmen sich Edward Hopper – der auch Namensgeber der Potsdamer Ausstellung ist – sowie Watt Kuhn, John Sloan und George Bellows. Hopper malt einen einsamen Mann im feinen Sonntagsstaat und Zigarre im Mundwinkel vor einer ausgestorbenen Häuserreihe sitzend. John Sloan hält dagegen das quirlige Leben einer U-Bahn-Station zur abendlichen „Rushhouer“ fest. Hinzu kommen nicht nur die feinen Damen der Gesellschaft in ihren etablierten Wohnzimmern, sondern auch die Randgruppen der amerikanischen Gesellschaft, wie die Frau mit den Federn auf dem Kopf und der sich schminkende Clown vorm Spiegel, welche den Betrachter auf die sozialen Spannungen in den Metropolen hinweisen. Duncan Phillips gehörte zu den wenigen Sammlern und Direktoren, welche diese neue Art von Kunst, spöttisch „Ashcan School“ genannt, auch in ihrer Sammlung aufnahmen.
Zu den unübertroffenen Meisterwerken der bildenden Kunst gehören die Werke von Jackson Pollock, Clyfford Still, Philip Guston, Alexander Calder und Adolph Gottlieb, von den Kunsthistorikern später als Abstrakter Expressionismus bezeichnet.
Nachdem New York nach dem Zweiten Weltkrieg Paris als Zentrum der künstlerischen Avantgarde ablöste, war eine junge Malergeneration angetreten, die in Kontrast stand zu dem lieblichen Realismus der 1930er-Jahre. Künstler wie Still und Pollock schleuderten die Farbe auf großformatige Leinwände, attackierten sie mit Spachteln und wilden Pinselstrichen. Ihre gegenstandslosen, farbintensiven Bilder knüpften zwar an die europäischen Surrealisten an, aber ihre Gemälde haben kein kompositorisches Zentrum; scheinen den Malgrund zu sprengen und sich darüber hinaus fortzusetzen. Trotz der Auseinandersetzung mit dem europäischen Kontinent, trotz der Auseinandersetzung mit Wassily Kandinsky & Co., bewahrten sich die Amerikaner ihre malerische Unabhängigkeit. Mit reduziertem Pinselduktus propagierten sie eine amerikanische Moderne, die beeinflusst war von der Naturerfahrung und den Phänomenen in der eigenen Natur. Zu nennen sei Arthur G. Dove, der als erster abstrakter amerikanischer Künstler gilt. Duncan Phillips, der mit Dove befreundet war, zahlte bis zu dessen Tod im Jahr 1946 ein monatliches Stipendium und durfte dafür Werke des Künstlers auswählen. Dove fand seine Bildmotive im ländlichen New Yorker Hinterland, in Connecticut und am Long Island River.
Beeindruckend sind die monochrom-leuchtenden Werke eines Mark Rothko und die Farbfeldmalerei von Morris Louis im Obergeschoss des Hauses. Beide fühlten sich zwar mit dem Abstrakten Expressionismus verbunden und liebäugelten mit ihren europäischen Malerkollegen Piet Mondrian und Kasimir Malewitsch, fanden aber durch die Konstellation von Farben, Licht und Proportionen zu einem eigenen, typisch amerikanischen Stil. Parallel zur Abstraktion entwickelte sich fern von New York in Kalifornien die Figuration, dessen Vertreter Richard Diebenkorn und Elmer Bischoff sind.
Fazit: Zugegeben, viele amerikanische Künstler sind vom Namen her dem Besucher nicht geläufig. Dennoch lässt sich anhand der Präsentation Amerikas Weg in die Moderne nachvollziehen. Auch Dank der Sammlung der Phillips Collection. „Wir freuen uns, zentrale Werke unserer Sammlung nach Potsdam zu senden und damit die amerikanische Moderne in Europa zu präsentieren. Das jüngst eröffnete Museum Barberini bietet dafür einen hervorragenden Rahmen“, so Dorothy M. Kosinski, Direktorin der Phillips Collection, Washington.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Prestel Verlag, der 248 Seiten mit 200 Abbildungen umfasst und für € 29,90 im Museumsshop sowie für € 39,95 im Buchhandel erhältlich ist. Die Essays gehen auf ein internationales Symposium zurück, das am 21. November 2016 im Museum Barberini stattfand. Zwei Hauptwerken der Phillips Collection ist ein eigener Beitrag gewidmet, die anderen erforschen die vielfältigen Beziehungen der amerikanischen Kunst zu Europa.
Die Ausstellung „Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne“ ist bis zum 3. Oktober 2017 im Museum Barberini, Alter Markt, Humboldtstraße 5–6, 14467 Potsdam zu besichtigen.
Die Öffnungszeiten sind Mo & Mi–So von 10–19 Uhr, jeder erste Do im Monat von 10–21 Uhr, Di geschlossen.
Weitere Informationen unter: www.museum-barberini.com
Abbildungsnachweis:
Header: Ausstellungsansicht "Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne" mit Georgia O'Keeffes "Kirche in Ranchos, Nr. 2". Foto: Helge Mundt, © Museum Barberini
Galerie:
01. Edward Hopper: Sonntag, 1926, The Phillips Collection, Washington D. C.
02. Ausstellungsansicht "Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne", Museum Barberini. Foto: Helge Mundt, © Museum Barberini
03. Arthur G. Dove: Rote Sonne, 1935, The Phillips Collection, Washington, D. C.
04. Ausstellungsansicht "Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne", Museum Barberini. Foto: Helge Mundt, © Museum Barberini
05. Thomas Eakins: Miss Amelia van Buren, um 1891, The Phillips Collection, Washington, D. C.
06. Ausstellungsansicht "Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne" im Museum Barberini mit Alexander Calders "Rote Polgone", um 1950, The Phillips Collection, Washington, D.C. Foto: Helge Mundt, © Museum Barberini
07. Ausstellungsansicht "Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne", Museum Barberini. Foto: Helge Mundt, © Museum Barberini
08. Marsden Hartley: Bergsee, Herbst, um 1910, The Phillips Collection, Washington, D. C.
09. Ausstellungsansicht "Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne", Museum Barberini. Foto: Helge Mundt, © Museum Barberini
10. Edward Hopper: Anfahrt in eine Stadt, 1946, The Phillips Collection, Washington, D. C.
11. Ausstellungsansicht "Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne", Museum Barberini. Foto: Helge Mundt, © Museum Barberini.
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