Horst Janssen – Gedanken an einen rebellischen Künstler
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Horst Janssen wäre am 14. November 85 Jahre alt geworden.
Das Horst Janssen-Museum Oldenburg lädt an dem Tag zum großen Janssen-Talk mit Weggefährten (Frauen und Freunden), die Janssen-Bibliothek im Goßlerhaus Hamburg-Blankenese erinnert mit einer Matinee am 23. November – doch die beiden großen Hamburger Museen, die Kunsthalle und das Museum für Kunst und Gewerbe machen nichts. Rein gar nichts.
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Er wird sich ins Fäustchen lachen, da oben auf Wolke sieben. Verschmitzt über seine Brillengläser hinweg äugeln, einen kräftigen Schluck aus der Pulle nehmen, einen nackten Engelpopo tätscheln und irgendwas daher nuscheln, das nach „ich hab’s euch ja immer gesagt“ klingt. 85 Jahre wäre Horst Janssen (1929-1995) am 14. November geworden.
Noch vor zehn Jahren schrieb ich zum 75. und da hatte Janssen in der Tat noch gut lachen: „Hamburg feiert den Geburtstag schon mal vorab mit zwei großen Ausstellungen: Das Museum für Kunst und Gewerbe zeigt „Licht und Linie – Horst Janssen und die Fotografie“, sowie herausragende Plakat-Entwürfe; die Kunsthalle präsentiert die „Meisterzeichnungen“. Nicht etwa im Janssen-Kabinett der Galerie der Gegenwart. (Dort sind noch 50 wunderbare Selbstporträts zu sehen). Nein, am Glockengießerwall, dort, wo die Berührungsängste zu Hamburgs genialem Bürgerschreck immer besonders groß waren, ist sein Werk erstmals aus der Gruft befreit und in den Olymp der Kunst aufgestiegen: in den altehrwürdigen Kuppelsaal. Welch überraschende Wertschätzung im neunten Todesjahr! Werner Hofmann, der ehemalige Direktor, spricht sogar schon von Janssens „Neueinordnung in die Moderne“.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Beide Ausstellungen sind und ergänzen sich großartig. Man sollte sie sich unbedingt im Doppelpack ansehen, die Fotos zuerst, denn erst so erschließen sich die vielfältigen Bezüge. Janssens fotografisches Werk steht nicht für sich. Er fotografierte, was ihn als Zeichner und Radierer beschäftigte. Sich selbst in erster Linie. Immer und immer wieder. Verklärt, vernebelt, versoffen, mit Hut und Mantel, mit irre-zahnlosem Lachen. Alle Lebensphasen hielt er dieses Urviech von einem Künstler vor dem Spiegel fest, von den frühen 50er-Jahren bis zum schrecklichen Säure-Unfall 1990. Die riesigen Foto-Collagen, in denen er bravourös und schonungslos die drohende Erblindung dokumentiert, ist schon eine Schau für sich. Noch nie hat man in Hamburg so eine geballte Ladung unterschiedlicher fotografischer Janssen-Selbstporträts zu Gesicht bekommen. Noch nie wurde so deutlich herausgearbeitet, wie wichtig ihm die Fotografie zeitlebens war. Wie stark er diese „andere Möglichkeit des Sehens“ auch bei anderen großen Themen, den Stillleben und Landschaften nutzte. Da sind zum Beispiel die schroffen Felsenformationen von der Tessin-Reise mit Gesche, Anfang der 70er-Jahre. In der Kunsthalle tauchen sie wieder auf. Dichte Bleistiftzeichnungen, erstaunlich naturalistisch, in fast romantischer Manier: eine Art Essenz aller Bergpanoramen. Sie gehören zu den frühsten Blättern in diesem Reigen von rund 80 Leihgaben aus 15 Privatsammlungen, die – chronologisch geordnet – einen ausgezeichneten Überblick über zeichnerische Entwicklung und Themenschwerpunkte bieten. Besonders eindrucksvoll der Anfang: Der aufgeschwemmte, fein gestrichelte Janssen-Kopf von 1963: „Wieder Krach mit Hegewisch“, die bizarren, erotisch-poppigen „Svanshall“-Blätter, in denen die Metamorphosen von Körper und Landschaft erstmals anklingen, die magische Baumreihe in „Moreege“ (1970), aus der die intensive Auseinandersetzung mit Richard Oelze spricht. Alle zwei Meter ein neuer Janssen, Beispiele seiner einmaligen Virtuosität und Variationsfähigkeit. Immer wieder hat er seinen Stil geändert, scheinbar mühelos europäische und japanische Meister kopiert. Allein diese Virtuosität im Umgang mit grafischen Mitteln brachte Janssen bei vielen Kunsthistorikern und Kritikern in Misskredit. Ganz zu schweigen von den „unmodernen“ Themen, die sich dieser große Unzeitgemäße vornahm: Landschaft, Selbstporträt und Stillleben in den beiden Jahrzehnten der Konzept- und Kopfkunst. Das war glatte Rebellion und wurde mit konsequenter Ignoranz seitens der Museen bestraft. Nun, da man wieder gegenständlich sein darf, ist eine Neueinordnung Janssens in die Moderne sicher geboten. Aber ist sie jetzt schon möglich? Vielleicht braucht es noch ein paar weitere Generationen, bis man das Werk – und nur das Werk – betrachten kann.“
Horst Janssen-Museum, Oldenburg
Janssen-Talk zum 85. Geburtstag
Filmtipp: Horst-Janssen-Dokumentation anlässlich seines 85. Geburtstags
Anlässlich seines Geburtstags widmet der NDR dem großen Künstler eine umfassende Dokumentation über Leben und Werk. In dem Film „Horst Janssen – ‚Ich bin die Gnade Gottes‘“ kommen Familienmitglieder, Freunde und Wegbegleiter zu Wort. Horst Janssen starb 1995 und hinterließ ein riesiges Werk von rund 14.000 Zeichnungen, 3.000 Radierungen, hunderten von Aquarellen, Holzschnitten, Lithografien, Flugblättern und Plakaten sowie Buchpublikationen. Seit 2000 ist ein Teil seines Werks im Horst-Janssen-Museum Oldenburg zu sehen.
Die Ausstrahlung des Films erfolgt am am 15. November um 12.45 Uhr beim NDR. Regie: Bernd Boehm
Der Film ist außerdem 90 Tage lang in den Mediatheken von ARTE und NDR abrufbar.
Abbildungsnachweis:
Header: Hosrt Janssen-Museum, Oldenburg
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