Es war vor gut zehn Jahren. Oder ist schon länger her? Hamburg hatte den Architektur Sommer erfunden, hatte zum Hamburger Baudiskurs beigetragen, weil mit der „Next Generation“ eine neue Architekturgeneration erstanden war, die jenseits von Backstein und Mörtel bauen wollte.
Wir erinnern uns: Hadi Teherani, der Glas-High-Tech, war einer von ihnen. Es war die Zeit, als der Erfolg der Architekturbiennale in Venedig nachhaltig wurde. Warum nicht in Hamburg auch aus dem Architektur Sommer eine Architektur-Triennale machen? Es war eine schöne Idee. Aber Hamburg ist nicht der Ort, wo über Architektur diskursiv geredet wird, hier wird Geld damit verdient: in der HafenCity, in den BIDs (Business Improvement Districts) der Innenstadt, ja sogar noch in Wilhelmsburg. Nicht geklappt hat es in Hamburg mit einer Architekturbiennale oder – Triennale – sagen wir aus Desinteresse oder Unverständnis. Inzwischen gibt es viele Architektur-Biennalen zwischen Sao Paulo und Shanghai und ausgerechnet Rotterdam spielt den Gastgeber für Nordwesteuropa.
Was hat Hamburg mit Venedig gemeinsam?
Doch die Stadtrepublik Hamburg teilt mit Venedig nur die gleichen Kreuzfahrtschiffe, ansonsten fehlt es an Schlauheit, Mut und Personal und das wurde dies mal wieder besonders deutlich, wie gigantisch gut die Venezianer arbeiten. Vielleiht fließt ja in Hamburg auch die ganze Kraft der Kultur in die Funktion als Music(al)-Hauptstadt Deutschlands – wer weiß. Hamburg hat jedenfalls was verpasst, denn die Biennale (egal ob für Film, Kunst, Architektur oder anderes) in Venedig ist Kulturtourismus auf ganz hohem Niveau. Dort werden Umsätze gemacht, die den längst ausgemachten Untergang der Lagunenstadt verschieben können. Es war deswegen nicht verwunderlich, dass es mehrere größere Hamburger Büros wie „Gerkan, Marg und Partner“, „NPS Tschoban Voss“ oder „blauraum“ mit eigenen Ausstellungen nach Venedig zog – allerdings nur in Palazzi an der Peripherie, also irgendwo in der Stadt.
Absorbing Modernity 1914-2014
Die Musik spielte aber wie immer in den Giardini mit den sogenannten Nationenpavillons. Dort übten sich die Länder in „Absorbing Modernity 1914-2014. Es war eine großartige Idee der Lichtgestalt des zeitgenössischen Urbanismus, Rem Koolhaas, die Entwicklung der Architektur und Städtebau des 20. Jahrhunderts in allen Pavillons reflektieren zu lassen. Dabei glänzte endlich auch einmal der deutsche Beitrag im Pavillon, den man immer wieder mit dem Wort faschistisch abstraft. Viele Architekten wollen im am liebsten abreißen, und der deutsche Werkbund unter dem Kurator Paul Kahlfeldt lobte einen kleinen Wettbewerb aus, wie man ihn modernisieren oder neu bauen könnte. (Palazzo Ca'Tron, Santa Croce 1957, 30135 Venedig 3.8.2012, Mo.-Fr. 15-18 Uhr), Herausgekommen ist eine Show der Visionen und Träume, wie sie aber nicht notwendig sind. Denn im eigentlichen deutschen Beitrag erfährt der alte Pavillon eine Metamorphose, weil im Maßstab 1:1 der Bonner Kanzlerpavillon von Sep Ruf ein- und nachgebaut wurde. Der Pavillon ist also bespielbar und selten konnte man so schnell und so gut etwas über den Wandel der Architektur im 20. Jahrhundert lernen.
Architektur gibt es nicht mehr?
Insgesamt ist natürlich dies Bilanz der modernen Architektur schwierig. Es ist Biennale der Fachleute, der Wahrnehmung, des Wissens und der Reflektion. Oder des richtigen Hinschauens. Es ist auch das Ende der leeren und banalen Bildfunktion von Architektur. Wie anders kann man den Kommentar eines der besten deutschen Architekturkritiker (Hanno Rauterberg, Die Zeit) unter dem Titel: „Architektur gibt es nicht mehr“ interpretieren: „Die Ausstellung interessiert sich für den Niedergang, für Stumpfsinn und hundsgemeine Hässlichkeit“ schreibt er, „vor allem aber dafür, wie es so weit kommen konnte. Warum, fragt sie, sieht die Welt so aus, wie sie aussieht? Die Biennale will nicht einfach Architektur zeigen, sie will die Gegenwart durchdringen, mit all ihren Nöten und Verkorkstheiten. Und sie kommt zu dem nahe liegenden Schluss: Nicht allein die Bauwelt ist am Ende, die Gesellschaft ist es ebenso“.
50 Mitarbeiter planten über zwei Jahre
Da ist viel Wahres drin. Der gelernte Journalist und Filmer Koolhaas, Autor der Fachbestseller: „Delirious New York“ und „S,L, X, XL“, wird aber nicht zu einem Kulturpessimisten, sondern so wie die Süddeutsche Zeitung titelt, orientiert er sich am „Zurück zu den Ursprüngen“. Und sein zentraler Beitrag im ehemaligen italienischen Pavillon in Giardini „Fundamentals“ zeigt, warum Venedig so weit vorn ist.
Es war wohl jene Biennale, die seit ihrer ersten Veranstaltung 1980, als sie die Stilepoche der Postmoderne mit dem Titel „The Present of our Past“, eröffnete, die am nachhaltigsten sein wird, vielleicht sogar einen kleinen Paradigmenwechsel einläutet. Und das deswegen, weil mit Rem Koolhaas ein ausgefuchster Profi am Werke war. Er verlängerte die Planungszeit des Generalkommissars von einem halben Jahr auf zweieinhalb Jahre, setzte bis zu 50 Mitarbeiter zur Recherche und zum Ausstellungsbau an und organisierte natürlich die Gelder: So geht Biennale!
Beauty vs. Reality
Zum Inhalt nur so viel, denn man muss sich diese Ausstellung unbedingt anschauen, wenn man sich nur ein bisschen für Architektur interessiert: In Kapiteln wie Wand, Toilette, Treppe, Boden, Feuerplatz, Dach oder Tür erzählt das Koolhaas-Team die Geschichte der Basiselemente unserer gebauten Umwelt, schärft das Bewusstsein auf das, was hinter Stil und Bild der Architektur steckt. Wie das funktioniert, vermittelt gleich der Zutritt in den Pavillon mit dem Thema Decke. Oben in der Kuppel ist eine wunderbare Deckenmalerei aus dem Jahr 1909 zu sehen, darunter schwebt eine Installation, die wie ein elegantes Raumschiff aussieht. In Wahrheit ist es der Nachbau einer Klima-Decke, wie sie Mies van der Rohe einbaute: Im Katalog steht darunter: „Beauty vs. Reality!“
Eine Triennale für den Oberhafen
In den Hallen des Arsenale (Corderie) gibt es dann noch „Monditalia“, ein heiteres Sitten- und Landschaftsbild Italiens, publikumswirksam inszeniert mit Musik, Tanz und Gymnastik: Dort geht man aber sowieso wegen der prächtigen alten Baukulisse hin.
Übrigens ein Gelände, ähnlich brisant und das kollektive Gedächtnis aktivierend wie das alte Militärarsenal in Venedig, hat Hamburg auch: den Oberhafen, wo es nicht um Schiffe, aber um Eisenbahngeschichte geht: eine Hamburger Architektur-Triennale in diesem Ambiente? Fehlt nur noch der Kurator:„Lasst uns doch einfach Koolhaas fragen – der hat sowieso noch einen Koffer in Hamburg, denn das Science Center im südlichen Überseequartier der HafenCity wird zwar nicht gebaut, aber er könnte ja auch anderes vorschlagen.
Architekturbiennale in Venedig
och bis 23. November 2014 geöffnet.Detaillierte Informationen
Abbildungsnachweis:
Header: Farbimage der Biennale
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