Elbjazz

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Warum der Hamburger Hafen als Veranstaltungsort?

Nina Sauer: Ich liebe den Hafen und kann mir keinen geeigneteren Ort vorstellen. All die Container, Schiffe, Kräne und blinkenden Portalkatzen haben ihre ganz eigene Ästhetik. Das ewige Wummern, Tuten und Hämmern – was für eine Soundkulisse! Jazz passt hier perfekt her.

Tina Heine: Der Hafen übt eine einzigartige Faszination aus – nicht nur auf Touristen. Er ist ständig in Bewegung, verändert sich von Stunde zu Stunde. Im Hafen treffen, gerade auch jetzt im Zuge der HafenCity und der Elbphilharmonie, alt und neu zusammen – er steht metaphorisch für die Begegnung des Alten mit dem Neuen, der Hochglanzwelt mit der Arbeitsatmosphäre der Docks und Schiffe. Die Musik verbindet dies alles.



Nach welchen Kriterien wählt Ihr die einzelnen Locations aus?

Tina Heine: Wir suchen spannende, neue Orte, die über eine ganz eigene Atmosphäre verfügen, die nur wenige kennen und auf denen im besten Fall noch nie eine Bühne gestanden hat. In oder auf denen aber trotzdem – oder gerade deshalb – Musik besonders gut wirken kann. Orte, die in ihrer Summe das Spektrum von groß/klein, konzertant/tanzbar, open air und indoor abbilden.

Nina Sauer: Und damit die Bühnenbauer und Techniker keine grauen Haare bekommen, dürfen wir produktionstechnische und akustische Aspekte nicht ganz außer Acht lassen. Und natürlich muss ein Barkassenanleger in der Nähe sein.



Wie werden die Künstler, die auf dem ELBJAZZ Festival auftreten, ausgewählt?

Nina Sauer: Wir wollen die Vielfalt des Jazz präsentieren – auch angrenzende Genres. Modern, NuJazz, GypsySwing, ElectroSwing, Dancefloorjazz, Fusion, Ethno, Experimental, Souljazz… und noch viel mehr. Es gibt so viele gute Künstler, die großartige Musik machen, die wollen wir zeigen.

Tina Heine: Jazz selber definiert sich heute nicht mehr so eng und viele Künstler befinden sich musikalisch in Grenzbereichen zu Rock, Pop, Punk, Elektro und spielen ganz bewusst auf der breiten Klaviatur der Stile, die sich in der improvisierten Musik perfekt verbinden lassen. Daher gehören zum ELBJAZZ auch Weltmusik, Latin, Funk, Crossover, Projekte mit Klassik und Neuer Musik sowie ’Jazz und Literatur’ dazu. Aber auch der traditionelle Jazz findet bei uns seine Bühne(n). Reine Popbands wird man auf dem ELBJAZZ aber eher selten hören und wenn, dann mehr aus strategischen Überlegungen: Populäre Headliner, die ein breites Publikum ansprechen, helfen dabei, nicht nur Jazzliebhaber auf das Festival zu bringen. Vorrangiges Kriterium bei der Auswahl der Künstler ist und bleibt aber ihre künstlerische Qualität als Musiker, die Suche nach wegweisenden Neuerungen, die Mischung der Stile und die Gegenüberstellung von Vertrautem und Unbekanntem sowie die Verknüpfung der lokalen Szene mit nationalen und internationalen Künstlern – auch in gemeinsamen Projekten.

Nina Sauer: Natürlich muss das auch bezahlbar sein: 45 Bands, die wir für das ELBJAZZ 2011 planen, sind kein Pappenstil.



Wie wichtig sind „große Namen“?

Tina Heine: Keine Frage – große Namen sind wichtig. Vor allem in der Phase, in der sich ELBJAZZ erst einmal noch als neues, innovatives Festival positionieren muss, um schon von Anfang an Aufmerksamkeit zu erhalten und eine gewisse „kritische Masse“ als Publikum zu gewinnen. Noch wichtiger ist es aber, parallel Maßstäbe durch die Auswahl der unbekannten Bands zu setzen. Nur mit einer guten Auswahl an spannenden Bands schaffen wir langfristig das Vertrauen, das notwendig ist, um als Festival auf Dauer nicht von immer größer werdenden Namen abhängig zu sein.

Nina Sauer: Bekannte Acts unterstreichen die Größenordnung und Internationalität des Festivals. Zum HeadlinerKonzert kommen die meisten Festivalbesucher, so hat man ein großes, fröhliches Zusammentreffen aller – ein „ELBJAZZGetTogether“.



Welche Rolle spielt der Kulturtourismus für das ELBJAZZ Festival?

Nina Sauer: Kultur, Tourismus und Wirtschaft haben bei ELBJAZZ eine besondere Bedeutung und stehen in enger Wechselwirkung zueinander. Ich habe gerade gelesen, dass Deutschland nach Frankreich zum zweitbeliebtesten Kulturreiseland in Europa aufgestiegen ist. Da darf der Festivalbzw. MusikTourismus natürlich nicht fehlen! Wir möchten mit dem ELBJAZZ Festival dazu beitragen, dass der Titel „Musikmetropole Hamburg“ bewahrt und weiterentwickelt wird. Wir wollen den Klang der Stadt gestalten und dieser soll auch international hörbar sein.

Tina Heine: Jetzt schon eine gewisse und mit der Zeit sicher eine immer größere. Denn gerade im Bereich der Städtereisen ist der Kulturaspekt ein ganz wichtiger und für ein Festival sind die Kulturreisenden eine spannende Zielgruppe, denn sie sind aufgeschlossen, in der Regel zahlungskräftig und durch Qualität auch langfristig als Stammbesucher zu gewinnen. Hamburg wird als Destination, gerade auch im Zusammenhang mit der Elbphilharmonie und der HafenCity, immer spannender für Wochenendreisende. Beim ELBJAZZ verbinden wir zwei Säulen, auf die auch Hamburg Marketing und Hamburg Tourismus bauen: Hafen und Musik.

Nina Sauer: Genau: Musikmetropole Hamburg = Jazzmetropole Hamburg!



ELBJAZZ-Premiere 2010: Was waren die größten Ängste, die schönsten Momente, die größte Überraschung?

Tina Heine: Die größten Ängste waren sicher in erster Linie, dass zu wenig Publikum kommt, die Bands vor leeren Bühnen spielen, die Verteilung der Bühnen nicht gut läuft und die Logistik mit den Barkassen nach hinten losgeht. Vor richtig schlechtem Wetter haben wir uns natürlich auch gefürchtet. Schöne Momente gab es viele: Der Sonnenuntergang bei der Spitzenbühne, das Kreuzfahrtschiff, das an den MarcoPoloTerrassen hinter der Bühne auslief, der Moment auf der Bühne unmittelbar vor dem Eröffnungskonzert oder wie mir Freitagnacht auf dem Weg zur Blohm + VossHauptbühne wahre Menschenmassen entgegenkamen und ich dachte “ Wow, die sind alle unserem Ruf gefolgt…“ Als Freitagmorgen der letzte und in der Nacht zum Sonntag zum Ende des Festivals der erste Regentropfen fiel – was hatten wir für ein Glück!

Nina Sauer: Vor schlechter Presse hatte ich durchaus Angst. 2½ Jahre an der Realisierung unser Vision gearbeitet zu haben und dann verrissen zu werden… Nach dem ersten Festivaltag konnten wir noch nicht wirklich einschätzen, wie wir bei den Besuchern und Medienvertretern angekommen waren. Wir waren bis dahin so in Action gewesen, dass uns ein Gefühl dafür fehlte. Später spürten wir schon, dass die Resonanzen durchaus positiv waren, hatten aber immer noch Angst davor, zu optimistisch zu sein und am Ende doch mit schlechten Kritiken überhäuft zu werden. Als dann am Montag unter anderem das Hamburger Abendblatt einen fast halbseitigen Artikel mit großem Foto von der Hauptbühne und der Headline „Klingende Leuchtspur über dem Hafen“ brachte, fiel eine tonnenschwere Last von uns ab. Dadurch, dass uns jegliche Erfahrungswerte fehlten, hätte überall alles schief laufen können: BarkassenChaos, überfüllte Spielorte, sich beschwerende Gäste, Regen & Sturm, Technikausfall, Hochwasser und sonstige unvorhersehbare Ereignisse. Ganz besondere Momente waren die Barkassenüberfahrten zusammen mit so vielen entspannten und gut gelaunten Menschen – da ging mir wirklich das Herz auf. Magische Augenblicke waren für mich: Deodato spielt „Also sprach Zarathustra“ auf der Spitzenbühne bei untergehender Sonne und Elbblick. Gleich anschließend hab ich auf dem Weg zu Till Brönner eine ganze Clique guter Freunde getroffen, und alle waren gut drauf. Und: Auch nach dem Festival immer wieder auftauchende ELBJAZZT-Shirt-Träger im Hamburger Stadtbild.

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