Es ist gerade drei Monate her, da wurde das neue „Dansk Arkitektur Center“ (DAC) an der attraktiven Hafenfront Kopenhagens eröffnet. Aus einem modernisierten Speichergebäude etwas nördlich vom heutigen Ort kommend nun im sogenannten BLOX.
Im aus Glaskuben bestehenden BLOX-Gebäude – vom berühmten ‚OMA‘ (Office for Metropolitan Architecture) aus Rotterdam erdacht – sind neben dem Dänischen Architektur Center auch ein Design-Shop, Wohnungen, ein sogenanntes „Educatorium“, ein Restaurant, Büros, ein Parkhaus und ein Fitness-Studio untergebracht.
Wie könnte es anders sein: Das BLOX ist ein sehenswertes Meisterwerk aus dem Hause Rem Koolhaas, mit viel Glas und Stahl, modularen Kuben, Terrassendachsegmenten und unterschiedlichen Fassadenanmutungen, je nach Lichteinfall, Glasfarbe, Spiegelungen und Blickwinkel. Durch das von drei Seiten vom Wasser umgebene Gebäude führt eine Straße hindurch, die der Interessierte kaum bemerkt. Von der Westseite nähert sich der Besucher vom Frederiksholmskanal über einen platzähnlichen Außenbereich mit Sitz-, Liege und Spielflächen für Kinder und Außengastronomie. Eine unterirdische Querung erlaubt Fußgängern das BLOX quasi zu unterlaufen. Die Ost- und Nordostseite fällt terrassenförmig ab zum Hafenrand und zu den Bootsanlegern. Zwar wirkt der Bau je nach Annäherungsrichtung durchaus Monolithisch, er integriert sich aber in die Umgebung und ist urban gedacht, indem er vieles unaufgeregt und wie selbstverständlich unter einem Dach beheimatet. Privater Bauherr ist die im Jahr 2000 gegründete philanthropische und mitgliedergeführte Organisation „Realdania“, die bereits Architektur- und Kulturprojekte wie beispielsweise das Aarhus Kunstmuseum förderten und immer wieder eng mit Rem Koolhaas und seinem Büro zusammenarbeiten.
Bis Ende September präsentiert sich die erste große Ausstellung im DAC mit dem Titel „Welcome Home“ – doppelsinnig – und geht der Frage nach, was eigentlich Wohnen, Heimisch-fühlen meint, mit uns macht und zukünftig machen wird.
Diese Ausstellung tut dies ohne große abgehobenen Theorien zu folgen, ohne Zeigefinger oder didaktisches Führungskonzept. Sie tut dies vielmehr einfühlsam, mit historischer, zeitlicher Hintergrundsvermittlung mit großem Themenspielraum und viel Partizipationsmöglichkeiten.
Wie sich Wohnen in 100 Jahren verändert hat, kann man an der zig-Meter langen Wand sehen, die in die Hauptausstellung führt. Nicht nur, dass sich Städte, Räume, Baustile verändert haben und Architekten kamen und gingen, verändert haben sich vor allem Bedürfnisse durch gesellschaftliche, klimatische sowie technische Progresse.
“The home of the future has already been built. In 30 years, most Danes will live in houses that already exist. The question therefore becomes: How can we upgrade our current homes to meet our future expectations of sustainability, evolving family ties and changing dreams? That and much more, we would like to explore with our Danish and international visitors”, postuliert Tanya Lindkvist, die Programmdirektorin des DAC.
„Welcome Home“ zeigt im Kern der Schau, welche Wohn- und Wohnungsmodelle zur Zeit in den Städten und Megacities diskutiert werden, wie sich urbanes Leben immer mehr verändert und welchen Einfluss digitale Entwicklung hat und zukünftig haben wird. In einem Projektionsraum beschäftigt sich eine „spacige“ Videoinstallation über mehrere Wände mit dem Thema „Digital Home“.
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Zwar sind die Erklärungen hierzu nachvollziehbar und gut, jedoch wird es dem Thema in keiner Weise gerecht und die Statements halten sich sehr in Allgemeinen auf. Welchen Umbruch die globale Digitalisierung wirklich bringt – und das ist ein Grundproblem vieler Ausstellungen, nicht nur dieser – kann nicht gezeigt werden, weil niemand in der Lage zu sein scheint, überzeugende visuelle Antworten geben zu können. Einzig das Thema „Smart-Home“ überzeugt hier, denn es verbindet augenscheinlich durch seine digitalen Brückenfunktionen Anwesenheit mit Abwesenheit zuhause, Berufsende und Freizeitbeginn, Versorgung und Bestand, Energieeffizienz und Verbrauch etc.
Deutlich wird – und dies ist wiederum der Verdienst der Ausstellung – wie aufgesplittert die Wohnbedürfnisse mittlerweile in der dänischen Gesellschaft (aber auch in den europäischen Gesellschaften) sind – und wie generationsabhängig. Neben Individuallösungen und Aufbereitung von Existierendem (Upgrade Your Home) sind besonders die kollektiven Alternativen (Get Together), sowohl von Stadtplanern, Bauherren wie von Architekten nun im Fokus. Die Bandbreite ist groß: von Integrationsmodellen ist etwas zu sehen, auch von sozialen Lösungen mietbaren oder zu erwerbenden Wohnraums, von Quartieren für alle Generationen unter einem Dach, über „Wohnen am Arbeitsplatz“ (Live and Work) bis zum Kollektivwohnen für Senioren. Ob man überhaupt noch eine bezahlbare Wohnung in städtischen Raum zukünftig finden wird und nicht an die Stadtränder und aufs Land verdrängt werden wird ist nicht thematisiert, wäre aber im Zuge der momentanen Immobilien-Großeinkäufe der Reichen und Saturierten aus Osteuropa und China und anderswoher zu wünschen. Ob man überhaupt dann noch seine perfekte Smart-Wohnung verlassen muss, ist wohl auch irgendwann eine individuelle Entscheidung, eigentlich müssen nur noch Logistiker, Boten und Bauarbeiter im Freien rumwuseln.
Doch halt, im oberen, kreisrunden Balkonstockwerk der Ausstellung sind dann auch Beispiele zu sehen, die sich unter dem Thema „Your Urban Living Room“ (Dein urbanes Wohnzimmer) zusammenfassen lassen. Kurze Wege; gute Infrastruktur, angenehme Nachbarschaft, Raum für Kommunikation; Freizeit im Freien muss auch zukünftig nicht langweilig sein – auch wenn es auf den tapetengroßen Fotos noch etwas künstlich und allzu beschaulich nett ausschaut.
Partizipation ist in der gesamten lohnenswerten Ausstellung für das Publikum angeboten: Material, das angefasst und ausprobiert werden darf, Terminals zum Surfen, Lesetische mit viel analogem Material, 3-D-Brillen, die eine virtuelle Welt erscheinen lassen, sowie Stationen an denen jeder Besucher seine beim Eintritt erhaltene rote Plastikkarte hineinstecken darf und auf Grund der selbst registrierten Antworten auf verschiedene Fragen am Ende weiß, ob er lieber in einem großen Backsteingebäude, in einem futuristischen- oder klassischen Einfamilienhaus oder im mobilen Modul wohnt. Übrigens spukte meine Karte einen Zettel aus für das Backsteingebäude zum kollektiven Wohnen mit vielen anderen.
Welcome Home
Zu sehen bis zum 23. September 2018im Dansk Arktitektur Center, Bryghuspladsen 10, DK-1473 Kopenhagen/Dänemark
Geöffnet: täglich 10-8h, Do. 10-21h
Weitere Informationen
Video mit Ausführungen der Kuratoren (Dänisch)
BLOX-Broschüre April 2018 (engl.)
Abbildungsnachweis:
Header: Das BLOX vom Frederiksholmkanal aus gesehen, in dem das Dansk Arkitektur Center untergebracht ist. Foto: Rasmus Hjortshøj, COAST Studio & BLOX
Galerie:
01. Nordfassade des BLOX. Foto: Rasmus Hjortshøj, COAST Studio & BLOX
02. Detail des BLOX vom Frederiksholmkanal. Foto: Rasmus Hjortshøj, COAST Studio & BLOX
03. Blick vom inneren Treppenhaus auf das Restaurant nach draußen. Foto: Claus Friede
04. Kataloge Welcome Home. Foto: Claus Friede
05. Historische Zeitleiste. Foto: Rasmus Hjortshøj, COAST Studio & BLOX
06. Blick in die Ausstellung. Foto: Rasmus Hjortshøj, COAST Studio & BLOX
07. Blick in die Ausstellung. Foto: Rasmus Hjortshøj, COAST Studio & BLOX
08.-09. Blicke in die Ausstellung. Fotos: Claus Friede
10. Wohnen früher – in der Eckersbergsgade, Kopenhagen, 1962. Foto: Tobias Farber
11. Wohnen auf engem Raum. Yokohama Apartment, 2010 von Design Partners. Foto: Koichi Torimura
12. Alternatives Wohnen: De Vanføres Boligselskab Kollektivhuset, Kopenhagen. Foto: Jens-Peter Engedal
13. Partizipationsmaterial. Foto: Claus Friede
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