„Nackt unter Wölfen“, am ersten April im ARD und am 9. April im MDR.
Was sagte der Regisseur am Abend zuvor im TV? Er habe den gleichnamigen DDR-Film gesehen und war sehr gerührt. Er aber habe es anders gemacht, den heutigen Sehgewohnheiten angepasst. Als einstige DDR-Bürger, die diesen hochdramatischen Film mit Erwin Geschonneck und Armin Müller-Stahl ebenfalls gesehen hatten, fragten wir uns, wohin wohl die Reise gehen wird mit den „neuen Sichten“.
Denn damals fühlten wir mit Herz und Kopf, in einem Staat zu leben, der vom Grundsatz her absolut antifaschistisch geprägt war. Das machte mich persönlich stolz, sehr sogar. Und so nimmt man die atemberaubende Bestialität der faschistischen Mordbanden im Lager in diesem neuen Film sehr wohl zur Kenntnis. Sehr gut gebaute Szenen, die ans Herz gingen. Und dann? Es fehlt meiner Ansicht nach die deutliche politische und gesellschaftskritische innerliche Motivierung der Widerständler, die sich um den kleinen Jungen bemühten. Hatten sie keine Visionen von einem künftigen friedlichen Deutschland, keinen Schwur geleistet, so einen Wahnsinn nie wieder zuzulassen? Und welche verbrecherische Ideologie trieb die Naziverbrecher zu ihren Bluttaten? In den Lagern und auf dem weltweiten Schlachtfeld? Fielen die Bestien vom Himmel? Von wem wurden sie unterstützt?
So blieb das Kind eigentlich nur Symbolfigur für den Überlebenswillen der KZ-Insassen. Darauf wurde die Botschaft des Films reduziert. Man fragt sich, wo bleibt angesichts heutiger Gefahren für die bürgerliche Demokratie, für Frieden in Europa und darüberhinaus das vermittelnde Vermächtnis an die Heutigen? Kein Wort der Mahnung, keine Silbe davon, gefährlicher werdenden Zeiten – vor allem der neu aufkommenden neonazistischen Umtriebe – aktiv entgegenzutreten? Der Regisseur fühlte sich durch den DDR-Film sehr angeregt? Sein Herz mag betroffen gewesen sein, sein Tiefsinn blieb dabei wohl außen vor? Neoliberale Anpassungs-Ideologie lässt grüßen.
Ihr Harry Popow
Weitere Informationen zu „Nackt unter Wölfen“ (MDR)
Geboren 1936 in Berlin, war Harry Popow nach Abschluss der Grundschule Berglehrling in Zwickau, arbeitete als Kollektor im Bereich der Geologie, diente bis 1986 in der NVA als Ausbilder und Militärjournalist und erwarb dann im 5-jährigen Fernstudium den Titel „Diplomjournalist“. Nach 32-jähriger Dienstzeit war er bis zur Wende als Berater im Fernsehen der DDR tätig.
Von 1996 bis 2005 lebte Harry Popow mit seiner Frau in Schweden und kehrte 2005 nach Deutschland zurück. Er ist seit 1961 verheiratet und hat drei Kinder sowie zwei Enkel.
Hinweis: Die Inhalte von "Klartext" geben die Meinung der jeweiligen Autoren wieder. Diese muss nicht im Einklang mit der Meinung der Redaktion stehen.
Abbildungsnachweis:
Headerfoto: Claus Friede
Foto im Terxt: Sylvester Groth als Lagerältester von Buchenwald "Nackt unter Wölfen"(c) MDR / UFA Fiction
Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)
Kommentare powered by CComment