Brahms – Pollini – Thielemann – Staatskapelle Dresden
- Geschrieben von Claus Friede -
Pianist Maurizio Pollini und die Staatskapelle Dresden sind ein bewährtes Team in der Semperoper. Bereits 2011 beschenkten sie das Publikum mit Brahms' erstem Klavierkonzert und bekamen für die Einspielung 2012 den begehrten „Echo Klassik“. Im Januar 2013 folgte im Rahmen des 6. Symphoniekonzerts mit dem Brahms Zyklus II, die live Einspielung des zweiten Klavierkonzerts des Hamburger Meisters.
Ich war bis 2011 kein wirklich großer Fan von Pollinis Klavierspiel, auch wenn die Kollegen ihn für „seinen“ Mozart und Chopin immer lobten. Ich habe keine Ahnung woher er sein Potential mit über 70 Jahren nimmt, Brahms derartig gut zu spielen und einen Gehörschmaus auf einen Tonträger zu bringen wie „seinen“ Brahms. Pollini wächst hier über sein bisheriges spielerisches Vermögen hinaus, und insbesondere das zweite Klavierkonzert von Johannes Brahms (1833-1897) kulminiert in (m)einer Lobeshymne.
Texte von Label und Marketing neigen dazu, alles gut zu finden und das Einzigartige, in den noch so verstecktesten Nischen zu finden, um besser ihr Produkt verkaufen zu können. Mit dieser Einspielung verbinden sich die Interessensbereiche und klingen unisono.
Hier ist eine konforme Größe zu hören: Maurizio Pollini hat sein Orchester und seinen Dirigenten gefunden und umgekehrt. „Poetisch“ nannten die Fachkritiker sein Spiel. Zustimmung. Pollinis Spiel ist Poesie, weich und dennoch dezidiert, kraftvoll und dennoch einfühlsam: Horn und Klavier im ersten Satz (Allegro non troppo, B-dur) gehen meisterlich miteinander in den Dialog. Insbesondere das Cello und Piano zu Beginn des dritten Satzes (Andante – più adagio, F-dur) ist genau das, was es bezeichnet: schreitend und überlegt ruhig. Alles wächst ineinander und verbleibt untrennbar verbunden. Zugegeben, die Ausgewogenheit ist in solchen kleinen, kammermusikalischen Besetzungspassagen einfacher zu bewerkstelligen. Wie sich Pollini mit dem Gesamtorchester klanglich abstimmt ist überdies ein weiterer Höhepunkt. Weder drängelt sich der Solist in den Vordergrund, noch geht er im Klangrausch unter. Alles in allem: 47 Minuten Hochgenuss.
Es ist Brahms’ Genialität zu verdanken vier Sätze erleben zu können, die das Werk besonders machen. Auch diese Aufnahme gibt Brahms recht – die Komposition ist eine Sinfonie mit Klaviersolo. Wie kraftvoll letzteres sich gegenüber dem Orchester im zweiten energetischen (Allegro appassionato, d-moll) und vierten (Allegretto grazioso, B-dur) Satz durchklingen kann ist schon beeindruckend. Kritiker meinen das Scherzo (zweiter Satz) hätte Brahms weglassen zu können, doch er bestand auf etwas „Kräftiges und Leidenschaftliches“, auch der Wechsel der Tonart gibt dem Klavierkonzert seine ganz eigene Aura.
„In Dresden“, so schreibt Tobias Niederschlag im Booklet: „hat das B-dur-Konzert eine besondere Historie: Gleich zweimal [...] spielte es der Komponist [...] in der Semperoper. [...] Spätestens seit dieser Zeit gehören Brahms’ Werke zum Kernrepertoire der Dresdner Kapelle, deren Musiker den Komponisten 1884 zum Ehrenmitglied ihres Tonkünstler-Vereins machten.“ Thielemann und Pollini haben sich diese Ehre nun längst auch redlich erarbeitet und verdient.
Eine kleine anekdotische Parallele ist übrigens: Zwischen Brahms erster und zweiter Klavierkonzertkomposition lagen gut 20 Jahre, zwischen der Zusammenarbeit zwischen Pollini und der Staatskapelle Dresden auch.
Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-dur op. 83
Staatskapelle Dresden, Maurizio Pollini, Christian Thielemann
Deutsche Grammophon (DG)
Nr.: 00028947923848
YouTube-Video
Abbildungsnachweis:
Header: Thielemann (l.) Pollini (r.) Foto: Staaatskapelle Dresden
CD-Cover
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