CDs KlassikKompass

Zugaben müssen für gewöhnlich vom Publikum am Ende eines Konzertes erklatscht werden. Das, was außerhalb des Konzertprogramms steht und als Überraschung zusätzlich gespielt wird oder jenes Stück, worauf das jeweilige Publikum besonders reagiert wird wiederholt.

Die Zugabe (Encore, in englischer Sprache) interpretiert die US-amerikanische Violinistin Hilary Hahn anders, aufwändiger, geplanter und anspruchsvoll. Nichts destotrotz – ein überraschendes Moment ist garantiert, wenn man die beiden CDs anhört, die die Deutsche Grammophon kürzlich auf den Markt brachte.

 

In 27 Pieces – The Hilary Hahn Encores„Die kleinen Stücke“ sind von 27 zeitgenössischen Komponisten, darunter Mason Bates, Satō Sōmei (1), Max Richter, Søren Nils Eichberg, Tina Davidson, Ōshima Michiru und Einojuhani Rautavaara geschieben worden, um nur einige zu nennen. Dass es sich dabei um Kompositionsaufträge handelt, ist nicht nur nebenbei erwähnenswert, vielmehr steckt die Besonderheit zunächst in der Unkalkulierbarkeit eines solchen Projekts, weil die Auftraggeber lediglich eine vage Ahnung davon haben können, was am Ende herauskommen wird. Und das Ergebnis ist atemberaubend!
Ein Refugium des kompositorischen Seins – quer über die Kontinente hinweg, quer durch die Kulturen, quer durch die Musik und quer durch die Fülle an Kreativität.


In der Auswahl, der „Choreographie“ und Abfolge auf den CDs steckt ebenfalls viel Können und Gefühl, denn die einzelnen Stücke – das kürzeste ist zwei Minuten, das längste sechs Minuten lang – kreieren Bilder und Vorstellungen und schicken den Hörer auf eine Reise in die Vielfältigkeit dieser außergewöhnlichen Sammlung.
Neben den europäischen und nordamerikanischen Elementen sind es gerade die asiatischen Komponisten, die mit ihrer Tradition einen ungeheuren Mehrwert schaffen. Der japanische Komponist Satō Sōmei beispielswiese arbeitet an einer Fusion aus westlicher und japanischer Tradition und ist inspiriert von Shintō und Zen-Buddhismus. Die aus Macao stammende Lam Bun-ching ist voller Elan und Kraft. Auch sie pendelt kompositorisch zwischen den Kulturen. Ōshima Michiru arbeitet als japanische Komponistin wie selbstverständlich auch für Film, Fernsehen und Video-Games.


Dieses umfangreiche Repertoire einzuspielen ist für die zweifache Grammy-Gewinnerin Hilary Hahn eine Herausforderung gewesen. Sie schreibt im beiliegenden Booklet gleichnishaft, dass sie sich mit all den neuen Kompositionen wie in einem „Gebäude befunden hätte ohne sichtbare Türen“ und sich die jeweiligen Eingänge erarbeitete. Sie tastete sich langsam heran und fragte sich immerzu wie sie selbst in das Konzept passe.
Gemeinsam mit dem Pianisten Cory Smythe war dann das Einarbeiten, Üben und Proben eine „erfüllende Erfahrung“ und „Weltpremieren fügen einen weiteren Grad an Intensität hinzu“, schreibt sie weiter.


Einzelne Stücke herauszunehmen, um sie losgelöst aus dem Kontext zu werten erscheint mir hier vollkommen sinnlos. Das kompositorische sowie interpretatorische Können ist jede Note auf den Alben wert. Nehmen Sie sich die Zeit für die Eroberung dieser Ansammlung von Miniaturen, in denen die ganze Welt steckt.


(1) Asiatische Namen hat der Autor in der dort üblichen Form geschrieben: Familienname und danach den Vornamen.


In 27 Pieces – The Hilary Hahn Encores

Label: Deutsche Grammophon, DDD, 2012/2013
Bestellnummer: 4018437

Album Trailer

 

 

CD 1
Ali-Zadeh: Impulse
Satoh: Bifu
Du Yun: When a Tiger Meets a Rosa Rugosa
Lang: Light moving
Lam: Solitude d’automne
Moravec: Blue Fiddle
Abril: Third Sigh
Dorman: Memory Games
Del Tredici: Farewell
Bates: Ford’s Farm
Rautavaara: Whispering
Whitehead: Torua
Barrett: Shade
Higdon: Echo Dash


CD 2
Hatzis (1953) Coming To
Myers (1977) The Angry Birds of Kauai
Turnage (1960) Hilary’s Hoedown
Silvestrov: Two Pieces
Ramnath: Aalap and Tarana
Auerbach: Speak, Memory
Davidson: Blue Curve of the Earth
Sharp: Storm of the Eye
Oshima: Memories
Newton Howard: 133… at least
Muhly: Two Voices
Eichberg: Levitation
Max Richter: Mercy

 

 

Fotonachweis: © Deutsche Grammophon, CD-Cover

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