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Der andere Richard Strauss

Gleich mehrere CD-Boxen veröffentlicht Warner Classics im 150. Geburtsjahr von Richard Strauss (1864-1949): „Strauss: The Great Operas“ (Nov. 2013), „Strauss: Complete Orchestral Works / Rudolf Kempe“ (Jan. 2014) und „The Other Strauss“ (Feb. 2014).

Ein großer Teil seiner Lieder gehört zu den bekannten Werken des in München geborenen Komponisten, auch die Orchesterwerke werden nicht selten gespielt und schon gar nicht seine großen Opern wie der „Rosenkavalier“, „Also sprach Zarathustra“, „Electra“ oder „Arabella“. Wenig zu hören sind jedoch etliche der Stücke, die in der CD-Box „The Other Strauss“ zusammengetragen wurden.

altDie Auswahl nimmt die Hörer mit ins Gefühlsbad der Spätromantik. Mit guten vier Stunden hat das Forschen in Archiven mehr als nur einen Einblick gebracht, es sind einige echte Raritäten und Überraschungen zu finden. Letztere deshalb, weil beispielsweise die wunderbare Aufnahme des Rundfunkchors aus Stockholm unter der Leitung des vor einem Jahr verstorbenen Dirigenten und Chorleiters Eric Ericson eine musikalische Kostbarkeit ist. Die knapp zwanzig minütige „Deutsche Motette“ (op.62) wurde 1970-1971 aufgenommen, was qualitativ nicht zu hören ist, vielmehr trägt sie textlich und vor allem kompositorisch himmelwärts. Klanglich schwebend wie in einem dahin fließenden Strom müssen die Sopranstimmen das hohe Des erreichen, während die Bässe im Gegenpart das tiefe B bewältigen müssen. Die schwierig zu singende A-cappella-Motette kann man perfekter wohl nicht vortragen.

Auch die Balladenvertonung von Ludwig Uhland (1787-1862) „Taillefer“ (op.52) mit dem Tenor Johan Botha, dem Bariton Michael Volle und der Sopranistin Felicity Lott gehört gleich zu Anfang zu den hörenswerten Highlights der Sammlung. William the Conqueror, der romantisierte Normanne, der sich 1066 aufmachte, England zu erobern steht im Mittelpunkt des Geschehens. Strauss führte dieses orchestrierte, hybrid-opernartige Stück 1902 erstmals auf. Im seinem Zentrum stehen heroisch klingende Kampfszenen, bis schließlich die Schlacht auch siegreich musikalisch geschlagen ist.

Die „Göttin im Putzzimmer“ (ohne Opus-Zahl) trägt nicht nur einen kuriosen Titel, die A-cappella-Komposition für acht Stimmen gehört – sogar laut Begleitheft – zu den belanglosen Stücken des Meisters. „Welche chaotische Haushälterei! / Welches erotische Tausenderlei!“, sind die ersten Textzeilen von Friedrich Rückert (1788-1866), und alles was danach kommt, erhält die Verniedlichungsform „-chen“. Musikalisch gibt es weder Strauss’ mystische Sensibilität noch ein spätromantisches Konzept – zurück ins Archiv.
Ob die Potpourri-Ouvertüre „Die schweigsame Frau“ (op.80) unbedingt in die Auswahl gehört, wage ich auch zu bezweifeln. Zwar zählt diese Komposition zu den wohl fröhlich-leichtesten, die Strauss je schrieb, aber das Rotterdam Philharmonic Orchestra unter Jeffrey Tate hat es lediglich anständig gespielt, nicht wirklich überzeugend.

Dafür folgt – gar nicht schweigsam – die „Frau ohne Schatten“ (op. 80) in derselben Konstellation, und hier schaffen es die Niederländer, der sinfonischen Fantasie einen wahrhaft wunderbaren Ausdruck zu verleihen. Aus der Oper (op.65), die 1919 uraufgeführt wurde, zog Strauss 1946 die musikalischen Höhepunkte zusammen und machte daraus dieses gelungene 21-Minuten-Werk.
Und schließlich ist die Cellosonate in F-Dur (op.6) nennenswert. Die Aufnahme stammt aus dem Sommer 1974 und wurde in Paris auf Tonträger gebracht. Der unvergleichliche Mstislav Rostropovich (1927-2007) am Cello spielt mit der griechischen Pianistin Vasso Devetzi (1927-1987). Die digital bearbeitete Version lässt dem Können dieser großartigen Musiker jeden Raum. Einfühlsam kommt der Hörer ins Vergessen jeglicher Zeitmessung.


Label: Warner Classics, ADD/DDD, 1971-2006
3 CD-Box Barcode: 0825646349289

Mit: Felicity Lott, Margareta Hallin, Marie-Louise Siren, Sven-Erik Alexandersson, Boris Berezovsky, Renaud Capucon, Jerome Ducros, Vadim Repin, Mstislav Rostropovich, Frank Braley, Ernst Senff Chor Berlin, Rundfunkchor Stockholm, Stockholmer Kammerchor, Philadelphia Orchestra, Dresdner Philharmonie, Rotterdam Philharmonic Orchestra, Eric Ericson, Michel Plasson, Wolfgang Sawallisch, Jeffrey Tate.
Trackinglist und Hörproben


Abb.: Portraitdetail Richard Strauss in New York, 1904. Foto: Gessford und dirigierend, um 1895 (rechts). Collage: Claus Friede
Cover der CD-Box

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