Mozart: Le Nozze di Figaro
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Um es vorweg zu sagen: Mozart neu erfunden hat er nicht, dieser Teodor Currentzis, dessen "Nozze di Figaro" aus dem russischen Perm derzeit als Studio-Aufnahme Furore macht. Der 49 Jahre alte Grieche, der in Russland das Alte-Musik-Ensemble Musicaeterna gegründet hat, ist aber ganz konsequent und erfolgreich im Entschlacken von Mozart genialer Oper. Etliches, was als Pluspunkt der Aufnahme gilt, machte schon René Jacobs' inzwischen zehn Jahre alte Referenz-Aufnahme zum staunenswerten Ereignis: die alten Instrumente, wenig Vibrato, das frech parlierende Hammerklavier zu den Rezitativen, hurtige Tempi und große Spannbreite in der Dynamik.
Currentzis will nun noch näher an den Mozart herankommen, wie er zu dessen Lebzeiten gespielt und gesungen wurde. Er hat also den Streichern sowieso, aber auch seinen Sängern weitgehend das Vibrato abgewöhnt. Das lässt die Damen (Fanie Antonelou als Susanna und Simone Kermes als Gräfin) zwar fein, aber gegenüber den kraftvollen Männerstimmen von Andrei Bondarenko (Graf) und Christian van Horn (Figaro) manchmal auch etwas eng klingen.
Insgesamt setzt Currentzis fort, was schon 2011 bei seiner legendären Aufnahme des Mozart-Requiems zu ahnen war: Er setzt auf maximale Transparenz, hat Spaß an großen Kontrasten. Auch beim "Figaro" entstaubt er; er lotet, befreit von der Lautstärke-Diktatur großer Theater und moderner Instrumente, feinste Grade der Lautstärkenunterschiede aus, setzt weniger auf durchhörbare glatte Eleganz als auf akustische Überraschung. Für ihn ist Mozart die Achse, um die sich das musikalische Universum dreht. Er tanzt ekstatisch, wenn er dirigiert (Video), sein "Figaro" schäumt, brodelt, kocht. Die an Verwirrung reiche Schrankszene mit dem aufgebrachten Grafen und Cherubinos Fenstersprung ist ganz großes Hörkino. Und am Ende des tollen Tags verstummt alles, kurz vorm Herzstillstand, in dem einen, tiefen Moment fassungslosen Erstaunens und der Selbsterkenntnis des "Contessa, perdono". So dicht dran an den inneren Wahrheiten, die da auf die Bühne kommen sollten, ist man selten. So sehr unter die Haut gehen sie auch nicht oft.
Allein dafür hat sich diese Studioproduktion gelohnt, und sie macht sehr neugierig auf Currentzis' "Così" (Herbst 2014) und "Don Giovanni" (Herbst 2015).
Mozart: Le Nozze di Figaro. Teodor Currentzis, Musica Aeterna.
Label: Sony Classical 8883709262
Fotos: Detail aus einem Originalplakat für Wolfgang Amadeus Mozarts Oper: „Die Hochzeit des Figaro“
CD-Cover
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